Hagen. Der Vorsitzende, Hakan Severcan, stellt im Integrationsrat einen Antrag auf seine Abwahl – und bittet die Mitglieder, mit „Nein“ zu stimmen.

Da haben sich die Mitglieder des Integrationsrates Hagen beim Blick auf die Tagesordnung wohl durchaus verwundert die Augen gerieben, als sie dort lasen, dass sowohl der Punkt „Abwahl des Vorsitzenden“, als auch „Neuwahl des Vorsitzenden“ zur Beratung angesetzt wurde. Gleichzeitig mit einem kurzen Schreiben des Vorsitzenden, Hakan Severcan: „Nach inzwischen sechs Integrationsratssitzungen möchte ich Ihnen allen über die Vertrauensfrage die Möglichkeit geben, mir weiterhin ihr Vertrauen auszusprechen. Dies können wir rechtlich aber nur über die Abwahl des Vorsitzenden durchführen. Sie würden mir das Vertrauen absprechen, wenn Sie mehrheitlich bei meiner Abwahl mit ,Nein’ stimmen“, heißt es darin.

Denn abgewählt werden wollte Hakan Severcan überhaupt nicht.

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Antrag falsch gestellt

Hakan Severcan wollte – was rechtlich allerdings nicht zulässig ist, – in der Sitzung den Mitgliedern die Vertrauensfrage stellen. Mit der Vertrauensfrage kann sich eigentlich der Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin vergewissern, ob ihre Politik vom Bundestag unterstützt wird (Artikel 68 des Grundgesetzes), sie also noch die Zustimmung der Mehrheit der Abgeordneten hat. Im Integrationsrat möglich ist das nicht.

Also stellte der Vorsitzende vor der Sitzung sowohl einen Antrag auf seine eigene Abwahl, als auch Neuwahl.

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Auch das ist, so bestätigte das Rechtsamt der Stadt Hagen dann kurz vorher, nicht rechtens: Der Antrag müsste viel mehr von einem Mitglied/einer Fraktion gestellt werden, nicht vom Vorsitzenden selbst. Also wurde der Punkt dann doch kurzfristig wieder gestrichen – und nicht darüber abgestimmt. Ergebnis also: offen.

Theoretisch möglich ist die Abwahl des Vorsitzenden aber dennoch: wenn ein Mitglied/eine Fraktion nun den Antrag auf Abwahl stellt, könnte darüber abgestimmt werden. „Bislang liegt noch kein Antrag vor“, so Hakan Severcan, der beteuert, viele Anrufe von Mitgliedern erhalten zu haben, die seine Arbeit weiterhin unterstützen wollen.

„Dass bis jetzt noch kein Antrag vorliegt, werte ich auch als eine Art der Bestätigung durch die Mitglieder. Damals bei der Wahl, da kannte man mich nicht“, erklärt er seine Intention hinter dem doch etwas kuriosen Antrag.

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Mit kleinem Vorsprung gewählt

Mit 8 zu zweimal jeweils 6 Stimmen sei er damals zum Vorsitzenden gewählt worden. Er habe den Mitgliedern nach nun achtmonatiger Amtszeit die Chance geben wollen, ihre Meinung kundzutun. „Wäre jetzt die Mehrheit mit meiner Arbeit unzufrieden, dann hätte ich den Posten natürlich abgegeben.“ Er sei nun dennoch froh, dass er seine Arbeit weiterführen könne.

„Das Thema Integration liegt mir am Herzen. Auch wenn der Integrationsrat für viele Projekte kämpfen muss, da wir der Politik immer nur Vorschläge machen können, haben wir trotzdem schon viel auf den Weg gebracht“, so Hakan Severcan dazu.

>>>> Hintergrund: Zum Integrationsrat

Der Ausländerbeirat der Stadt Hagen wurde ursprünglich 1985 gegründet, als erster Schritt in Richtung politische Teilhabe von Menschen mit Einwanderungsgeschichte in Hagen. 2004 löste der Integrationsrat den Ausländerbeirat ab.

Die Mitglieder des Integrationsrates werden alle fünf Jahre gewählt. Er besteht aus 14 gewählten, ehrenamtlich tätigen Vertretern und sieben Ratsmitgliedern.

Im Rahmen der Kommunalwahlen wurde auch der Integrationsrat am 13. September 2020 neu gewählt. Die konstituierende Sitzung des Gremiums fand am 3. März 2021 statt. Herr Hakan Severcan wurde von den Mitgliedern zum Vorsitzenden gewählt. Özlem Basöz und Viktoria Tounousidou bilden die Stellvertretung des Vorsitzes.