Hagen. Wegen Korruptionsverdachts ermittelt die Staatsanwaltschaft Hagen nach Eskapaden eines Ordnungsamt-Mitarbeiters im Prostituierten-Milieu.
Dieser bisher intern gehaltene Vorfall aus dem Hagener Ordnungsamt wird hohe Wellen schlagen: Es geht um Verstrickungen eines städtischen Mitarbeiters ins Rotlicht-Milieu, um dienstliche und private Interessen an einer Prostituierten und um die mögliche Veruntreuung von mehreren tausend Euro – vorab kassierte Corona-Bußgelder. Der beschuldigte Ordnungshüter wurde fristlos gefeuert. Die Stadt Hagen hat das Landeskriminalamt eingeschaltet.
Als es im vergangenen Lockdown zur Hauptaufgabe wurde, die hohen Inzidenzwerte in Hagen mit geballtem Einsatz zu senken, kamen uniformierte Außendienstmitarbeiter des Ordnungsamtes auf einen kreativen Einfall: Im Rahmen der Kontrollen nach der Corona-Schutzverordnung könnte man sich doch auch mal speziell um jene Damen kümmern, die aus Hagener Privatwohnungen heraus immer noch illegal ihre Liebesdienste anböten. Gegen gezielte Kontrollen im horizontalen Gewerbe erhob die Amtsleitung keinerlei Einwendungen.
Dienstlich auf Sex-Portalen
Nun konnten die männlichen Außendienst-Mitarbeiter während ihrer Dienstzeit höchst offiziell auf einschlägigen Internet-Portalen surfen. Getarnt als zahlungswillige Freier, vereinbarten sie telefonisch mit den Dirnen Termine. Ein Mittzwanziger vom Amt soll sich dabei als „besonders diensteifrig“ hervorgetan haben. Am Tag vor Heiligabend war er mit seinem Kollegen zu einem amtlich initiierten Sex-Date in einem Privat-Bordell am Hauptbahnhof verabredet. Gleich zwei leicht bekleidete Frauen aus Osteuropa öffneten ahnungslos ihre Türen. Sie wurden von den beiden Kontrolleuren, die unerwartet ihren Dienstausweis zückten, auf frischer Tat gestellt. Eine der beiden Rumäninnen musste ihr gesamtes Bargeld herausgeben. Von der anderen wurde ersatzweise das Handy eingezogen.
Solche ordnungsbehördlichen Maßnahmen sind legal. Von Personen, die in Deutschland keine Meldeadresse haben, darf das Amt als Vorauszahlung auf ein späteres Bußgeld „Sicherheitsleistungen“ verlangen und direkt einbehalten. Diese von den Außendienst-Mitarbeitern vor Ort einkassierten Bargeldbeträge – es können schon mal zweitausend Euro sein - müssen quittiert und selbstverständlich in der Behörde abgeliefert werden.
Die Krux: Das amtliche Formular „Niederschrift über eine Sicherheitsleistung“, das die Ordnungsamtsmitarbeiter vor Ort als Quittung herausgeben und ihrer später noch zu schreibenden Sachverhaltsdarstellung hinzufügen müssen, ist nicht individuell durchnummeriert und im Amt beliebig verfügbar. Somit besteht keine Kontrolle darüber, wie viele Quittungen die Mitarbeiter draußen herausgegeben und erst recht nicht, wie viel Geld sie eingenommen haben. „Das läuft alles auf Vertrauen“, berichtet ein Insider. Ein Aspekt, der noch relevant werden sollte.
In den Fängen von „Michaela“
Bei besagter Kontrolle geriet der Amtmann offenbar innerlich völlig außer Kontrolle: Er war scharf auf die rothaarige „Michaela“ (23), die sich in ihrem Profil als „schöne Lady voller Lust auf guten Sex“ anpreist. Der inzwischen von Seiten der Stadt erhobene Vorwurf: Um mit dem begehrten Freudenmädchen auch außerdienstlich in Kontakt zu kommen, hätte er sie in der Folgezeit über WhatsApp behelligt und unter Druck gesetzt. Sinngemäß so: Sollte sie nicht auf seine Forderungen eingehen, würde sie ihren amtlich eingezogenen Pass nicht zurückbekommen.
Ein Fall für das LKA
Die Stadt hat den Vorgang an die „Korruptionsabteilung“ des LKA weitergeleitet. Von dort wurde auch die Staatsanwaltschaft Hagen eingeschaltet, bestätigt Oberstaatsanwalt Dr. Gerhard Pauli, „wir haben ein Ermittlungsverfahren gegen den Hauptbeschuldigten eingeleitet.“Die Stadt hat am 23. Juni die fristlose Kündigung und hilfsweise die fristgerechte Kündigung zum 30. September ausgesprochen. Ein Gütetermin vor dem Arbeitsgericht ist bereits anberaumt.Stadtsprecher Thomas Bleicher: „Es handelt sich um ein laufendes Verfahren. Wir werden diese Dinge weder bestätigen, noch kommentieren oder dementieren.“
In den Monaten zwischen Januar und Mai ist der städtische Bedienstete tatsächlich mehrmals als Kunde bei „Michaela“ gewesen und habe die erotischen Dienstleistungen stets korrekt bezahlt, beteuert er im persönlichen Gespräch: „Was ich in meiner Freizeit mache, geht niemanden im Amt was an.“
Wohl aber, was er in seiner Dienstzeit macht. Da war er am Samstag, den 5. Juni, mit einem Kollegen mal wieder „in Sachen Rotlicht“ unterwegs. Diesmal ging es um illegale Prostitutionsausübung in einer Wohnung am Märkischen Ring. „Als uns die Tür geöffnet wurde, war ich total baff“, berichtet der Mittzwanziger freimütig, „da stand Michaela vor mir.“ In dieser pikanten Situation war er nicht mehr der heimliche Freier, sondern wieder ganz der scheinbar penible Kontrolleur vom Amt: Er knöpfte seiner rothaarigen Liebesdame stolze 2000 Euro ab und händigte ihr das belanglose Amtsformular als Quittung aus.
Verhängnisvolle Nachrichten
Dieser Vorfall sollte noch schwerwiegende Folgen haben. Zwei Tage später, am Montag, 7. Juni, schaltete „Michaela“ ihren Anwalt ein. Der erschien prompt vor dem Schreibtisch des Amtsleiters, legte diesem die eindeutigen WhatsApp-Nachrichten seines Mitarbeiters mit der Prostituierten vor und forderte die vor Ort abkassierten 2000 Euro zurück. Denn bereits aus der ersten Kontrolle vor Weihnachten sei nie ein Bußgeldbescheid hervorgegangen. Noch am Nachmittag wurde der Kontrolleur ins Ordnungsamt zitiert und mit sofortiger Wirkung vom Dienst freigestellt.
Er musste seinen Dienstausweis, seine Schlüssel abgeben und seine Uniform ausziehen: In der Jackeninnentasche steckten 1000 Euro in bar. Bei der späteren Durchsuchung des Dienstspinds wurden sieben Handys aufgefunden, die offenbar von Prostituierten als „Sicherheitsleistungen“ einkassiert worden waren sowie 21 Briefumschläge, mit Quittungen und 9000 Euro. Nach Rekonstruktionen der Stadt hätten es jedoch mehr als 23.000 Euro sein müssen. „Ich bin völlig unschuldig“, erklärte der Betroffene gegenüber dieser Zeitung, „die Vorgänge waren überwiegend nicht abgeschlossen und noch in meiner Bearbeitung.“