Hagen. Hinter den Kulissen des Hagener Entsorgungsbetriebes (HEB) herrscht Unruhe. Ein anonymes Schreiben kritisiert die Gangart des neuen Chefs.

Anstehende Struktur- und Strategieveränderungen gepaart mit einer Digitalisierungsoffensive sorgen beim Hagener Entsorgungsbetrieb (HEB) zumindest in Teilen der Belegschaft für erhebliche Unruhe. In einem anonymen Schreiben an die Stadtredaktion formulieren „Mitarbeiter der HEB GmbH“ aus einem „Akt der Verzweiflung“ die These, dass eine weitere Zusammenarbeit mit dem noch relativ neuen HEB-Chef „aktuell für die gesamte Belegschaft nicht denkbar“ sei. „Das verletzt mich“, gibt Uwe Unterseher-Herold, der zurzeit ohne einen Dortmunder Co-Geschäftsführer agiert, zu. Zumal er gerade versuche, eine offene Kommunikationskultur im Hause zu etablieren.

Dabei klingen die Beschwerden und Bezichtigungen der aus dem Verborgenen agierenden Kritiker durchaus massiv: So stelle der seit Dezember 2019 installierte Nachfolger von Ex-HEB-Chef Herbert Bleicher „die gesamte Belegschaft vor sich immer weiter häufende, nicht zumutbare Herausforderungen“, verweisen die Brandbrief-Autoren auf eine Krankheitsquote von 30 Prozent. Motivierte Kollegen würden entlassen. Zudem seien Einschüchterungen, Drohungen, Intrigen und Mobbing Teil der Führungskultur, zu der obendrein auch zweihafte Beförderungen zählten.

+++ Der HEB engagiert sich für Hagen auch auf anderen Feldern +++

Betriebsrat spaltet sich

„Es gibt da offenkundig einige Spannungen“, weiß auch Aufsichtsratsvorsitzender Günter Stricker. Allerdings habe bislang niemand aus der HEB-Belegschaft mit ihm das Gespräch gesucht. Überhaupt scheint es im Hause des kommunal getragenen Entsorgers, dessen Betriebsratsvertreter auf Anfrage sich gegenüber der Stadtredaktion nicht äußern wollten, diverse Verwerfungen zu geben. So gründete zuletzt das Team der Müllverbrennungsanlage (MVA) eine eigene Interessensvertretung und spaltete sich somit von der übrigen HEB-Belegschaft ab. Der Grund: Man fühlte sich mit den eigenen Anliegen nicht mehr ausreichend verstanden. Erst auf einer Ebene des Gesamtbetriebsrates werden die Themen der HEB-Arbeitnehmer wieder gemeinschaftlich vertreten.

Uwe Unterseher-Herold hat als neuer HEB-Geschäftsführer nicht bloß den Fokus neu ausgerichtet, sondern auch einen veränderten Führungsstil etabliert.
Uwe Unterseher-Herold hat als neuer HEB-Geschäftsführer nicht bloß den Fokus neu ausgerichtet, sondern auch einen veränderten Führungsstil etabliert. © Unbekannt | HEB

„Ich sage den Leuten vor den Kopf, was ich meine“, macht der hemdsärmelige Unterseher-Herold, der seit Dezember 2019 im Unternehmen ist, kein Hehl daraus, dass mit dem Wechsel im HEB-Chefsessel sich auch die Tonalität im Hause verändert haben mag. Dabei stoße oft der Wille zum Aufbruch in Kombination mit technischen Veränderungen in den Prozessen auf ein sehr ausgeprägtes Beharrungsvermögen in Teilen der Belegschaft. „Das ist für manche Menschen sehr schwierig“, will der Geschäftsführer auch gar nicht ausschließen, dass sich künftig Personalverschiebungen ergeben könnten. Doch es werde keinen drastischen Abbau bei der 290-köpfigen Belegschaft geben, prognostiziert Unterseher-Herold mit Blick auf mögliche Job-Ängste sogar, dass sich der Bürger-Servicegrad für den HEB eher noch erhöhen werde.

Verantwortung der Führungskräfte

Gleichzeitig stellt er klar: „Der Krankenstand liegt nicht bei 30, sondern tatsächlich knapp unter 12 Prozent, und auch das muss noch besser werden.“ Zudem unterstreicht er, dass Beförderungen zuletzt durch die Kommunalagentur NRW völlig transparent begleitet worden seien. „Man kann mit mir über alles reden, aber ich habe keinen Schreibtisch für Deals.“

„Wir sind hier nicht bei ,Wünsch Dir was!‘ – wir müssen Ergebnisse liefern, da hat letztlich auch der Bürger als Gebührenzahler was davon“, beschreibt er seine Rolle und sein Selbstverständnis. Diesen Geist gelte es, in den Köpfen der Belegschaft zu etablieren, nimmt der HEB-Chef vor allem seine Führungskräfte in die Verantwortung, die ewigen Bewahrer mitzureißen und aus ihren angestammten Komfortzonen herauszuholen.

Hoher Modernisierungsdruck

So führe beispielsweise an einer Digitalisierungsoffensive im Beschaffungswesen oder einer Umstellung des Fuhrparks auf Elektro- und Wasserstoff-Antriebe bei dem Entsorger kein Weg vorbei, um konkurrenzfähig zu bleiben. Konkretes Beispiel: Dass selbst fünf Jahre nach dem Auslaufen des Hersteller-Supports beim HEB noch immer mit dem Computerprogramm Windows-XP gearbeitet wird, sollte nachdenklich stimmen. „15 Jahre hat es gedauert, eine neue Abfallwirtschaftssoftware zu etablieren“, macht Unterseher-Herold an einem Beispiel deutlich, welche Entwicklungsreserven an der Fuhrparkstraße schlummern.

Für diesen Zukunfts- und Innovationskurs, der dem kommunale Entsorgungsunternehmen die Konkurrenzfähigkeit erhalten soll, hat ihm zuletzt der Aufsichtsrat in einer ganztägigen Strategie-Sitzung seine Unterstützung zugesichert. Bei dieser Gelegenheit zeigten sich, so hieß es aus Aufsichtsratskreisen, auch die Arbeitnehmervertreter überrascht und erschrocken über die drastischen Vorwürfe aus dem anonymen Schreiben an die Stadtredaktion. „Der Geschäftsführer wird das Thema jetzt mit den Arbeitnehmervertretern aufarbeiten und uns regelmäßig über den Stand der Gespräche informieren“, betont Aufsichtsratschef Stricker. Darüber hinaus sehe er zurzeit keinen weiteren Handlungsbedarf, zumal seitens der Bedenkenträger und Kritiker weder mit der HEB-Ombudsstelle noch mit seinem Gremium bislang das Gespräch gesucht worden sei.