Eckesey. Als die Volmeflut sich in Eckesey in das Autohaus ergoss, stand der Betrieb am Scheideweg. Doch der Familienbetrieb hat sich neu erfunden.

Auf den ersten Blick scheint alles normal zu laufen: der Betrieb in der Werkstatt, der Verkauf und der Bau des neuen Autohauses. Doch nur auf den ersten Blick. Denn beim zweiten Blick sind die Folgen des Hochwassers in Hagen im vergangenen Sommer im Autohaus Beckmann an der Droste-Hülshoff-Straße noch deutlich zu erkennen: Spuren an den weißen Wänden lassen nur erahnen wie hoch das Wasser in dem Gebäude stand. Die Fenster klemmen. Das Außengelände neben dem Gebäude ist so tief abgesackt, dass die Gullydeckel hochstehen, die Straße kann mit Baustellenfahrzeugen nur von einer Seite befahren werden, weil der unterliegende Kanal gerissen ist und auch die Telefonleitungen fallen seit dem 14. Juli 2021 immer wieder mal aus.

„Es ist alles improvisiert, aber wir wollten nach dem Hochwasser so schnell wie möglich wieder öffnen und für unsere Kunden da sein“, berichtet Julia Leicht (geborene Beckmann), die gemeinsam mit ihren Brüdern Matthias und Christian sowie Mutter Martina das Autohaus führt. 200 Autos, darunter 170 Neuwagen, hat die Jahrhundertflut vor einem Jahr in dem Eckeseyer Unternehmen zerstört.

Alle Fahrzeuge mussten verschrottet werden. Das Autohaus der Familie Beckmann liegt direkt am Volme-Ufer. „Wir haben versucht, einige Autos in Sicherheit zu bringen. Wichtige Unterlagen haben wir noch oben auf die Schränke gelegt“, erinnert sich Martina Beckmann noch ganz genau. „Irgendwann haben die Mitarbeitenden und meine Mutter uns nur noch an den Händen gehalten, sonst wären wir von der Flut umgerissen worden“, berichtet Sohn Matthias Beckmann. Gemeinsam flüchten sie in Beckmanns Wohnung an der Schillerstraße, zwei Straßen entfernt.

Wie in einem Tunnel

Seit diesem Tag, so Martina Beckmann, funktioniere sie nur noch. Es sei wie in einem Tunnel. Das vergangene Jahr habe die Familie und die Mitarbeiter, die unter teils erschwerten Bedingungen gearbeitet haben, viel Kraft gekostet. So viele Fragen, so viele Themen. Doch gerade in dieser schwierigen Zeit sei allen noch mal klar geworden, wie sehr der Zusammenhalt im Team motivieren und helfen kann, die immer wieder neuen Herausforderungen zu meistern. Bereits vor dem Hochwasser war das neue Cupra-Center der Firma Beckmann geplant. Ein modernes Gebäude mit großer Ausstellung, eine Werkstatt mit acht Arbeitsplätzen, Flächen für Neuwagenübergaben sowie neue Büro- und Sozialräume.

Nachdem das Wasser wieder abgeflossen war, wurde das Ausmaß der Schäden erst komplett sichtbar.
Nachdem das Wasser wieder abgeflossen war, wurde das Ausmaß der Schäden erst komplett sichtbar. © Matthias Beckmann

Außerdem entsteht im Bereich der Außenanlagen eine Stellplatzüberdachung mit zusätzlichen Ladesäulen für E-Autos. Durch die Flutkatastrophe habe sich der Start um einige Monate verzögert, hinzu kämen jetzt steigende Materialkosten. „Außerdem steht dann noch die Sanierung unseres aktuellen Hauptgebäudes an, die ursprünglich nicht geplant war“, so Matthias Beckmann. Lieferprobleme bei Neuwagen und die Frage, wie es mit Verbrenner-Fahrzeugen weitergeht beschäftigen die Familie zusätzlich.

„Ohne meine Kinder hätte ich vermutlich nach dem Hochwasser abgeschlossen“, so Martina Beckmann. Aber neben dem Miteinander ist es vor allem der Zusammenhalt, der ein Familienunternehmen auszeichnet. Und deshalb lässt sich die Firma, die seit 40 Jahren an diesem Standort in Eckesey besteht, nicht unterkriegen und blickt nach vorne.

In Alarmbereitschaft

Der Blick hat sich allerdings seit der Katastrophe verändert: „Das Thema Umwelteinflüsse haben wir seit dem Hochwasser viel mehr auf dem Plan“, so Martina Beckmann. Nachhaltigkeit sei schon immer wichtig für uns gewesen, „aber es gehe jetzt vor allem um Schutzmaßnahmen gegen Unwetter.“

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Man ist viel mehr in Alarmbereitschaft, sobald die Rede von Starkregen oder Sturm ist. Wir bringen die Autos jetzt lieber einmal zu viel in Sicherheit als zu wenig. Elektrische Torantriebe oder Server bauen wir ebenfalls ein paar Zentimeter höher“, so Christian Beckmann, der in seiner Freizeit bei der Freiwilligen Feuerwehr engagiert ist.

Und auch die Pegelstände der Volme habe die Familie immer im Blick. Doch trotz Sorgen vor erneuten Überschwemmungen und immer neuen Herausforderungen, die Familie freut sich bereits auf die Eröffnung ihres neuen und alten Autohauses, das dann auf dem neusten Stand ist. Und dann werden die Spuren der Flut wohl auch auf den zweiten Blick nicht mehr zu erkennen sein…

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