Hagen. Reinhold Messner kommt wieder nach Hagen. In seinem Vortrag berichtet er über Nahtoderfahrungen und den Verlust seines Bruders am Nanga Parbat.

Nanga Parbat bedeutet „nackter Berg“. Für Reinhold Messner (77) ging es am Nanga Parbat ums nackte Überleben. Sein Bruder Günther dagegen fand den Tod. „Der Nanga Parbat ist mein Schicksalsberg“, sagt Messner über den mit 8126 Metern neunthöchsten Berg dieser Erde.

Immer wieder hat die Tragödie der Messner-Brüder am Nanga Parbat, obwohl sie inzwischen 51 Jahre zurückliegt, die Öffentlichkeit beschäftigt. Vor allem treibt sie Reinhold Messner, den nach außen so eloquent wie abgeklärt wirkenden Bergsteiger, bis heute um: „Ich bin mir sicher, dass jeder andere daran zerbrochen wäre.“ Er lebe nicht rückwärtsgewandt, sondern im Hier und Jetzt, so Messner: „Aber die Ereignisse von damals sind noch ganz präsent. Die Tragik, aber auch der Erfolg acht Jahre später.“

In seiner neuen Vortragsreihe, die ihn am 14. Oktober auch wieder nach Hagen führt, beschäftigt sich Messner ausschließlich mit dem Nanga Parbat, der nicht nur für ihn zum Schicksalsberg wurde. Der Engländer Albert Mummery, laut Messner der beste Bergsteiger seiner Zeit, verschwand 1895 an dem „Killer Mountain“, Willo Welzenbach starb 1934 im Schneesturm. Hermann Buhl dagegen erreichte 1953 gegen den Befehl seines Expeditionsleiters als erster Mensch den Gipfel.

Die Kunst des Überlebens

Von diesen historischen Ereignissen beichtet Messner, im Mittelpunkt seines Vortrags steht aber seine eigene schicksalhafte Expedition von 1970, die seinen Bruder das Leben, ihn selbst sieben Zehen kostete und die zu jahrzehntelangen, juristischen Auseinandersetzungen mit den anderen Expeditionsteilnehmern führte. „Ich war dem Tode nahe“, sagt Messner.

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Und Nahtoderfahrungen, die er nicht nur am Nanga Parbat durchmachen musste, seien das Schlimmste, das man sich im Leben vorstellen könne. „Die Kunst des großen Bergsteigens ist das Überleben“, sagt Messner: „Im Angesicht des Todes ist das Leben absurd. In diesen Situationen ist mir klar geworden, dass nicht der Nutzen einer Tat, sondern ihre Sinnhaftigkeit von Bedeutung ist.“ Die Widersprüche, die in solchen Aussagen steckten, versuche er in seinem Vortrag aufzulösen.

Der Philosoph des Bergsteigens

Denn der berühmteste Bergsteiger der Welt, der im Gegensatz zu vielen Kollegen all seine Abenteuer überlebt hat und alt geworden ist, war stets auch der Philosoph des Bergsteigens.

Es sei ihm nie um Rekorde gegangen, sagt Messner, sondern darum, mit den Bergen, mit der Natur in ein direktes Verhältnis zu treten: „Denn wir Menschen sind nicht gemacht für diese Größe und Höhe.“ Die Glanzleistung seines Lebens gelang ihm – wo sonst – 1978 am Nanga Parbat, den er im Alleingang erstieg, was an einem Achttausender noch nie zuvor einem Menschen gelungen war.

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Trotz seiner 77 Jahre ist Reinhold Messner lebenskräftig wie eh und je. Kaum zu glauben, aber er plant eine fünfjährige Welttournee, um den Menschen auf allen Kontinenten zu erklären, was traditioneller Alpinismus ist.

Denn dieses von ihm maßgeblich geprägte Bergsteigen – ohne Flaschensauerstoff, Infrastruktur und Fixseile im Alleingang – möchte er am Leben halten, droht es doch von Sportkletterern und Massentourismus verdrängt zu werden. „Traditioneller Alpinismus ist eine saubere Art des Umgangs mit der Natur.“

Corona treibt die Menschheit in die Enge

Einladungen habe er genug, sagt Messner, doch wolle er die Gastspielreise erst beginnen, wenn die Pandemie das zulasse: „Corona hat uns sehr klar gemacht, dass wir Menschen zerbrechlich sind.“

Hier gibt es Tickets

Tickets für den Vortrag von Reinhold Messner am Donnerstag, 14. Oktober, um 20 Uhr in der Stadthalle Hagen gibt es an allen bekannten Vorverkaufsstellen und unter www.messner-live.de.

Reinhold Messner ist der erste Mensch, der den Gipfel des Mount Everest ohne Zuhilfenahme von Flaschensauerstoff erreichte (1978), der Mount Everest im Alleingang erreichte (1980), der als Erster einen Achttausender allein erreichte (1978, Nanga Parbat) und der als Erster auf den Gipfeln aller vierzehn Achttausender stand (1970 bis 1986, jeweils ohne Flaschensauerstoff).

10.000 Jahre lang habe die Menschheit günstige Verhältnisse vorgefunden, um sich zu entwickeln, doch nun zeige sich, wie brüchig das Habitat Erde sei: „Und wie schnell wir in die Enge getrieben werden können.“

Zwar hätten die Menschen noch nie so gut gelebt wie gegenwärtig in der westlichen Welt: „Aber Corona zeigt uns, dass das nicht so bleiben muss.“ Dass wir angreifbar seien, noch dazu von etwas Unsichtbarem, lehre uns: „Wir sind nicht die Könige der Welt, wir sind Mängelwesen.“