Hagen. Auch in Hagen gibt es Judenhass und Israel-Feindschaft. Christiane Bertram von der Christlich-Jüdischen Gesellschaft bezieht Position.

Christiane Bertram ist Geschäftsführerin der Gesellschaft für Christlich-Jüdischen Zusammenarbeit in Hagen und Umgebung.

Seit 1700 Jahren leben Menschen jüdischen Glaubens in Deutschland. Das Jubiläum wird ein Jahr lang bundesweit mit vielen Veranstaltungen gewürdigt. Beteiligt sich auch die Christlich-Jüdischen Gesellschaft Hagen und Umgebung?

Ja, zum jüdischen Laubhüttenfest, das in diesem Jahr vom 21. bis 27. September gefeiert wird, wollen wir eine Sukka, eine Laubhütte, vor dem Emil-Schumacher-Museum in der Hagener Innenstadt aufstellen. Wir bekommen die Sukka aus Israel geliefert und hoffen, dass viele Hagener das zum Anlass nehmen, sich über das Fest und das Judentum zu informieren.

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Das ist ja auch die eigentliche Aufgabe Ihrer Gesellschaft: Information und Aufklärung, oder?

In der Tat. Die Gesellschaft wurde ja 1949 auf US-amerikanische Initiative hin ins Leben gerufen, derzeit gibt es 83 Vereine in Deutschland. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, den Menschen in Deutschland jüdisches Leben und jüdische Kultur vorzustellen. Das geschieht durch Musik, Kabarett, Filme oder eben das Aufstellen einer Laubhütte.

Sind die Juden uns denn fremd? Sie leben doch seit 1700 Jahren in Deutschland.

Man muss es leider so sagen: Obwohl Juden seit so langer Zeit in unserem Land eine Heimat gefunden haben, werden sie von vielen noch immer als Fremde betrachtet. Dieses Nichtanerkennenwollen, dass sie zu unserem Land gehören. Und dann der Antisemitismus, der wieder aufgekeimt ist.

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Wie große sind Ihre Sorgen?

Sehr groß. Es gib ja heute in unserem Land nicht nur den Antisemitismus der Rechtsextremen, sondern auch einen zunehmenden aggressiven islamischen Antisemitismus. Über den jüngsten Vorfall in Zusammenhang mit der Synagoge in Hagen bin ich schockiert und kann es einfach nicht fassen. Dass so etwas ausgerechnet zu Jom Kippur passiert, ist einfach schrecklich. Und dann nicht zu vergessen der Antisemitismus der Corona-Leugner.

Die auf ihren Demonstrationen einen „Judenstern“ tragen. . .

Da fehlen einem doch die Worte. Man kann doch die Pandemie nicht mit dem Holocaust vergleichen. Dadurch relativiert man den millionenfachen Mord an den Juden. Die Querdenker haben offenbar nichts aus unserer Geschichte gelernt.

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Den islamischen Antisemitismus konnte man in Hagen beim Flaggenstreit erleben (siehe neben stehenden Text).

Ach wissen Sie, dass die Stadt Hagen die israelische Fahne hat einholen lassen, das war sicherlich nicht richtig, da hätte sie im wahrsten Sinne des Wortes Flagge für Israel zeigen müssen. Ich will das dem Oberbürgermeister aber nicht mehr zum Vorwurf machen, es gibt immer mal Fehlentscheidungen. Geschockt hat mich aber, welcher Hass dem Mann, der mit der Flagge für Israel demonstrierte, widerfahren ist. Das Ausmaß hat mich überrascht, wenngleich Antisemitismus natürlich immer hasserfüllt ist. Wichtig ist, dass wir nicht klein beigeben, dass alle demokratisch gesinnten Menschen dagegen halten.

Hintergrund war sicherlich auch der israelisch-palästinensische Konflikt im Gazastreifen, der damals tobte.

Aber das bietet doch keine Rechtfertigung dafür, hier in Deutschland auf jüdische Mitbürger oder deren Freunde loszugehen. Leider sind die Nachrichten zu einseitig, das ist jedenfalls meine Meinung. Die Schlagzeilen gehen meist in die Richtung, dass Israel der Aggressor ist, und höchstens im Kleingedruckten ist dann zu lesen, dass die ersten Raketen aus Gaza abgeschossen wurden.

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Das sind erhebliche Vorwürfe gegen die Medien.

Damit müssen sich die Medien aber auch einmal auseinandersetzen. Früher war die Berichterstattung noch viel einseitiger, sie hat etwas an Objektivität gewonnen. Meiner Meinung nach wird aber nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Palästinenser oder auch der Iran Israel vernichten wollen.

Noch einmal zurück zur Gesellschaft für Christlich-Jüdischen Zusammenarbeit. Sind bei Ihnen auch Juden engagiert?

O ja, zwei unserer Vorstandsmitglieder sind Jüdinnen und auch noch einige Mitglieder. Wir haben insgesamt 200 Mitglieder, Tendenz fallend. Vor allem junge Menschen zu gewinnen ist schwierig, sie scheinen sich gar nicht sonderlich für unser Anliegen zu interessieren. Das ist sehr schade.