Haspe. Durch den Einsatz von Rückepferden versuchen die Hagener Forstleute den Waldboden zu schonen – ein Einsatz im Geiste der Nachhaltigkeit.

Mit sicherem Schritt stapft „Piet“ durch den raschelnden Laubwald an der Hasper Talsperre. In ruhigem Rhythmus steigt an diesem kalten Frühlingsmorgen die Atemluft aus den Nüstern des Rückepferdes. Dabei hätte der mächtige Kaltblüter mit dem zerzausten Fell allen Grund dazu, schnaubend aus der Puste zu sein. Denn an seinem Tragegeschirr hängt mit einer rasselnden Eisenkette fixiert ein mächtiger Buchenstamm, der etwa eine halbe Tonne wiegt.

Kombination aus Maschine und Tier

Das Rücken von gefälltem Holz im Wald wird üblicherweise von speziellen Forstmaschinen, sogenannten Forwardern erledigt. Diese ziehen traditionell die schweren Stämme aus dem Waldbestand an den Forstweg und stapeln sie dort auf. Bei der Räumung einer kompletten Fichtenholzfläche beispielsweise nach einem Borkenkäfer-Befall ist das nicht so folgenschwer wie bei einer Durchforstung einer verbleibenden Anpflanzung wie jetzt beispielsweise in Haspe.

Einigen Waldbesuchern ist das Vorgehen mit schweren Maschinen angesichts der Spuren im Boden zunehmend ein Dorn im Auge. Rückepferde können allerdings nur bedingt eine Alternative sein, da mit Blick auf das Tierwohl die Einsatzmöglichkeiten begrenzt sind.

Denn ein Pferd ist nicht nur langsamer als eine Maschine, sondern kann das Holz auch nicht über lange Entfernungen ziehen. Zudem muss auch weiterhin das Aufschichten der Stämme am Wegesrand von Forstmaschinen erledigt werden.

Der Wirtschaftsbetrieb Hagen setzt daher auf eine Kombination der Einsatzmöglichkeiten. Dennoch gilt: Es müssen auch weiterhin sogenannte „Rückegassen“ für die Forstmaschinen in den Wald getrieben werden, damit die zumutbaren Transportwege für die Tiere nicht zu lang werden.

Bei dieser Gewichtsklasse kann das 21 Jahre alte Rückepferd locker mithalten. Hölzer mit einem Volumen von fast einem Festmeter zerrt das mächtige Tier, das selbst etwa 800 Kilo auf die Waage bringt, vorzugsweise bergab mit Leichtigkeit aus dem Forst. Ein Job, der vor allem den Waldboden schont, sind Revierförster Robin Doennges und Forstwirtschaftsmeister Thomas Jung vom Wirtschaftsbetrieb Hagen (WBH) überzeugt, dass diese jetzt wiederentdeckte Allianz mit den bärenstarken Huftieren sich im Sinne der Nachhaltigkeit auf lange Sicht auszahlt. Und das, obwohl dieses Engagement sich doppelt so teuer wie ein klassischer Maschineneinsatz in den Büchern widerspiegelt.

Mehr Platz für astreine Eichen

Schonung für den Hagener Wald- Kaltblüter ersetzen Maschinen

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    An den Hängen zwischen Waldgaststätte Plessen und der Staumauer der Hasper Talsperre (erbaut zwischen 1901 und 1904) gilt es zurzeit vor allem, den mehr als 100 Jahre alten Eichenbeständen, die dort nach der Errichtung des gigantischen Trinkwasser-Bauwerks angepflanzt wurden, ein optimales Wachstum zu ermöglichen. Deshalb mussten einige der sogenannten „dienenden Buchen“, die zwischen den Eichenhölzern vor etwa 60 Jahren gesetzt wurden, jetzt von den Forstleuten gefällt werden. Das Ziel: Die im wahrsten Wortsinn „astreine“ Entwicklung der mächtigen Stämme soll nicht gefährdet werden. „Eine Maßnahme, die also sowohl der Boden- und Klima-, aber auch der Astpflege dient“, erläutert Thomas Jung einen forstwirtschaftlichen Dreiklang. „Andernfalls würden die Buchen irgendwann über die Kronen der Eichen hinwegwachsen und somit deren Entwicklung ausbremsen.“

