Hagen. Im Impfzentrum Hagen wurden tausende Menschen geboostert. Leiter Lars Stein über Impfrekorde, Impfmuffel und ein mögliches Ende der Pandemie.

Lars Stein (41), Angestellter der Stadt Hagen, ist Leiter des Impfzentrums in der Stadthalle. Im Interview verrät er, warum er glaubt, dass die Pandemie im kommenden Sommer besiegt sein könnte.

Seit dem 29. November ist das Impfzentrum wieder geöffnet. Wie ist die Resonanz?

Sehr gut. Wir haben gleich am zweiten Tag unseren Rekord vom 30. Mai mit 2100 Impfungen eingestellt und uns anschließend auf 2500 Impfungen täglich gesteigert. Wir könnten sogar bis zu 3000 Menschen pro Tag impfen. Leider ist die Nachfrage seit Donnerstag etwas eingebrochen, von 2400 freien Terminen sind nur ungefähr 1000 gebucht worden.

Woran liegt das?

Wahrscheinlich hat das damit zu tun, dass wir in Hagen mit den Booster-Impfungen schon sehr weit sind. Derzeit belegen wir unter allen Städten und Gemeinden in Westfalen-Lippe den ersten Platz. Gut 33 Prozent der Bürger in Hagen sind bereits geboostert, haben also die dritte Impfung erhalten. Hinzu kommt die Sache mit dem Impfstoff.

Was meinen Sie damit?

Viele Menschen, die über 30 sind, werden abgeschreckt, weil sie mit Moderna geimpft werden. Sie warten dann lieber ab, bis wieder mehr Biontech zur Verfügung steht. Das ist schade, denn Moderna ist ein ebenbürtiger Impfstoff. Aber das ist vermutlich Kopfsache. Mich erinnert das ein bisschen an die Diskussion um Astrazeneca. Dieser an sich gute Impfstoff war nach einigen negativen Schlagzeilen ja auch bei weiten Teilen der Bevölkerung verpönt.

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Was machen Sie jetzt anders als in der ersten Öffnungsphase?

Wir haben das Impfzentrum schlanker aufgestellt, so dass die Patienten jetzt nach zehn Minuten wieder draußen sind. Es gibt keine Lounges mit Sesseln mehr, weniger Trennwände und weniger Mobiliar. Die meisten Menschen, die die Auffrischungsimpfung haben möchten, wollen kein Aufklärungsgespräch mehr, sondern sich möglichst schnell ihre Spritze geben lassen und dann wieder nach Hause.

Warum sind die Deutschen solche Impfmuffel?

Das ist eine gute Frage. Die Mehrzahl der Bevölkerung ist ja total überzeugt von den Vorteilen des Impfens und lässt sich von wissenschaftlichen Erkenntnissen leiten. Aber eine beträchtliche Zahl von Bürgern ignoriert die Fakten und folgt – wie soll ich sagen – ihrem Bauchgefühl. Ich kann das nicht nachvollziehen. Wir haben in Hagen jedenfalls alles versucht, aber die letzten zehn, 15 Prozent haben wir nicht erreicht.

Im sächsischen Meißen liegt die Inzidenz bei 2500. Unglaublich, oder?

Ja, das sind ganz andere Dimensionen, die haben wir hier zum Glück nicht. Wie mir scheint, haben wir in Hagen die Bergspitze der Inzidenz erreicht, und jetzt flacht die Welle langsam ab.

Das Impfzentrum ist ja nur wegen der starken vierten Welle wieder eröffnet worden. Sollte es nicht dauerhaft geöffnet bleiben?

Selbst wenn zukünftig Zahnärzte, Apotheker und Tierärzte gegen Corona mitimpfen dürfen, glaube ich nicht, dass die Massen an Impfwilligen, die in einer Phase wie der jetzigen einen Termin haben wollen, bewältigt werden können. Gerade jetzt im Winter haben die Mediziner ja genug mit anderen Infektionskrankheiten zu tun. Wir dagegen können hier richtig Gas geben und in kürzester Zeit große Menschenmengen impfen. Das Impfzentrum muss deshalb nicht dauerhaft öffnen, aber als schlummernde Einheit, die bei hohen Inzidenzen sofort aktiviert werden kann, erhalten bleiben.

Und der Standort in der Stadthalle?

Ist perfekt. Die Stadthalle ist gut erreichbar, es gibt ausreichend Parkplätze, und die Halle mit ihrem Personal ist absolut professionell aufgestellt. Ein starker Partner.

Wagen Sie einen Ausblick – bekommen wir Corona irgendwann in den Griff?

Ja, die Frage ist aber, wie viel Zeit wir dazu benötigen. Ich war früher kein Befürworter einer Impfpflicht, inzwischen habe ich meine Meinung aber geändert. Wenn die Impfpflicht im zeitigen Frühjahr wirklich kommen sollte, dann werden wir das Virus besiegen können und keine fünfte, sechste oder siebte Welle zu überstehen haben. Dann braucht vielleicht jeder von uns noch eine Nachimpfung, aber im Sommer haben wir die Pandemie überstanden.