Hohenlimburg. Die Flut hat Firma und Wohnung von Familie Berger aus Hagen schwer getroffen. Sie haben sich deshalb für einen Neustart in Italien entschieden

Noch vor einem Jahr leitete Melanie Berger einen gerade gegründeten kleinen Betrieb am Kronenburgplatz, stellte in den Räumen Tierzubehör aus Holz her, wie Hühnerställe und Hundehütten. Heute, fast ein Jahr später, steht sie täglich auf dem Feld, um Kartoffeln anzubauen. Das Mittelmeer ist kaum zehn Minuten entfernt, über ihr brennt die heiße Sonne der italienischen Insel Sardinien. Dass Melanie Berger, ihr Mann, ihre Kinder und die beiden Hunde auswandern würden von Hohenlimburg nach Italien, das war für die Familie noch vor einem Jahr undenkbar. Doch dann kam die Flut.

„Bild der Zerstörung“

Am 14. und 15. Juli vergangenen Jahres fiel Starkregen über das Stadtgebiet. Viele Bäche schwollen zu Fluten an, die zahlreiche Straßen und Keller unterspülten. Darunter auch die angemieteten Räume des Betriebs und das Wohnhaus in der Haardtstraße. Von dort wurden Familie Berger und ihre zwei Hunde in einer Baggerschaufel evakuiert, als die Gefahr durch die Fluten zu groß wurde. Als sie zurückkehrten, bot sich ihnen ein Bild der Zerstörung. „Der Hof war teilweise abgesackt, der Keller und die untere Etage waren vollgelaufen und das Auto kaputt“, schildert Melanie Berger ihre Eindrücke.

In einem Handyvideo hat das Ehepaar Berger nach der Flut im Juli 2021 die Schäden in ihrem Betrieb gefilmt.
In einem Handyvideo hat das Ehepaar Berger nach der Flut im Juli 2021 die Schäden in ihrem Betrieb gefilmt. © Privat

Die Firma am Kronenburgplatz, die im Keller lag, war ebenfalls vollgelaufen. Die Maschinen und das Material waren zerstört. „Katastrophe“, sagt sie. Es sollten mehrere Monate folgen, in denen sie nicht die Hilfe bekamen, die sie sich erhofften. Einen Antrag auf Soforthilfe schickten sie per Online-Formular ab. „Dann hieß es, man solle den Antrag besser selbstständig abgeben beim Amt.“

+++ Lesen Sie auch: Jahrhundert-Flut: Verwaltung in Hagen durch Schäden gebunden +++

Probleme mit Antragsstellung

Also schrieben sie einen weiteren Antrag, den sie im Amt vorlegten. Dort hieß es, sie könnten direkt einen Scheck haben, wegen des laufenden Online-Antrags sei dies aber nicht möglich, schildert Melanie Berger. Nach mehr als zwei Monaten sei dann die Absage gekommen: „Als Grund stand da, es herrsche keine akute Notlage mehr.“ Auf Anfrage zu dem Fall teilt die Stadt Hagen mit, es liege kein Antrag auf Soforthilfe der Familie Berger vor. Möglich sei, dass der Antrag nach Ablauf der Frist für Soforthilfen (31. August 2021) gestellt wurde. Ab dem 1. September 2021 griffen die Wiederaufbauhilfen. „Möglicherweise hat das Ehepaar aber auch eine Ablehnung direkt vom Land bekommen. Das können wir aber ohne weitere Unterlagen nicht beurteilen“, so Sprecher Michael Kaub.

Viele Frustmomente

In der Situation damals hatte die Erfahrung für Frust bei der Familie gesorgt. Einen neuen Anlauf bei Wiederaufbauhilfe zu wagen, die Flutbetroffene bis heute beantragen können, das wollten sie nicht. Vielmehr schildert Melanie Berger auch andere Frustmomente, die in dieser Zeit hinzukamen. Wie jener Moment, als eine beauftragte Fachfirma für das Wiederanstellen des Stroms in der überfluteten Wohnung 160 Euro verlangte. Angesichts der hohen Schäden halfen schließlich auch nicht die Spendengelder, die sie von Vereinen erhielten.

+++ Lesen Sie auch: Hohenlimburg: Jahrhundertflut spült Fachwerk-Traum weg +++

Neuanfang in Italien

Unterm Strich stand im Spätherbst für die Familie vielmehr die Erkenntnis, dass es einen Neuanfang braucht. „Die Firma war kaputt und wir sahen keine Perspektive mehr.“ Diese versprach dagegen die Verwandtschaft des Mannes in Italien. Auf Sardinien hat er einen landwirtschaftlichen Betrieb. „Er hat gesagt, wir haben großes Land, helft uns doch in der Landwirtschaft.“

Harte Arbeit auf den Feldern

Im November 2021 wanderte die Familie dann mit ihren zwei Hunden nach Sardinien aus. „Die ersten Monate habe ich gedacht, das ist ja super hier, wie im Urlaub. Aber man muss genauso hart arbeiten wie in Deutschland.“ Eine Rückkehr schließt sie aus, auch wenn weiter Kontakte nach Hohenlimburg bestehen. Aus heutiger Sicht gefragt: War es der richtige Schritt, auszuwandern?

Strand nicht weit entfernt

Melanie Berger überlegt kurz. „Ganz angekommen sind wir noch nicht. Wir arbeiten jeden Tag auf den Feldern, das ist sehr anstrengend“, sagt sie. „Aber wir verdienen unseren Lebensunterhalt und das Schöne ist, dass die Sonne viel häufiger scheint als in Deutschland – und der Strand ist nicht weit.“

Neuer Flut-Podcast

Am 16. Juni startete diese Zeitung einen neuen Podcast zur Flut. Wir beleuchten die Katastrophe vor einem Jahr und fragen: Was ist seitdem passiert? Hier geht es zu den einzelnen Folgen.