Berchum. Vor 17 Jahren baute eine Initiative für Solarstrom erste Module auf Dächer in Berchum. Inzwischen wurden 500.000 Kilowattstunden Strom geerntet.

„Wir haben mit unserer Photovoltaikanlage in 17 Jahren 500.000 Kilowattstunden Strom geerntet.“ Nicht ohne Stolz blickt deshalb Karl-Friedrich Winterhager auf den Mai 2022 zurück, als im Solardorf Berchum diese magische Zahl überschritten wurde. Eine Zahl, die deutlich macht, welche Bedeutung regenerative Energie haben kann und mit Blick in die Zukunft haben wird.

Karl-Friedrich Winterhager war 2005 einer der Initiatoren von „Binse
Karl-Friedrich Winterhager war 2005 einer der Initiatoren von „Binse", der Berchumer Initiative für Solarstrom. Hier steht Winterhager vor der ehemaligen Jugendbildungsstätte in Berchum, wo sich die Initiative damals ebenfalls für Solarmodule auf dem Dach eingesetzt hat. © Volker Bremshey

Bis zu 33000 Kilowattstunden

Denn jedes Jahr hat die im Jahr 2005 in Berchum gegründete „Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ (GbR) zwischen 27000 und 33000 Kilowattstunden Ökostrom ins Netz eingespeist und damit pro Jahr - rein rechnerisch – zehn Haushalte vollständig versorgt. „Wir benötigten keine Kohle, wir benötigten kein Gas, wir benötigten auch keinen Atomstrom“, sagt Winterhager als Gründungsmitglied der GbR, „wenn wir frühzeitig auf erneuerbarer Energie wie Photovoltaik- und Windkraftanlagen gesetzt hätten. Aber insbesondere der ehemalige Wirtschaftsminister Altmaier hat diese Entwicklung gebremst.“

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Beitrag für Umwelt leisten

Rückblick: „Wir wollten etwas für die Umwelt tun“, erinnert sich der Berchumer an den 13. Mai 2005, als die 30-kW-peak leistungsstarke Anlage ans Netz ging und der erste Ökostrom eingespeist wurde. Clemens Lohkamp, Günter Keil, Dr. Helmuth Küffner und Karl-Friedrich Winterhager waren als Mitglieder der BINSE e.V. (Berchumer Initiative für solare Energien) jene Initiatoren, die zuvor mit der Jugendbildungsstätte einen Gestattungsvertrag abgeschlossen hatten, um das nach Süden ausgerichtete Dach des Gebäudes zu nutzen.

Seit nunmehr 17 Jahren setzt sich die Berchumer Initiative für Solarstrom (BINSE) für den Ausbau von Photovoltaik im Dorf ein (hier ein Bild aus dem Jahr 2008). Seither sind viele Anlagen auf den Dächern der Häuser entstanden.
Seit nunmehr 17 Jahren setzt sich die Berchumer Initiative für Solarstrom (BINSE) für den Ausbau von Photovoltaik im Dorf ein (hier ein Bild aus dem Jahr 2008). Seither sind viele Anlagen auf den Dächern der Häuser entstanden. © JOSTEN,Björn

180 Solarmodule für das Dach

Ein Fachunternehmen aus Gütersloh bestückte dieses mit insgesamt 180 Solarmodulen, die jeweils eine Leistungsfähigkeit von 170 Watt auswiesen. Zur Finanzierung der damals rund 130.000 Euro teuren Bürgergemeinschaftsanlage suchten die Gesellschafter weitere Mitstreiter, die Einlagen in Höhe zwischen 1000 Euro und 10000 Euro tätigen konnten.

„Die Möglichkeit der finanziellen Beteiligung sollte möglichst breit gestreut werden.“ Zusätzlich zu den vier Gesellschaftern nutzen 31 Bürgerinnen und Bürger die Gelegenheit, sich zu beteiligen. „Mit einer Ausnahme sind auch 17 Jahre später noch alle dabei, haben ihre Anteile teilweise jedoch an Familienmitglieder weitergegeben“, so Winterhager weiter.

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In Betrieb seit über 15 Jahren

In den zurückliegenden mehr als eineinhalb Jahrzehnten musste bislang noch kein Modul ausgetauscht werden. Alle produzieren ohne Abstriche weiterhin wie am ersten Tag den Strom. Allein zwei Wechselrichter, die den Gleichstrom der Anlage in Wechselstrom fürs Netz umwandeln, mussten erneuert werden.„Trotz der im Jahr 2005 großen Investition rechnet sich die Anlage“, verweist Karl-Friedrich Winterhager darauf, dass die GbR seit dem ersten Tag 55 Cent pro eingespeister Kilowattstunde bekommt. „Die Einspeisevergütung ist deshalb so hoch, weil wir den erwirtschafteten Strom zu 100 Prozent ans Netz abgeben und nicht selbst verbrauchen.“

Vertrag läuft 2025 aus

Noch für drei Jahr gilt der Vertrag. Winterhager: „Was dann kommt, wissen wir noch nicht.“ Aktuell erhalten diejenigen, die jetzt an Netz gehen und mit ihrer neuen Photovoltaik-Anlage Strom einspeisen, eine Vergütung von 6,5 Cent pro Kilowattstunde. Tendenz leicht sinkend. Dafür dürfen die Hausbesitzer den auf dem eigenen Dach produzierten Ökostrom selbst nutzen und diesen mit einem Speicher für Abend- oder Nachtstunden, wenn die Anlage nicht produziert, sichern. Oder ihr E-Mobil aufladen. Deshalb wird nur der Strom-Überschuss ans Netz abgegeben.

Anreize für erneuerbare Energien

Wirtschafts- und Klimaschutzminister Dr. Robert Habeck hat jedoch angedeutet, die Einspeisevergütung stabil zu halten und eventuell sogar wieder zu erhöhen, um möglichst vielen Hausbesitzern einen Anreiz zu bieten, sich Module aufs Dach zu setzen.

Angesichts der Strompreis-Explosion und der Möglichkeit, mit einer Wallbox das eigene E-Auto zu laden, eine sinnvolle Investition. Diese bedarf aktuell Geduld. Denn bedingt durch den Ukraine-Konflikt und der damit verbundenen Energieknappheit denken gegenwärtig viele Hausbesitzer darüber nach, das Dach des Eigenheimes mit Modulen zu bestücken.

Nachfrage derzeit groß

Aufgrund der großen Nachfrage sind die Auftragsbücher der Solaranlagen-Anbieter voll, das Angebot an Modulen, Wechselrichtern und Speichern begrenzt, so dass viele „Solarteure“ potenzielle Kunden bereits auf das kommende Jahr vertrösten müssen.

Förderverein für Solaranlagen

Karl-Friedrich Winterhager begleitet aktuell 31 Solaranlagen-Besitzer aus der Region Hagen, Iserlohn, Menden und Witten, die ihm Monat für Monat ihre Sonnenenergie-Erträge mitteilen. Diese Werte leitet er an den Solaranlagen-Förderverein Deutschland, der in Aachen sitzt, weiter. Ziel des Vereins ist es, bundesweit Monats-Stromerträge von vielen PV-Anlagen zu sammeln, daraus regionale Durchschnittswerte zu errechnen und diese Werte wieder der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.

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Erträge transparent

Winterhager nennt noch einen weiteren Vorteil: „Jeder hat somit monatlich vor Augen, was seine Anlage produziert. Das ist sehr nützlich, weil dann sofort zu erkennen ist, ob eine Störung aufgetreten ist und die Anlage nicht mehr fehlerfrei funktioniert.“