Hagen. Die drohende Gasnotlange in den Wintermonaten macht in Hagen heute schon kreativ. In vielen öffentlichen Gebäuden drohen Einschränkungen.
Während die Bundespolitik vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges jeden Tag neue Vorschläge zu den Gas-Notfallplänen diskutiert, appellieren die heimischen Wohnungsgesellschaften bereits an ihre Mieter, die Nebenkostenvorauszahlungen drastisch nach oben zu korrigieren. In den Hagener Freibädern werden die Wassertemperaturen um zwei Grad gesenkt, die City-Gemeinschaft wird Anfang August über die Beheizung der Ladenlokale und Reduzierung der Schaufenster-Illumination diskutieren, um mit Blick auf die spätestens im Winter drohende Energiekrise schon heute den Verbrauch zu drosseln. Die Kämmerei der Stadt Hagen geht mit Blick auf das kommende Abrechnungsjahr bereits heute davon aus, dass die Stadt 2023 Mehrbelastungen in Millionenhöhe tragen muss.
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Bei Hagenbad wurden angesichts der drohenden Gasnotlage zumindest in den Freibädern bereits Nägel mit Köpfen gemacht: Statt auf ursprünglich 24 Grad werden die Becken in den Freibädern Hestert und Hengstey zurzeit nur noch auf etwa 22 Grad beheizt. Allerdings ist das in der Praxis kaum wahrnehmbar, weil angesichts der aktuellen Sonneneinstrahlung der gewohnte Wert noch gehalten wird. Mit diesem Schritt folgt Hagenbad einer Handlungsempfehlung der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen. Derweil beeinflusst die Energiekrise das Westfalenbad nicht in dem Maße, dass Temperaturen gesenkt werden müssen, da die thermische Energie für Raum- und Wassertemperatur im Freizeitbad und in der Saunalandschaft über Fernwärme aus der Müllverbrennungsanlage des Hagener Entsorgungsbetriebs (HEB) gespeist wird.
Arbeitsgruppe im Rathaus
Bereits seit mehreren Wochen stehe die Thematik auch auf der Agenda der Stadtspitze, reklamiert der Verwaltungsvorstand für sich. Auf Initiative von Oberbürgermeister Erik O. Schulz, so lässt dieser über seine Sprecherin Clara Treude ausrichten, habe sich eine verwaltungsinterne Arbeitsgruppe formiert, der neben den Beigeordneten auch Vertreter verschiedener Fachbereiche angehören – vorzugsweise aus der Gebäudewirtschaft, dem Ordnungsamt, der Feuerwehr sowie dem Ressort Personal und Organisation. Ihr Auftrag: Auswirkungen der Energiekrise auf die Stadtverwaltung. Sollte sich die Lage verschärfen, könne aus diesem Kreis auch ein Krisenstab formiert werden.
Aktuell durchforstet die Gebäudewirtschaft noch einmal sämtliche städtische Gebäude, um mögliche weitere Energiesparpotenziale ausfindig zu machen. Dabei geht es auch um die Frage, ob im Falle einer sich verschärfenden Gasmangellage beispielsweise Verwaltungsgebäude komplett oder in Teilen leergezogen und geschlossen werden können. Zudem geht es um eine Reduzierung von Öffnungszeiten und mögliche Temperaturabsenkungen. Experten gehen davon aus, dass jedes Grad weniger eine Energieersparnis von bis zu sechs Prozent ergibt. Bei einer Optimierung der Heizungsanlage, so rechnen die Profis vor, könnten sogar bis zu 25 Prozent Verbrauchsreduktion möglich sein.
Regeln werden umgesetzt
Neben einem Wärmemangel steht inzwischen aber auch die Sorge um einen Strommangel im Raum: Es wird erwartet, dass bei abgesenkter Gebäudetemperatur in vielen Büros die fröstelnden Mitarbeiter zu elektrischen Heizlüftern greifen.„Erst wenn belastbare Zahlen zu effizienten Energieeinsparungen vorliegen, werden konkrete Maßnahmen in Angriff genommen“, verweist Treude darauf, dass abschließende Entscheidungen in Hagen noch ausstehen. Insgesamt geht man im Rathaus davon aus, dass die allgemeinen Regelungen, die beispielsweise die EU-Ebene trifft, letztlich in Hagen auch so umgesetzt werden – beispielsweise eine verbindliche Temperaturabsenkung in öffentlichen Gebäuden im Winter auf 19 Grad.
„Konkrete Maßnahmen werden nur dann auf eine hohe Akzeptanz treffen können, wenn es zu stadtübergreifenden und vor allem einheitlichen Lösungen kommt“, umreißt die Stadtsprecherin die Haltung des Rathauses. Dabei geht es auch um die Frage, ob es – wie bereits in Corona-Zeiten üblich – erneut zu einer umfassenden Ausweitung der Homeoffice-Regelungen kommt. „Diesbezüglich steht die Stadt Hagen über den Städtetag seit Wochen im Austausch mit anderen Kommunen.“ Dabei gilt es auch zu berücksichtigen, dass viele Menschen in einem deutlich ineffizienteren Zuhause leben als es die meisten öffentlichen Gebäude vorhalten. Das oberste Credo lautet dort, die beheizte Nutzfläche zu reduzieren.
Auch kleiner Beitrag hilft
Höhere Kosten für Busbetrieb
Beim Thema Heizkosten profitiert die Hagener Straßenbahn AG von der Abwärme der Müllverbrennungsanlage des Hagener Entsorgungsbetriebes. Der gesamte Betriebshof wird über die Fernwärme geheizt.
Darüber hinaus werden in puncto Spritverbrauch Sparmaßnahmen direkt im Fahrbetrieb umgesetzt. Mithilfe eines digitalen Fahrerassistenzsystems wird jedem Busfahrer direkt beim Fahren die energiesparende Effizienz seiner Fahrweise angezeigt. So kann eine Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs erzielt werden.
Trotz dieser Sparmaßnahmen: Natürlich stellen die seit Anfang des Jahres drastisch gestiegenen Preise für Kraftstoffe und Additive eine erhebliche wirtschaftliche Belastung für die Hagener Straßenbahn AG dar.
Da die Hagener Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (HVG) als Mutterkonzern der Straßenbahner einen festen Zuschuss der Stadt Hagen zur Finanzierung ihrer Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge bekommt und derzeit noch unklar ist, ob die erhöhten Treibstoffkosten von Bund oder Land ausgeglichen werden, müssen diese Mehrausgaben vorerst noch von der HVG alleine getragen werden
Letztlich gilt es aber auch festzuhalten, dass – neben einer klarer Signalwirkung – der Energieverbrauch in öffentlichen Gebäuden eine eher nachgeordnete Rolle beim Energieverbrauch spielt. Laut Statistischem Bundesamt war im Jahr 2021 der größte Stromverbraucher die Industrie mit immerhin 44 Prozent. Danach folgten Gewerbe, Handel und Dienstleistungen (27 Prozent) sowie die privaten Haushalte (26 Prozent).
Inwieweit die Hagener Einzelhändler auf die drohende Energieknappheit reagieren, werden Vorstand und Beirat der City-Gemeinschaft im August erstmals andiskutieren. „Hier hat es bislang noch keine Abfrage gegeben“, will Vorsitzender Wladimir Tisch ohne Tabus beispielsweise die Reduzierung der Schaufensterbeleuchtung, gedrosselte Laden-Temperaturen oder auch eine Reduzierung der ohnehin schon energiesparenden LED-Weihnachtsbeleuchtung erörtern.