Breckerfeld. In Breckerfeld kommt der Bus auf Bestellung. Die Verkehrsgesellschaft Ennepe-Ruhr (VER) lässt Busse in einem Pilotprojekt „on demand“ rollen.
Mit einem geradezu revolutionären Konzept will das Verkehrsunternehmen VER neue Perspektiven für den Öffentlichen Personennahverkehr schaffen. Durch ein System, bei dem die Kunden die Busse quasi auf Bestellung rufen können, will die VER, die mit finanziellen Problemen zu kämpfen hat, das Angebot wirtschaftlicher und gleichzeitig attraktiver gestalten. Breckerfeld ist Teil eines Pilotprojekts, das die VER mit Unterstützung des Startups „door2door“ entwickelt hat.
„Der Ansatz geht zurück auf unsere Restrukturierungsphase“, erklärt Peter Bökenkötter, Geschäftsführer der Verkehrsgesellschaft Ennepe-Ruhr. „Wir haben überlegt, wie wir mit den Schwachverkehrszeiten umgehen.“ Denn in den Abendstunden und an den Wochenenden fahren teils große Busse mit nur wenigen und zum Teil sogar ohne Fahrgäste auf den Linien. Wirtschaftlich betrachtet völliger Nonsens.
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Die Lösung: ein sogenanntes On-Demand-Konzept (auf Bestellung). Das funktioniert zwar nicht wie bei Taxen, ist im Grunde aber auch nicht weit davon entfernt. Denn durch sogenannte virtuelle Haltepunkte, die von den Kunden mit einer App ausgewählt werden können, verdichtet sich das Netz der Haltestellen ganz erheblich. Von aktuell 40 auf 400.
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Das Pilotprojekt betrifft die VER-Linie 550, die von Breckerfeld aus über Gevelsberg bis Ennepetal fährt. Die Haltepunkte – gleich ob reale oder virtuelle – liegen in einem erweiterten Korridor (siehe Grafik), der sich entlang der bisherigen Linienführung schlängelt und als Zusatzangebot auch die Glörtalsperre erfasst.
Bestellung der Busse per App
Wer nun in den Randzeiten auf dieser Strecke fahren möchte, kann in einer App (oder auch telefonisch) durchgeben, wann er wo einsteigen möchte und bis wohin er fahren will. Eigens angeschaffte Minibusse (barrierefrei und auch für Rollstühle und Kinderwagen geeignet) kommen dann zum vereinbarten Zeitpunkt zum virtuellen oder realen Haltepunkt und fahren die Strecke ab. Gibt es auf dieser Parallel-Buchungen, so werden auch diese Fahrgäste unterwegs an einem entsprechenden Haltepunkt eingesammelt. „Wir kommen auf Anforderung und versuchen gleichzeitig, möglichst viele weitere Fahrgäste unterwegs einzusammeln“, so Bökenkötter.
„Die Echtzeitfahrzeit bekommen die Kunden online per App übermittelt“, so Bökenkötter. „Die Kosten für die Kunden liegen innerhalb der normalen ÖPNV-Tarife. Eine Abbuchung kann für Einzelfahrten direkt online erfolgen.“ Auch Inhaber einer Monatskarte können den Service in Anspruch nehmen.
Kurze Wartezeit
Die Busse sind samstags von 0 bis 4 Uhr und von 18 bis 23.59 Uhr abrufbar. Sonntags fahren sie von 0 bis 4 Uhr und von 9 bis 22 Uhr. Tagsüber rollen fünf, nachts drei Busse. Maximal sollen Kunden ab Bestellung 40 Minuten auf den Bus warten müssen. Die maximale Umwegzeit (im Vergleich zur direkten Strecke) liegt bei 20 Minuten.
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Dadurch, dass die VER nur Gebiete anfahren darf, für die sie selbst die Konzession besitzt, bleiben in Breckerfeld einige Bereiche außen vor. Beispielsweise das Wohngebiet Wengeberg, das durch die Linie 512 der Hagener Straßenbahn exklusiv bedient wird. Oder der komplette Bereich Zurstraße, durch den ebenfalls die 512 fährt. „Allerdings stehen wir im Austausch auch mit der Hagener Straßenbahn“, so Bökenkötter, der darauf verweist, dass man in Hagen das Pilotprojekt interessiert verfolge.
VER will unterstützten
Damit Senioren, die nicht so erfahren im Umgang mit digitalen Angeboten sind, nicht vor dem On-Demand-Service zurückschrecken, will die VER einen Senioren-Begleitservice aktivieren und ältere Menschen selbst zu Hause bei der Einrichtung und Bedienung unterstützen.
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Für Bökenkötter, der erklärt, dass man die Linie genau analysiert und bereits Testläufe durchgeführt habe, ist das neue Angebot „wesentlich komfortabler als das jetzige“. Und weiter erklärt der Geschäftsführer: „Ich sehe darin einen Einstieg dazu, das Auto tatsächlich stehen zu lassen und auf den ÖPNV umzusteigen“, so der Geschäftsführer weiter. „Ich sehe Potenzial, das System nach und nach weiterzuentwickeln.“
So sei durchaus vorstellbar, die Busse bis Dahlerbrück und Schalksmühle (Anbindung an die Volmetalbahn) oder Halver fahren zu lassen.
Pilotprojekt startet im Sommer 2022
Das allerdings ist Zukunftsmusik. Das Pilotprojekt, das mit 200.000 Euro im Ennepe-Ruhr-Kreis gefördert wird, ist zunächst angelegt auf zwei Jahre. Es soll am ersten Ferientag der Sommerferien 2022 an den Start gehen.