Hagen. Christoph Köther geht, Markus Monßen-Wackerbeck kommt. Nach 14 Jahren blickt der scheidende HVG-Chef auf seine Zeit bei der Hagen-Holding.

Bis er Ende August endgültig seinen Schreibtisch ausräumt, ist es zwar noch ein paar Wochen hin. Doch nach 14 Jahren an der Spitze der Hagener Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (HVG) ist für Christoph Köther als Geschäftsführer von HVG und Hagenbad sowie Vorstand der Hagener Straßenbahn AG anlässlich der letzten Gremiensitzung der richtige Zeitpunkt gekommen, zurückzublicken: „Für mich war es insgesamt eine sehr spannende und abwechslungsreiche Zeit, für die ich dankbar bin.“ Denn der Job bedeutet natürlich deutlich mehr als insgesamt 120 Aufsichtsratssitzungen unter der Ägide dreier Oberbürgermeister (Demnitz/Dehm/Schulz) in Hagen abzuwickeln.

„Mit ihm verlässt ein exzellenter Unternehmensleiter die Kommandobrücke unserer städtischen Konzernholding“, würdigt Oberbürgermeister Erik O. Schulz, zugleich HVG-Aufsichtsratsvorsitzender, anlässlich des Jahresberichts 2021 Köthers wirken: „In den Jahren seiner Schaffenszeit hat er immer wieder neue und richtige Weichen für eine erfolgreiche Entwicklung der HVG gestellt – und damit auch für eine gute und attraktive Stadtentwicklung.“

Vorfreude auf eine neue Lebensphase

Der Diplom-Kaufmann, der im Mai 64 Jahre alt geworden ist, blickt durchaus mit Freude auf die gemeinsame Zeit mit seiner ebenfalls gerade erst pensionierten Frau: „Ich habe immer sehr gerne, aber auch sehr viel gearbeitet, kann mir aber nun auch sehr gut die nächste Lebensphase vorstellen, um dann verstärkt das zu machen, wofür im Berufsleben die Zeit fehlte.“

Zugleich betont er, dass sein etwas frühzeitiger Eintritt in den Ruhestand nicht überraschend gekommen sei: „Vielmehr hatte ich den Aufsichtsrat der Hagener Versorgungs- und Verkehrs-GmbH (HVG) bereits im Rahmen meiner letzten Vertragsverlängerung im Jahr 2017 darauf hingewiesen, dass ich nicht mehr für die gesamten fünf Jahre als Geschäftsführer zur Verfügung stehen würde. Jetzt passiert dies gerade einmal zehn Monate früher, als es vertraglich möglich gewesen wäre.“ Der bisherige Enervie-Prokurist Markus Monßen-Wackerbeck wird nahtlos den Job an der HVG-Spitze übernehmen.

Defizit bei den Bädern reduziert

Köther war im Jahr 2008 als Nachfolger von Ivo Grünhagen, der seinerzeit zur damaligen SEWAG (Südwestfalen Energie und Wasser AG/heute Enervie AG) wechselte, nach Hagen gekommen. Zuvor hatte er als Geschäftsführer der Stadtwerke Cottbus und bei RWE in Essen agiert. Letztlich setzte der HVG-Geschäftsführer erfolgreich den eingeschlagenen Sanierungskurs seines Vorgängers fort. Dazu zählte nicht bloß, das Defizit im Bus- und Bäderbetrieb weiter zu reduzieren, sondern auch das 30-Millionen-Projekt Westfalenbad erfolgreich im Freizeitmarkt zu platzieren.

Die Seegeflüster-Abende im Hengstey-Bad lockten Tausende an das Ufer des Ruhrsees. Angesichts der Kosten-Risiken musste Christoph Köther hier die Reißleine ziehen.
Die Seegeflüster-Abende im Hengstey-Bad lockten Tausende an das Ufer des Ruhrsees. Angesichts der Kosten-Risiken musste Christoph Köther hier die Reißleine ziehen. © WP | Michael Kleinrensing

Allerdings gehört es ebenso zu Köthers Bilanz, dass er als ausgewiesener Finanzfachmann sich im Jahr 2014 gezwungen sah, das in der Region etablierte Konzert-Festival „Seegeflüster“ im Freibad Hengstey einzustellen, weil die finanziellen Risiken zu hoch erschienen. Zumal seinerzeit die Dividende der Enervie, die zur Defizit-Reduzierung bei der HVG diente, aufgrund der Schieflage im Rahmen der Energiewende zu versiegen drohte und somit die HVG-Finanzrücklagen dahinschmolzen.

