Eckesey. Die Flut traf das geradezu systemrelevante Unternehmen H.D. Lenzen brutal. Der Wiederaufbau läuft. Aber die Industrie macht gewaltig Druck.

Knapp fünf Monate später ist der Pegelstand der Volme an diesem Abend wieder ziemlich hoch. Das hat viele Jahre nie jemanden besonders besorgt. Mittlerweile ist der Blick auf den Fluss aber zu einem sensiblen Gradmesser geworden. Und er erinnert jedes Mal an die Nacht, in der die dunkle Volme plötzlich durch das Werkstor heranrauschte und das Unternehmen H.D. Lenzen an der Sedanstraße mannshoch, also bis 1,90 Meter flutete. Bis zum Ende des ersten Quartals will der europaweit quasi konkurrenzlose Betrieb wieder voll liefern können.

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Ralph Brinkhaus stellt fest: H.D. Lenzen gilt als systemrelevant

H.D. Lenzen fertigt elektrolytisch verzinkten Präzisionsbandstahl. Das klingt hoch technisch. In der Realität tauchen die veredelten Stähle überall auf diesem Planeten auf. Das Stahlbändchen, das den Korken auf den Sektflaschen eines führenden deutschen Herstellers hält, die Verpackungsclips von Kartoffelsäcken, in allen Elementen, die in Motoren zur Dichtung dienen, in Getriebeplatten, Materialien für Elektro-Gehäuse und in Ölfiltertechniken. H.D. Lenzen ist deutschlandweit – und das stellte auch CDU-Bundestagsfraktionschef Ralph Brinkhaus im August vor Ort fest – systemrelevant. Einfacher: Ohne H.D. Lenzen geht vieles gar nicht, und damit ist das Unternehmen nur eines von vielen Hagener Beispielen in diesem Bereich.

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Vieles ist schon als Team gemeistert worden: Geschäftsführer Peter Lobst (Mitte, mit dem technischen leiter Philipp Plobst (links) und dem Leiter der Galvanik, Waldemar Hense (rechts).
Vieles ist schon als Team gemeistert worden: Geschäftsführer Peter Lobst (Mitte, mit dem technischen leiter Philipp Plobst (links) und dem Leiter der Galvanik, Waldemar Hense (rechts). © WP | Michael Kleinrensing

Nach der Flut hat das Unternehmen Großes geleistet. Die Hallen sind getrocknet und eine Produktionsstraße mit Maschinen, die es so in Europa nur viermal gibt (drei davon gehören zu H.D. Lenzen) läuft wieder. „Wir sind bei einer Kapazität von 60 Prozent angekommen, was den Bereich der Veredelung angeht und 40 Prozent im Bereich des Schneidens der Materialien“, erklärt Geschäftsführer Peter Plobst.

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Die Schaltkästen wurdne nun in einer Höhe angebracht, die deutlich über der Flutlinie vom 14. Juli steht.
Die Schaltkästen wurdne nun in einer Höhe angebracht, die deutlich über der Flutlinie vom 14. Juli steht. © WP | Michael Kleinrensing

Das Unternehmen ist geschützt durch seine Erklärung zum „Force Majeure“, der Beeinträchtigung durch höhere Gewalt. Das entbindet es aber nicht von seinen Lieferverpflichtungen.

85 Kollegen großer Betrieb unverschuldet in dieser Lage

Der indirekte Druck der Autobauer über den direkten Druck der Autozulieferer ist gewaltig. „Wir haben einen Lieferungsstau seit Juli und können, vereinfacht gesagt, nur eine von drei gewünschten Tonnen derzeit herstellen“, sagt Peter Plobst, der angesichts der Tatsache, dass sein 85 Kollegen großer Betrieb unverschuldet in dieser Lage ist und am Anschlag arbeitet, ungeduldigen Vertretern der Industrie schon mehr als deutliche Ansagen gemacht hat.

Ein Blick auf die Anlage, von der es so in Europa nur vier Stück gibt. Drei davon gehören H.D. Lenzen.
Ein Blick auf die Anlage, von der es so in Europa nur vier Stück gibt. Drei davon gehören H.D. Lenzen. © WP | Michael Kleinrensing

Das Herz des Mittelstandes

Was wiederum zeigt, mit wie viel Herz der deutsche Mittelstand an solchen Stellen wie hier hinter seiner Sache steht. „Ich kann den Druck auf allen Seiten verstehen. Aber irgendwann ist ein Punkt erreicht, wo man sich auch mal wehren muss. Wir liefern seit Jahrzehnten Top-Qualität und stehen für Vertrauen und Leistung. Da ist mehr Verständnis angebracht.“ Die großen Autobauer schicken ihre Mitarbeiter raus, um sich nach dem Fortschritt bei der Flutfolgen-Beseitigung zu erkundigen. Das dokumentiert die Abhängigkeit, aber auch die Ungeduld.

Ein Bild aus der Zeit nach der Flutkatastrophe. Die Volme hat massiv viele Stämme und Gehölz auf eine Versorgungsbrücke über den Fluss gespült.
Ein Bild aus der Zeit nach der Flutkatastrophe. Die Volme hat massiv viele Stämme und Gehölz auf eine Versorgungsbrücke über den Fluss gespült. © WP | Michael Kleinrensing

Die Schaltkästen in den Werkshallen von H.D. Lenzen wurden in einer Höhe über dem Flut-Pegel neu montiert. Aktuell wartet das Unternehmen, das einen 20-prozentigen Absatzverlust erlitten hat, aber auf Gleichrichter, um vollends alle Anlagen wieder in Betrieb nehmen zu können. Die Gleichrichter lassen wegen des Mangels auf dem Markt auf sich warten. „Da stellen wir uns natürlich jetzt in unserer Situation nicht hin und machen Druck.“, sagt Peter Plobst.

Die Wucht des Wassers hatte den Gleisanschluss hinter der Firma unterspült. Der Zug im Hintergrund, der das benachbarte Unternehmen Honselmann angesteuert hatte, musste wochenlang dort stehen bleiben.
Die Wucht des Wassers hatte den Gleisanschluss hinter der Firma unterspült. Der Zug im Hintergrund, der das benachbarte Unternehmen Honselmann angesteuert hatte, musste wochenlang dort stehen bleiben. © WP | Michael Kleinrensing

Sein Unternehmen hatte insgesamt einen Schaden in zweistelliger Millionenhöhe erlitten. Beim Neubau zerstörter Anlagenteile setzt das Unternehmen auf Innovation. Bessere Badkontrollen oder bessere Elektronik. Insgesamt geht H.D. Lenzen ohnehin den Weg, den Anlagenumbau für E-Technik voranzutreiben.

Unterspülter Gleisanschluss der benachbarten Firma Honselmann

Im zur Volme gewendeten Teil der Fabrik an der Sedanstraße hat die Stadt die Mauer zum Fluss etwas erhöht. Die Volme soll an dieser Stelle noch ausgebaggert werden. Ein unterspülter Gleisanschluss der benachbarten Firma Honselmann ist wieder aufgeschottert worden. „Wir geben hier alles. Was wir brauchen, sind noch etwas Geduld und Vertrauen“, sagt Peter Plobst.