Hohenlimburg. In einem Wald bei Hohenlimburg-Reh erinnert ein Denkmal-Stein an das Gräuel am „Reher Galgen“ und die letzte Hinrichtung vor mehr als 200 Jahren
Dass einem ausgemusterten elektrischen Stuhl ein Denkmal gesetzt wird, ist heute kaum vorstellbar. Doch in einem Waldstück bei Reh erinnert solch ein Denkmal-Stein an einen Ort, wo Menschen über viele Jahre qualvoll gerädert, geschunden und gehängt wurden. Was es mit dem „Reher Galgen“ auf sich hat und warum die schaurige Geschichte des Mordinstruments bis heute am Leben erhalten wird.
Letzte Hinrichtung im Jahr 1807
Eigentlich hieß er Georg Hinrich Michael, aber die Menschen in der Grafschaft Limburg nannten ihn Jürgen. Jürgen Bechthold. Er war der letzte Mensch, der am Reher Galgen hingerichtet wurde. Im Winter 1807 überfällt er einen jüdischen Händler, der gerade einen Ballen Waren aus Limburg abgeholt hatte und auf dem Heimweg nach Ergste war. Mit einem Knotenstock erschlägt Bechthold den Mann und nimmt die Ware an sich – so erzählt es der mittlerweile verstorbene Ergster Heimatpfleger Friedhelm Mann in seinen Aufzeichnungen. Der Tote wird fünf Tage später gefunden, die Spur zu Bechthold verblasst.
Bis die Leute in Limburg bemerken, dass dieser plötzlich neue Sachen trug – darunter auch Stoffe, die dem Opfer gehört hatten. Da Jürgen Bechthold als Straßenräuber bekannt war, fiel der Verdacht auf ihn. An seine Hinrichtung erinnert noch heute, rund 214 Jahre später, der massive Gedenkstein bei Reh. Die nüchterne Inschrift lautet: „Ehemalige Hinrichtungsstätte der Grafschaft Limburg. Letzte Hinrichtung am 19. Juni 1807“.
Todesurteil umgewandelt
Für die Historikerin Stephanie Marra ist der Fall Bechthold vor allem deshalb interessant, weil sein Todesurteil umgewandelt wurde. „Zunächst hat das Kriminalgericht den Tod durch Rädern angeordnet“, so Marra. „Danach hat Graf Emil Friedrich I. von Bentheim-Tecklenburg das Urteil in Tod durch Enthaupten umgewandelt, wie es hieß aus ‘humanistischen Gründen’.“ So galt der Tod durch das Schwert in jener Zeit als „ehrenvoller“. Dass an die letzte Hinrichtung am „Reher Galgen“ seit 1988 mit einem Stein erinnert wird, ist für Marra ungewöhnlich.
„Man kann es nicht als Mahnmal bezeichnen, weil viele mit einem Galgen eher etwas schauriges verbinden“, sagt die Dortmunder Historikerin, die zu den früheren Hinrichtungsstätten im Stadtgebiet viel geforscht und publiziert hat. „Vielleicht war es damals der Zeitgeschmack? In Südwestdeutschland gibt es Orte, da wurden Galgen als Touristenattraktion nachgebaut.“
Mehr als „blutrünstige Mörder“
Entgegen allem Schauer, der in Film und Literatur rund um Scharfrichter immer wieder angeregt wird, macht sich Marra auch für einen differenzierten Blick auf das Thema stark: „Henker werden oft als blutrünstige Mörder dargestellt, die Menschen ohne Sinn und Verstand getötet haben. Das finde ich problematisch.“ So seien viele Henker in Mittelalter und früher Neuzeit durchaus gebildet gewesen, konnten lesen und schreiben und wurden als medizinische Berater zurate gezogen. „Was sie mit Knochenbrüchen zerstören konnten, das konnten sie auch wieder heilen. Sie wussten,was sie taten und konnten es regulieren.“ In der Grafschaft Limburg hatten Scharfrichter, darauf deuten die Quellen hin, eher wenig zutun. Sie waren auch als Abdecker tätig, entfellten tote Tiere und verwerteten die Reste. „Das war ein ziemlich lukrativer Job und eine wichtige Einnahmequelle.“
Doch zurück zum Reher Galgen. Dass die Hinrichtungsstätte bis heute ein steinernes Denkmal besitzt, geht auf den Orts- und Heimatverein Hohenlimburg zurück. Seit bald hundert Jahren gehört die Fläche bei Reh dem Heimatverein. „Nach dem zweiten Weltkrieg wurde eine Tafel angebracht, die ist aber mit der Zeit verrottet“, berichtet Widbert Felka. Es war 1988 eine seiner ersten Amtshandlungen als Vorsitzender des Heimatvereins, den Gedenkstein zum Reher Galgen einzuweihen.
Ein Erbe der Grafschaft Limburg
Für ihn ein Stein, der aufklären soll. „Es geht darum, die Geschichte nicht mit Schweigen zu übergehen, sondern zu informieren.“ So stehe der Stein auch für das Erbe der einstigen Grafschaft Limburg. „Das Symbol der Grafschaft schlechthin bleibt das Schloss Hohenlimburg. Aber es gibt auch andere Symbole, die nicht so eindeutig und mit Händen zu greifen sind.“
Beiträge in Hagen-Büchern
Die Historikerin Stephanie Marra hat zu den früheren Hinrichtungsstätten im Stadtgebiet geforscht. Jüngste Beiträge sind erschienen in den Büchern „Hagener Stücke. 111 Objekte aus dem Stadtmuseum“ und „Hagen. Eine moderne Stadtgeschichte“, dem Buch zum 275. Stadtjubiläum.
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