Hagen. Haftbefehl nach mutmaßlichen Anschlagsplänen auf Synagoge in Hagen: Was dem 16-Jährigen vorgeworfen wird und welche Strafe nun droht.

Die Verdachtsmomente gegen den 16-Jährigen Syrer, der in Hagen einen Anschlag gegen die dortige Synagoge geplant haben soll, haben sich offensichtlich erhärtet: Ein Richter in Hagen hat am Freitagabend nach einem Termin im Polizeipräsidium Hagen die Untersuchungshaft angeordnet. Das hat die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf bestätigt. Die Strafverfolgungsbehörde, bei der in NRW die Zentralstelle für Terrorismusverfolgung angesiedelt ist, hatte zuvor einen Haftbefehl beantragt, da ein ein dringender Tatverdacht gegeben sei. Ishan Tanyolu, der Anwalt des 16-Jährigen, war zuvor davon ausgegangen, dass sein Mandat auf freien Fuß kommen würde.

Was wird dem 16-Jährigen vorgeworfen?

Ein Großaufgebot der Polizei hatte am Mittwochabend die Synagoge in der Hagener Innenstadt abgesichert. Von einer Gefährdungslage war zunächst die Rede. Später stellte sich heraus, dass die Sicherheitsbehörden von einem konkreten Anschlagsplan ausgingen. Am Freitag konkretisierte die Generalstaatsanwaltschaft ihre Erkenntnisse. Demnach gehen die Ermittler davon aus, dass der 16-Jährige über einen Messenger-Dienst Kontakt „zu einer zurzeit nicht näher identifizierten Person“ gehabt haben soll, „die ihm die Kenntnisse für den Bau von Sprengvorrichtungen vermittelte“. Der 16-Jährige soll Anweisungen erhalten haben, welche Stoffe er dafür beschaffen sollte. Als Ziel habe er eine Synagoge benannt, deren Beschreibung im Chatverlauf auf die Synagoge in Hagen zutreffe. Das hätten die bisherigen Ermittlungen und die Auswertung der beschlagnahmten Medien ergeben.

Was weiß man über den 16-Jährigen?

Bislang wenig. Die Generalstaatsanwaltschaft sagt, dass der junge Mann bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten sei. Sein Anwalt sagt lediglich, dass sein Mandat mit seiner Familie in Hagen lebe und hier auch zur Schule gehe. Die Deutsche Presseagentur (dpa) berichtet mit Verweis auf Sicherheitskreise, dass der Vater 2014 nach Deutschland gekommen und 2016 als Flüchtling anerkannt worden sei. Die Familie sei dem Staatsschutz der Polizei bislang nicht aufgefallen, es gab also keine Hinweise auf islamistische Umtriebe.

Wie schwer wiegen die Vorwürfe gegen den 16-Jährigen?

Das ist schwer zu sagen. Die Generalstaatsanwaltschaft betont, dass auch bei allen weiteren Verfahrensschritten die Unschuldsvermutung gelte. Die Tatsache, dass der Richter den Haftbefehl erlassen hat, deutet aber darauf hin, dass es mehr als einen vagen Verdacht gibt und er zumindest eine Verdunklungs- oder Wiederholungsgefahr sieht. Laut dpa solle es sich – mit Verweis auf Sicherheitskreise – bei der „nicht näher identifizierten Person“, von der die Generalstaatsanwaltschaft spricht, um einen mutmaßlichen Terroristen des „Islamischen Staats“ (IS) handeln. Der 16-jährige Hagener soll mehrfach mit ihm via Chat kommuniziert haben. Sicherheitskreisen zufolge soll der Jugendliche diese Kontakte zugegeben, konkrete Anschlagpläne in einer stundenlangen Vernehmung aber bestritten haben. Tatsächlich wurden weder bei dem 16-Jährigen selbst noch in der Wohnung der Familie Sprengsätze oder Bauteile dafür gefunden. Außerdem war bei der stundenlangen Vernehmung wohl zunächst Anwalt Ishan Tanyolu nicht dabei. Die Aussagen seien daher nicht verwertbar, sagte er unserer Zeitung.

Welche Strafe droht dem 16- Jährigen?

Der Straftatbestand der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat sehe bei Erwachsenen eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vor, so die Generalstaatsanwaltschaft. Bei einem 16-Jährige gelte aber das Jugendstrafrecht. Das sehe neben Erziehungsmaßregeln auch Jugendarrest und die Verhängung einer Jugendstrafe vor. Wie stark die Sanktion ausfallen können, hänge von mehreren Faktoren ab.

Welche Reaktionen gibt es?

Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Halle, Max Privorozki, hat sich entsetzt geäußert. Dort hatte eine Rechtsextremer vor zwei Jahren einen Anschlag verübt und außerhalb der Synagoge zwei Menschen getötet. „Die Erinnerungen kamen sofort hoch“, so Privorozki. Die Präses der Evangelischen Kirche in Westfalen, Annette Kurschus, hat der jüdischen Gemeinde Hagen Solidarität und Mitgefühl ausgesprochen. „Der Anschlag, der wohl nicht zufällig zwei Jahre nach dem traumatischen Attentat auf die Synagoge in Halle stattfinden sollte, ist auch ein Angriff auf das Miteinander in unserer Gesellschaft.“

>> INFO: Bundeswaltschaft greift nicht ein

  • Justiz und Polizei hätten schnell und richtig reagiert, lobte NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) die „akribische Arbeit“: „Ich kann meinen Ermittlern gar nicht genug danken!“
  • Für die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe scheint der Hagener Fall dennoch eine Nummer zu klein zu sein. Jedenfalls hat sie die Ermittlungen bislang nicht an sich gezogen.