Intermezzo als Krisenmanager

Im Rahmen der existenzgefährdenden Krise der Enervie wurde Köther im Jahr 2015, nach dem Ausscheiden von Ivo Grünhagen, vom Aufsichtsrat zudem noch für einen Interimszeitraum zum kaufmännischen Vorstand und Sprecher des regionalen Versorgers gewählt. In dieser Rolle gelang es ihm letztlich in enger Abstimmung mit den Anteilseignern und den Banken, eine drohende Insolvenz der Enervie-Gruppe abzuwenden und das Unternehmen in wirtschaftlich erfolgreiches Fahrwasser zurück zu lotsen.

Wie haben Sie Ihre Hagener Zeit erlebt?

Als ich im Juli 2008 die Aufgabe als Geschäftsführer der HVG übernahm, bin ich mit meiner Familie direkt nach Hagen gezogen, wo wir seitdem unsere neue Heimat fanden und auch zukünftig wohnen werden. In den vergangenen Jahren habe ich sowohl unsere Stadt, wie auch viele Menschen schätzen gelernt, die mich im privaten und beruflichen Bereich begleitet haben. Wenn ich die gute Entwicklung der HVG reflektiere, so sind die erzielten Erfolge auch eng mit der hohen Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter und Führungskräfte des Unternehmens verknüpft sowie mit der guten Unterstützung durch die Aufsichtsräte, die in den vergangenen Jahren zahlreiche wichtige und weitreichende Entscheidungen mitgetragen haben. Dafür bedanke ich mich sehr.

Was hat ihnen das meiste Kopfzerbrechen bereitet?

Zum Beginn meiner Tätigkeit in Hagen stand die HVG vor großen Herausforderungen. Der öffentliche Nahverkehr und die Hagener Bäder verschlangen eine Menge Geld. Dies hatte zu einem sprunghaften Anstieg der Kreditverbindlichkeiten des Unternehmens geführt und letztlich den Hagener Haushalt über Gebühr belastet. Neben der eigentlichen Erfüllung des öffentlichen Dienstleistungsauftrags rückte als wesentliches Unternehmensziel die Reduzierung des Defizits in den Vordergrund. Das beschlossene Hagener Bäderkonzept steckte noch in den Kinderschuhen, und die fast selbstverständlich gewordene Vergabe von Verkehrsdienstleistungen an die Hagener Straßenbahn war aufgrund der hohen Kostenstruktur des Unternehmens ins Wanken geraten.

Der scheidende HVG-Chef Christoph Köther freut sich auf seinen Ruhestand.
Der scheidende HVG-Chef Christoph Köther freut sich auf seinen Ruhestand. © WP | Michael Kleinrensing

Was waren in dieser Phase die wesentlichen Weichenstellungen?

Gemeinsam ist es uns gelungen, dass wir durch die Weiterführung der Restrukturierung bei der Hagener Straßenbahn, die erfolgreiche Umsetzung des Bäderkonzeptes sowie ein konsequentes und stringentes Kostenmanagement die wirtschaftliche Situation deutlich verbessern und den Zuschuss der Stadt Hagen innerhalb eines Zehnjahreszeitraums mehr als halbieren konnten. Kumuliert wurde damit gegenüber dem Ausgangsjahr 2007 der Hagener Haushalt um rund 100 Millionen Euro entlastet. Gleichzeitig gelang es, das Unternehmen nahezu vollständig zu entschulden.

Also ein durchweg zufriedener Blick zurück?

Es freut mich sehr, dass wir heute auch Früchte des oftmals recht mühsamen Weges der Konsolidierung ernten können. Nicht zuletzt ist es auch sicherlich den Einsparungserfolgen der letzten Jahre zu verdanken, dass die Hagener Straßenbahn den Bürgerinnen und Bürgern – insbesondere durch die seit 2020 wirksame Fahrplanerweiterung – wieder einen sehr attraktiven Nahverkehr in Hagen bieten kann. Sehr erfreulich ist auch, dass sich die angestrebte sogenannte Direktvergabe nicht zuletzt dank der guten wirtschaftlichen Position des Unternehmens auf der Zielgeraden befindet. So sollen die Hagener Nahverkehrsleistungen erneut für weitere zehn Jahre auf das Unternehmen übertragen werden, wodurch letztlich auch die Arbeitsplätze bis mindestens 2032 gesichert werden. Wichtige Meilensteine sind auch mit Erteilung der Baugenehmigung für die Ladeinfrastruktur sowie dem Erhalt eines Förderbescheids von über 10 Millionen Euro auch beim Umstieg auf Elektromobilität erreicht worden.

