Elsey. Seit Jahrzehnten war niemand mehr hier. Hagens verlassenster Friedhof wirft so viele Fragen auf. Bei einem Rundgang beantworten wir sie.

„Es ist kaum etwas geblieben, das an die jüdische Gemeinde in Hohenlimburg erinnert. Insofern haben die Nazis wohl Erfolg gehabt“, sagt der Geschichtslehrer Pablo Arias, der am Hagener Rahel-Varnhagen-Kolleg unterrichtet. „Selbst Hohenlimburger kennen den Friedhof teilweise nicht.“ Die Rede ist von der jüdischen Begräbnisstätte in Elsey, die vor 136 Jahren errichtet wurde.

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Arias selbst hat viel zu diesem historisch wertvollen Ort geforscht. ,,Es ist nicht mehr wirklich ein Friedhof, sondern ein ehemaliger.‘‘ Denn Beerdigungen finden auf dem Gelände, das heute als geschütztes Baudenkmal gilt, nicht mehr statt. „Das jüngste Grab ist aus dem Jahr 1938. Ausnahme sind die Zwangsarbeitergräber.‘‘ Denn in den Jahren des Krieges wurde der Friedhof auch zur letzten Ruhestätte für ausländische Arbeiter und Kriegstote. ,,In Massengräbern hat man dort die sowjetischen Bürger begraben‘‘, erklärt der Lehrer. Insgesamt 55 Zwangsarbeiter fanden ihre letzte Ruhestätte auf dem Elseyer Gelände.

Der Davidstern als Symbol des Judentums und des Volkes Israel auf einem der Grabsteine.
Der Davidstern als Symbol des Judentums und des Volkes Israel auf einem der Grabsteine. © Unbekannt | Michael Kleinrensing

Im Besitz der Stadt Hohenlimburg

Nach dem Krieg war unklar, wie es mit dem jüdischen Friedhof, der seit 1941 im Besitz der Stadt Hohenlimburg war, weitergehen sollte. Dies hatte einen tragischen Hintergrund: ,,Es gab keine Möglichkeit, den Friedhof zu nutzen, denn es gab keine Juden mehr.‘‘

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Dieser Zustand war den Deportationen geschuldet. Am 28. April. 1942 wurden die Hohenlimburger Juden auf dem Platz vor der alten Synagoge abtransportiert. ,,Es blieben nur wenige Juden bis 1942 in Hohenlimburg, aber die wurden dann nicht mehr hier begraben‘‘, berichtet Arias. Da es keine jüdische Gemeinschaft mehr in Hohenlimburg gab, konnte das Gelände deshalb nicht mehr als Friedhof genutzt werden. ,,Auch heute ist es, bürokratisch gesehen schwierig, einen Friedhof umzuwidmen.‘‘ Weshalb es auch nicht möglich war, Menschen mit einer anderen Konfession auf der jüdischen Ruhestätte zu beerdigen.

Wer war Friederike Herz? Auch ihr Grabstein steht auf dem alten Friedhof in Elsey.
Wer war Friederike Herz? Auch ihr Grabstein steht auf dem alten Friedhof in Elsey. © Unbekannt | Michael Kleinrensing

,,Die Stadt wollte damals von dem jüdischen Friedhof nichts wissen und er verkam dann‘‘, so Arias Vier Gedenksteine wurden allerdings zum Gedenken an die jüdischen und sowjetischen Opfer nach Kriegsende errichtet. Im Jahr 1975 kam die Begräbnisstätte dann, nach der Eingemeindung, in den Besitz der Stadt Hagen.

Seit 1995 ist der einstige Friedhof ganz offiziell ein Mahnmal
Seit 1995 ist der einstige Friedhof ganz offiziell ein Mahnmal © Unbekannt | Michael Kleinrensing

In den 1980er Jahren wurde der Ort sogar Opfer von Taten mit antisemitischem Hintergrund. ,,Es kam zu Vandalismus und Schmierereien an den Gräbern‘‘, erzählt Arias von den Untaten, die auf dem Friedhof stattfanden. ,,Oftmals werden jüdische Friedhöfe gar nicht ausgeschildert, weil man Angst hat vor sowas.‘‘ Im Jahr 1995 wurde der Friedhof dann offiziell zu einem Baudenkmal ernannt und ist seit dem ein wichtiges Mahnmal der Hohenlimburger Geschichte.

Für die Redaktion öffnete sich eines der seltenen Male die Tür zu diesem mystischen Ort.
Für die Redaktion öffnete sich eines der seltenen Male die Tür zu diesem mystischen Ort. © WP | Michael Kleinrensing

Im kommenden Heimatfilm des Filmclubs Hohenlimburg soll der Ort nun auch visuell verewigt werden und tritt deshalb wieder mehr in Erinnerung. ,,Hohenlimburg ist sehr konservativ, deswegen ist es wichtig, solche Themen aufzuarbeten.Arias, der selbst auch zusammen mit Schülern des Rahel-Varnhagen-Kollegs am Film mitwirkt, ist es aber vor allem wichtig, dass auch die Geschichte der Personen hinter den Grabsteinen gezeigt wird.

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,,Die Juden sollen als Menschen gezeigt werden, nicht als Opfer. Sie hatten auch eine Geschichte vor den Nazis. Sie hatten eine Bürgerexistenz.“