Hagen. Weil er keine Corona-Maske trägt, wird Alessandro Sechi von Ordnungsamts-Mitarbeitern verfolgt. Sie schlagen ihn und brechen ihm die Nase.

Das Ordnungsamt kommt nicht aus den Schlagzeilen heraus. Zwei Mitarbeiter der Behörde an der Böhmerstraße standen Freitagmittag wegen Körperverletzung im Amt vor Gericht. Einem Schüler (17) war die Nase gebrochen worden, weil er keine Corona-Maske trug.

Für die beiden Angeklagten war es offensichtlich ein sehr unangenehmer Strafprozess, den sie möglichst schnell, ohne eine Beweisaufnahme mit Zeugen, vor allem aber ohne großes Aufsehen, hinter sich bringen wollten. Sichtlich nervös beratschlagten sich die beiden Amtsmitarbeiter mit ihren beiden Verteidigern vorab auf dem Gerichtsflur. Und dann blieb erstmal die Tür zu Saal 363 zu: Unter Ausschluss der Öffentlichkeit fand zunächst ein Rechtsgespräch statt.

Solche Absprachen unter den am Verfahren beteiligten Juristen sind - auch wenn ihnen in der Öffentlichkeit der zweifelhafte Ruf der Kungelei anhaftet – rechtlich völlig legal. So stand schon vor Beginn der eigentlichen Verhandlung fest, wie das unangenehme Verfahren möglichst geräuschlos beendet werden sollte: Die beiden Ordnungsamtsmänner werden sich bei dem 17-Jährigen öffentlich entschuldigen und zusammen 2000 Euro Geldauflage an ihn zahlen. Dann wird das Verfahren gegen beide Angeklagten eingestellt. Alle stimmten zu – auch der betroffene Schüler war damit einverstanden.

Verfolgungsjagd durch die Innenstadt

Der angehende Abiturient Alessandro Sechi erinnert sich: Es war der 19. Januar, ein Dienstag, gegen 18.50 Uhr abends. In einer Gruppe von etwa zehn Jugendlichen hielt er sich vor der Rathaus-Galerie auf. Einige trugen, trotz damaliger Maskenpflicht, keine Corona-Schutz-Masken. Plötzlich näherte sich eine Streife des Ordnungsamtes. Die Gruppe stob auseinander, die Jugendlichen liefen weg. Die städtischen Mitarbeiter hinterher.

Drei Mitarbeiter des Ordnungsamtes verfolgten den flüchtenden Schüler Alessandro quer durch die Hagener Innenstadt, davon zwei zu Fuß, ein weiterer mit einem Pritschenwagen der „Waste Watchers“. Am Museumsvorplatz wurde Alessandro Sechi gestellt. Er bekam von dem jüngeren angeklagten Ordnungsamtsmitarbeiter (43) mit der flachen Hand einen heftigen Schlag ins Gesicht verpasst. Mit den Worten: „Das ist dafür, dass ich hinter Dir herlaufen musste.“

Der Schüler (17) muss nach der Fraktur bald erneut operiert werden.
Der Schüler (17) muss nach der Fraktur bald erneut operiert werden. © Alex Talash | Alex Talash

Dann wurde der 17-Jährige vom zweiten Angeklagten (51), einem Mann von stabil-bulliger Statur, im Nacken ergriffen und zum Pritschenwagen, der an der Marienstraße abgestellt war, abgeführt. Dort fixierte er die Hände des Jugendlichen, der sich nicht wehrte, auf dem Rücken, stellte ihn vor das Fahrzeug und drückte ihn mehrfach so heftig dagegen, bis Blut spritzte und dem Schüler das Nasenbein brach. Dann sagte der Mann vom Ordnungsamt: „Jetzt kannst du dich verpissen.“

Angeklagte zeigen Reue

Im Gerichtssaal zeigten beide Angeklagten - wie vorab besprochen - gegenüber dem Opfer Reue: „Ich möchte mich entschuldigen. Es ist aus dem Ruder gelaufen, sollte so nicht sein.“ Der jüngere Angeklagte, der dem Schüler ins Gesicht geschlagen hatte, wird an diesen 500 Euro zahlen. Der ältere Angeklagte, der dem Schüler das Nasenbein brach, muss 1500 Euro an den Geschädigten zahlen. Für Alessandro Sechi sicherlich nur ein kleiner Trost: Er wird aufgrund des rabiaten Vorfalls demnächst das zweite Mal an seiner Nase operiert werden müssen.

Der Anwalt des Geschädigten, Philippos Botsaris: „Opfer einer Gewalttat zu werden, ist schon einschneidend. Doch umso dramatischer ist es, wenn die Gewalt von einem Uniformträger ausgeht.“ Amtsrichterin Sandra Reuker zum geschädigten Schüler „Mir ist wichtig, dass Sie das Gefühl haben, dass so ein Vorfall nicht einfach so im Sande verläuft.“