Das Westfalenbad am Ischeland hat die Hagener Bäderlandschaft revolutioniert. Die Besucherzahlen sprechen für das umgesetzte Konzept.
Das Westfalenbad am Ischeland hat die Hagener Bäderlandschaft revolutioniert. Die Besucherzahlen sprechen für das umgesetzte Konzept. © WP | Michael Kleinrensing

Neben dem Thema Verkehr ist die Hagener Bäderlandschaft ein Schlüsselthema Ihres Hauses? Hat sich die seinerzeit durchaus kritisch diskutierte Idee des Westfalenbades sich gelohnt?

Blicken wir auf die Hagener Bäderlandschaft, so bietet sie heute ein wesentlich wirtschaftlicheres und attraktiveres Freizeitangebot, als dies in der „alten Bäderwelt“ der Fall war. Die Umsätze stiegen bis zum Beginn der Corona-Pandemie insbesondere durch das Westfalenbad, das wir 2010 unter Einhaltung des Baubudgets von 30 Millionen Euro eröffnen konnten, um das Fünffache an. Ebenso erfreulich ist der Anstieg der Besucherzahlen. Diese verdoppelten sich nahezu im Vergleich zu der Zeit vor der Umsetzung des Bäderkonzepts. Der Löwenanteil entfällt auch hier auf das Westfalenbad, das nicht nur Gäste aus Hagen, sondern aus der gesamten Region anzieht. Ergänzt wird das heutige Angebotsportfolio von Hagenbad jetzt durch die Neugestaltung des Freizeitareals am Freibad Hengstey, das bereits nach Fertigstellung des ersten Bauabschnittes sichtbare und erlebbare Fortschritte macht.

Worin sehen Sie die größten Zukunftsherausforderungen, die auf die HVG – inzwischen eine kommunale Management- und Beteiligungsholding – in den kommenden Jahren zukommen?

In den beiden letzten Jahren sind infolge der Corona-Pandemie bei der Hagener Straßenbahn die Fahrgastzahlen spürbar zurückgegangen. Ein ähnliches Bild zeigt sich für Hagenbad. Zwar sehen wir im laufenden Jahr in allen Bereichen wieder eine erfreuliche Erholung, gleichwohl liegen jedoch Kunden- und Umsatzzahlen immer noch etwas unter dem Vorkrisenniveau. Hier gilt es, möglichst schnell die Corona-Delle zu überwinden. Weitere Herausforderungen bestehen in der erfolgreichen Fortführung der laufenden Großprojekte. Bei Hagenbad ist dies der zweite Bauabschnitt am Standort Hengsteybad, der im Wesentlichen die Errichtung des Beachclubs sowie des spektakulären Stegs umfasst, der die Ruhrpromenade mit dem Strandhaus verbinden wird.

Markus Monßen Wackerbeck, bislang Prokurist bei der Enervie AG, übernimmt ab dem 1. September die Verantwortung bei der HVG.
Markus Monßen Wackerbeck, bislang Prokurist bei der Enervie AG, übernimmt ab dem 1. September die Verantwortung bei der HVG. © Enervie AG

Inwieweit müssen beim Öffentlichen Personennahverkehr die Weichen in Richtung Zukunft noch gestellt werden?

Bei der Hagener Straßenbahn hat das Projekt zur Umstellung auf E-Mobilität ebenfalls schon sehr gut Fortschritte gemacht; die Lande­infrastruktur wird bis Ende des Jahres fertig gestellt sein, und die ersten Elektrobusse sind bestellt und sollen bis Ende des Jahres geliefert werden. Die künftige Herausforderung besteht darin, unter Berücksichtigung der bestehenden finanziellen Restriktionen und der Vorgaben der Clean-Vehicles-Richtlinie sukzessive die gesamte Busflotte auf „saubere“ Fahrzeuge umzustellen. Insgesamt dürften aufgrund der stark anziehenden Inflation die Kostenrisiken weiter ansteigen. Weitere Herausforderungen ergeben sich aus der politisch postulierten Mobilitäts- und Verkehrswende. Um die Ziele zu erreichen, muss der ÖPNV nochmals deutlich an Attraktivität gewinnen. Hierzu sind geeignete und wirtschaftlich tragfähige Maßnahmen und Projekte zu konzipieren und umzusetzen.

Was geben Sie Ihrem Nachfolger mit auf den Weg?

Das Unternehmen ist insgesamt gut positioniert, die laufenden Projekte auf einem guten Weg, aber es wird viele neue Aufgaben geben, so dass es auch in Zukunft bei der HVG bestimmt nicht langweilig werden wird.