    Immer wieder führt Ledwon Stanik seinen 21 Jahre alten Kaltblüter „Piet“ den Berg hinauf. Nach etwa drei Stunden Arbeit brauchen die etwa 800 Kilo schweren Pferde eine Pause, bevor es weitergeht.
    Immer wieder führt Ledwon Stanik seinen 21 Jahre alten Kaltblüter „Piet“ den Berg hinauf. Nach etwa drei Stunden Arbeit brauchen die etwa 800 Kilo schweren Pferde eine Pause, bevor es weitergeht. © WP | Michael Kleinrensing

    Bislang hat der WBH nach dem Einsatz der Kettensägen die am Boden liegenden Stämme meist klassisch mit einem Forstschlepper aus dem Wald gewuchtet. Dafür werden üblicherweise im Abstand von etwa 40 Metern breite Fahrspuren in den Forst gepflügt, auf denen sich die Fahrzeuge (Leergewicht: 13 Tonnen) mit den fast mannshohen Breitreifen zwischen den Bäumen die Hänge hinauffräsen. Entsprechende Trassen mit tiefen Furchen sind aufgrund des Borkenkäferbefalls zurzeit an gerodeten Fichtenholz-Hängen vielerorts sichtbar. „Natürlich hat dies dort die Folge, dass die Böden stark geschädigt werden“, ist sich Robin Doennges durchaus bewusst, dass diese Spuren über Jahrzehnte bleiben. „Werden die Poren des Untergrunds dort zu stark verdichtet, kann der Boden nicht mehr genügend Wasser aufnehmen“, spielt der Revierleiter keineswegs nur auf die leidvollen Hochwassererfahrungen des vergangenen Sommers an.

    Durch ökologische Brille betrachtet

    „In Zukunft möchten wir solche Einsätze mit Kaltblütern durchaus forcieren“, verweist Thomas Jung auf die ökologische Denkhaltung des Wirtschaftsbetriebes Hagen, bei der das Thema Nachhaltigkeit zunehmend im Vordergrund steht. „Bislang haben wir eher selten mit Pferderückern zusammengearbeitet“, ergänzt Revierleiter Doennges, aber er plant bereits, auch am Tücking sowie im Fleyer Wald alternativ mal mit echten Pferdestärken zu agieren.

    Ein fordernder Job für Menschen und Tier, immer wieder die zum Teil steilen Hänge hinaufzustapfen. Doch der Einsatz der Rückepferde schont vor allem den Waldboden, der nicht so stark verdichtet wird.
    Ein fordernder Job für Menschen und Tier, immer wieder die zum Teil steilen Hänge hinaufzustapfen. Doch der Einsatz der Rückepferde schont vor allem den Waldboden, der nicht so stark verdichtet wird. © WP | Michael Kleinrensing

    Harald Henßen von der Fuhrhalterei Stertenbrink in Erkrath kraxelt derweil mit „Granit“ am Zügel zum x-ten Mal an diesem Morgen den Berg hinauf. Ein körperlich fordernder Job, der mit einem stets positiv gestimmten Partner allerdings leichter fällt: „Er hat eigentlich immer gute Laune“, berichtet er über die Motivation des fünfjährigen Kaltblüter-Wallachs an seiner Seite. Drei bis vier Stunden am Stück schleppen die Tiere die Baumstämme aus dem Wald an den Wegesrand, wo sie dann vom WBH verladen werden. Dann ist eine ausgedehnte Pause geboten, bevor „Granit“ sich einer zweiten Schicht stellt.

    Mehr als nur ein Arbeitsgerät

    Sein Lohn: „Heu und Kraftfutter, mehr braucht er nicht“, haut Henßen seinem „Kollegen“ mit der flachen Hand aufmunternd auf die Schulter. „Wir kennen uns inzwischen ganz genau“, beschreibt er sein gewachsenes Vertrauensverhältnis zu dem Kaltblüter. Denn dieses Pferd ist für ihn viel mehr als nur sein Arbeitsgerät: „Und jeder Tag im Wald macht ihm sicherlich mehr Spaß als das Leben im Stall.“

    Ein Video zur Arbeit der Rücke­pferde im Hagener Wald finden Sie im Internet unter www.wp.de/hagen.