Berchum. Vor dem Haus eines Berchumer Ehepaares werden Glasfaserkabel verlegt – doch ihr Anschluss bleibt aus. Das Grundstück gilt nicht als unterversorgt

Als direkt vor ihrer Haustür jüngst Tiefbauarbeiten für neue Glasfaserkabel begannen, machten sie sich Adriana Cerni und ihr Mann Ralf Lennhoff schon Hoffnungen. Doch schnell wurde klar: Ihr Haus wird von dem neuen Kabel nicht profitieren. Der Ausbau galt dem umliegenden Gebiet.

„Die baggerten sich vor dem Haus heran und wir dachten, gleich sind wir dran – doch sie fuhren vorbei‘‘, erinnert sich Rennhoff zurück. „Ich wollte schon mit einer Kabeltrommel hingehen und sagen, den Rest mache ich selbst.“

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Die Familie nimmt es mit Humor, muss sich jedoch nun weiter mit schlechtem Internetempfang abfinden. Die lahme Leitung habe sich besonders während der Pandemie bemerkbar gemacht. „Unsere Kinder haben sich oft geärgert, dass das Internet schlecht ist“, sagt Adriana Cerni. „Uns wurde das dann erst richtig bewusst, als es mit dem Home-Schooling und dem Home-Office anfing.‘‘

Ihr Ehemann Ralf Lennhoff ist Ingenieur und hat seine Arbeit in den vergangenen zwei Jahren wegen der Pandemie oft nach Hause verlegt. Er berichtet von erschwerten Bedingungen. „Gespräche über Online-Plattformen sind schwer, weil es zu Verzögerungen kommt.“

So nah und doch so fern: Das Ehepaar Ralf Lennhoff und Adriana Cerni steht auf seinem Grundstück in Berchum, im Hintergrund die angrenzende Straße, wo jüngst neue Glasfaserkabel verlegt wurden.
So nah und doch so fern: Das Ehepaar Ralf Lennhoff und Adriana Cerni steht auf seinem Grundstück in Berchum, im Hintergrund die angrenzende Straße, wo jüngst neue Glasfaserkabel verlegt wurden. © WP Hagen | Marcel Krombusch

Er entschied sich daher, das Haus mit Internet per Satellit aufzurüsten. Nun surft die Familie dank eines Flugkörpers, der in geostationärer Erdumlaufbahn in mehreren zehntausend Kilometern Höhe kreist. Doch auch per Satellit sei der Empfang an seinem Haus in Berchum häufig unzureichend. „Wenn ich mit meinen Kollegen spreche und das Signal erstmal in den Weltraum muss und zurück, dann kommt das natürlich zeitversetzt an“, sagt Lennhoff.

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Er hofft daher weiter, irgendwann vielleicht doch von dem neuen Glasfaserkabel vor seiner Haustür profitieren zu können. Genährt wurde die Hoffnung zumindest von den Arbeitern, die das Kabel verlegt haben. Lennhoff berichtet, sie hätten ihm gesagt, dass an dem Kabel theoretisch noch Platz für drei weitere Anschlüsse wäre.

Ausbau durch Fördermittel

Praktisch scheint die Chance, dass das Haus nachträglich noch an dem Kabel angeschlossen wird, aber wohl gering. Denn die Tiefbauarbeiten an der Straße, die inzwischen abgeschlossen sind, gehörten zu dem laufenden Ausbau von Deutsche Glasfaser auf Hagener Stadtgebiet.

Dieser Ausbau wurde möglich auch dank Fördermitteln und ist mit vorher festgelegten unterversorgten Standorten verknüpft. Mehr als 2650 dieser „weißen Flecken“ im Stadtgebiet werden seit bald zwei Jahren nach und nach mit dem schnellen Glasfaseranschluss mit bis zu 1 Gigabit pro Sekunde ausgestattet. Dazu gehören unterversorgte Haushalte ebenso wie Unternehmen und Institutionen (darunter 55 Schulen).

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Die nötigen Daten hatte im Vorfeld ein Markterkundungsverfahren ermittelt. Laut Meldung des Telekommunikationsunternehmens damals seien in dem betroffenen Gebiet in Berchum Download-Bandbreiten über der sogenannte Aufgreifschwelle von 30 Mbit/s im Download verfügbar, erläutert Clara Treude, Stadtsprecherin.

Gebiet gilt nicht als „unterversorgt“

An der betroffenen Adresse von Adriana Cerni und Ralf Lennhoff in Berchum wurde seinerzeit von einem Telekommunikationsunternehmen sogar ein sogenannter „Vectoring-Ausbau“ mit bis zu 90 Mbit/s im Download (also dem dreifachen der Aufgreifschwelle) gemeldet. Damit sei diese Adresse aufgrund der Förderbestimmungen im Ergebnis leider kein förderfähiger „Weißer Fleck“, so Treude weiter.

Die Stadt Hagen ist an die Vorgaben dieses Markterkundungsverfahrens aus dem Jahr 2017 gebunden. Das gilt selbst dann, wenn an den einzelnen Adressen tatsächlich weniger Internet ankommt, als in dem Verfahren ermittelt.

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Versprochene Geschwindigkeit ist bindend

Bei langsamen Leitungen haben Verbraucher seit Ende 2021 neue rechtliche Möglichkeiten. So haben Betroffene nun das Recht, fristlos zu kündigen, wenn die Daten-Leistung des Internet daheim deutlich langsamer ist, als zuvor vom Internet-Anbieter versprochen.

Das entsprechende Gesetz ist seit dem 1. Dezember 2021 in Kraft, die Regelung wirkt sich aber ebenso auf schon bestehende Verträge aus. Im neuen Telekommunikationsgesetz hat der Gesetzgeber damit nun festgeschrieben, was Gerichte in Einzelfällen schon oft entschieden haben. Weitere Infos zu den gesetzlichen Hintergründen und Ansprüchen gibt es unter anderem bei der Verbraucherzentrale.