Hagen. Drohende Engpässe bei der Gasversorgung würden auch in Hagen zunächst die Unternehmen treffen. Für Privathaushalte drohen keine Ausfälle.

Anhaltender Krieg in der Ukraine, eine Vervielfachung der Gaspreise und eine gewaltige Unsicherheit, inwieweit auch künftig Gas in nennenswerten Mengen aus Russland durch die Nord-Stream-1-Pipeline nach Deutschland strömt: Sowohl bei den heimischen Unternehmen als auch bei den Hagener Bürgern wachsen die Zweifel, inwieweit die Gas-Versorgung über den gesamten Winter gesichert ist. Immerhin ist in der Stadt ein Drittel der Menschen (34 Prozent) bei der Beheizung ihres Zuhauses vom Energieträger Gas abhängig. Und die mittelständisch geprägte Unternehmerschaft, so die Signale der Bundesnetzagentur, zählen zu den ersten, denen bei notwendigen Kontingentierungen der Gashahn abgedreht wird.

Kein Anlass für Aufwärmräume

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Bislang signalisiert der heimische Energieversorger Enervie, dass selbst bei einem russischen Lieferboykott die Versorgung der Privathaushalte mit Erdgas sich relativ unproblematisch gestalte. Diese seien mit höchster Priorität gesetzlich geschützt. Vor diesem Hintergrund sieht die Stadt Hagen zurzeit auch keine Notwendigkeit, während der Wintermonate sogenannte Aufwärmräume anzubieten, in denen Menschen, die in besonders kühlen Wohnungen ausharren müssen, Wärme tanken können.

Hagen Gas - wer braucht das Gas?
Hagen Gas - wer braucht das Gas? © Unbekannt | Manuela Nossutta/Funkegrafik NRW

Deutlich problematischer dürfte eine drohende Gasknappheit sich auf die heimische Wirtschaft auswirken. Ralf Stoffels, Präsident der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer (SIHK), sorgt sich dabei vor allem um den Mittelstand. Denn die Kleinbetriebe (unter 1,5 MW) sind häufig separat gar nicht von der Gasversorgung abschaltbar, und für die Großbetriebe (über 10 MW) gibt es absehbar Individuallösungen, um Lieferketten nicht zu gefährden. Bleiben in der Mitte die mittelständischen Zulieferbetriebe in der heimischen Region, bei denen eine pauschale Drosselung der Produktionsgasversorgung irgendwo zwischen 40 und 60 Prozent erhebliche Probleme schaffe: „Ich befürchte hier Dominoeffekte, die eigentlich ganz individuelle Lösungen benötigten. Diese werden allerdings bis zum Herbst kaum erzielt werden können“, erwartet der SIHK-Präsident Produktionsausfälle.

780 Gigawattstunden

Die Gasmenge der Enervie-Kunden mit Produktionsgas liegt bei etwa 10 bis 15 Prozent des Gesamtvolumens.Insbesondere im Bereich der Prozesswärme ist die Abhängigkeit der Hagener Industrie vom Erdgas ausgeprägt.Nach Auskunft der Enervie wurden über das Betreibernetz in Hagen im Jahr 2021 immerhin 780 Gigawattstunden Erdgas durch Industriekunden bezogen.Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass Enervie lediglich einen Teil des Gesamtnetzes abdeckt.

Bislang sei juristisch noch völlig ungeklärt, welche Konsequenzen sich für Betriebe ergeben, die aufgrund einer Produktionsgasdrosselung ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen können. „Ich befürchte ungeahnte Folgeeffekte, wenn Lieferketten ausfallen“, spricht Stoffels von einer erheblichen Verunsicherung bei den Kammerbetrieben. Gleichzeitig fordert er von der Bundesnetzagentur bei einer drohenden Ausrufung einer Gas-Notfallstufe eine zweiwöchige Vorwarnzeit, um Produktionsprozesse geregelt zurückfahren zu können.

Abschaltpläne sind vorbereitet

Beim heimischen Energieversorger Enervie liegen derweil die Abschaltpläne für die Gasversorgung bereits in den Schubladen. Während Privathaushalte sowie öffentliche Einrichtungen wie Polizei, Feuerwehr, Krankenhäuser, Altenheime und kommunale Einrichtungen der Daseinsvorsorge ausgeklammert bleiben, gibt es bereits eine gestaffelte Priorisierung, nach der an Produktionsstätten der Gashahn gedrosselt oder komplett abgedreht wird. Zurzeit läuft noch eine Abfrage durch die Bundesnetzagentur, nach der das kaskadierende Abschaltdrehbuch noch einmal aktualisiert und neu bewertet werden soll. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen.

In der Gasreduzierstation der Enervie werden in einer Mangellage die Ströme des Energieträgers gesteuert.
In der Gasreduzierstation der Enervie werden in einer Mangellage die Ströme des Energieträgers gesteuert. © Unbekannt | Enervie

Enervie beliefert im gesamten Versorgungsgebiet etwa 130 Industrie- und Gewerbekunden. Bei einer Gasmangellage werden diese per E-Mail kontaktiert und müssen – nach einem einsprechenden Austausch mit dem Versorger – ihre Verbräuche innerhalb von 24 Stunden dann um 30 Prozent reduzieren. Fortan werden diese nur noch eingeschränkt versorgt. Wer auf die Enervie-Kontaktaufnahme gar nicht reagiert muss damit rechnen, dass sie im Falle einer Gasmangellage vor Ort direkt abgeschaltet werden.

Die Situation ist für alle sehr schwierig und nicht erfreulich“, betont Wolfgang Hinz, Geschäftsführer bei Enervie-Vernetzt. „Umso wichtiger ist es, dass alle von uns angeschriebenen Kunden auf unsere Schreiben antworten, sodass wir eine Abschaltung vermeiden können und auch bei diesen Kunden mit einer Einschränkung der Verbräuche die Auswirkungen möglichst gering halten können.“