Haspe. Durch das Absterben der Fichtenbestände in der Region wird das Leben für die Waldameisen komplizierter. Am Forsthaus Kurk wird gegengesteuert.

In einem blauen Eimer sitzt die Königin. Sie ist die lenkende Instanz. Ihr Volk, zumindest für gut 40 Minuten Fahrtzeit von Velbert nach Hagen führungslos, zieht mit ihr um – aufgeteilt auf große Altpapiertonnen. „Wir versetzen zwei Waldameisen-Nester zum Forsthaus Kurk“, sagt Ruven Filmar vom Wirtschaftsbetrieb Hagen (WBH). „In Zusammenarbeit mit dem Waldpädagogischen Zentrum wollen wir das Formikarium, das seit circa drei Jahren leer steht, wiederbeleben und dort eine Möglichkeit für Familien, Kinder oder Schulklassen bieten, die Natur kennenzulernen, zu erleben und zu verstehen.“

Um 6 Uhr morgens fahren die Mitarbeiter vom WBH gemeinsam mit Jörg Tysarik (Ameisenwarte NRW) nach Velbert, um die zwei Nester in einer Kleingartenanlage auszuheben. Sie stören dort. Die rund 30.000 Ameisen sollen deswegen in Hagen ein neues Zuhause finden – besser gesagt: es sich im Formikarium selbst bauen.

Völker mit mehreren Königinnen

Waldretter-Aktion in Hagen

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    Die Altpapiertonnen sind voll mit Bausteinen der Nester, die übrigens problemlos zusammengeführt werden können. „Sie bilden eine Kolonie. Es gibt durchaus Ameisenarten, bei denen das ein Problem ist. Bei diesen hier – den kahlrückigen Waldameisen (Polyctena) – aber nicht, sie rivalisieren nicht und haben oft auch mehrere Königinnen“, sagt Jörg Tysarik. Die WBH-Mitarbeiter haben in dem Nest dieses Mal nur eine gefunden. Sie bezieht als Erste die neue Behausung.

    Das Nest mit der Ameisen-Königin befindet sich im hinteren Teil des Formikariums. Über eine Brücke gelangt ihr Volk zu ihr.
    Das Nest mit der Ameisen-Königin befindet sich im hinteren Teil des Formikariums. Über eine Brücke gelangt ihr Volk zu ihr. © WP | Michael Kleinrensing

    Das Formikarium besteht aus zwei großen, durchsichtigen Kästen und einer „Brücke“ in der Mitte, die diese miteinander verbindet und für die Ameisen als Laufweg dient. Im hinteren Kasten befindet sich das Nest – mit der Königin. „Der vordere Teil kann als Laufmöglichkeit und Fütterungsort verstanden werden“, erklärt Filmar, der mit einer Schaufel die Erde verteilt. In der Mitte befindet sich ein Loch. Dort hinein kommt neben der Erde auch der Wurzelstock, der etwas hinausragt. Weitere Holzstücke werden verteilt. „Die Ameisen werden sich ihr Nest dann drumherum bauen. Das geht schnell und ist sehr beeindruckend“, sagt Jörg Tysarik.

    Normalerweise versetzt man solche Ameisennester nicht einfach so. „Nur, wenn sie beispielsweise im Weg sind oder stören oder aber der Standort bedroht ist.“ Bedroht werden die Ameisenvölker durch das Fichtensterben in Folge der trockenen Sommer und des Borkenkäfer-Befalls. Nicht nur, weil Ameisen Fichtennadeln für den Nestbau nutzen, sondern vor allem auch durch die riesigen Freiflächen, die in den Wäldern durch die Fällarbeiten und den Abtransport des Kalamitätsholzes entstehen. „Teilweise finden die Völker keine Nahrung oder Baumaterial mehr im Umkreis von mehreren hundert Metern“, erklärt Tysarik, der auch betont, dass gleichermaßen Ahorn, Linde, Eiche oder Kiefer wichtige Bäume für die Populationen sind.

    Pflanzenvielfalt rund um die Nester

    Mitmachen und Waldretter werden

    Mit der Aktion „Waldretter“ will unsere Zeitung einen Beitrag leisten, um die von Borkenkäfer und Windwurf zerstörten Flächen wieder zu bewalden.

    Unsere Zeitung beteiligt sich auch finanziell an der Aktion. Für jeden neuen Leser pflanzen wir einen Baum in der Region. Der Verlag hat zugesagt, mindestens 1500 Bäume zu spenden. Für Leser, die einen neuen Leser werben, gibt es ein besonderes Angebot unter aufforsten

    Wir laden alle ein, sich an der Wiederaufforstung von Südwestfalen zu beteiligen und selbst Waldretter zu werden. Das geht auf diverse Art und Weise: Eine Baumspende ist ab einem Betrag von 5 Euro möglich. Dafür wird die Fläche gerodet und hergerichtet, ein Setzling gepflanzt und gepflegt. Ab einem Betrag von 50 Euro, also ab 10 Baumspenden, wird auf Wunsch eine Spendenquittung ausgestellt. Natürlich wählt jeder Spender selbst aus, in welchem Bereich gepflanzt werden soll. Hier geht’s zur Spende: waldretter

    Baumpate werden: Da die Wiederaufforstung eine Generationenaufgabe ist, kann man auch Baumpate werden. Für monatlich 10 Euro wird der Spender Pate einer 50 Quadratmeter großen Waldfläche, um für eine kontinuierliche Wiederaufforstung zu sorgen. Wer 19 Euro monatlich spenden möchte, wird Pate von 100m2 Mischwald. Details: waldlokal.com/waldretter-projekt

    Direktspenden sind möglich an: WaldLokal gGmbh; IBAN: DE79 4145 0075 0000 0283 57; Verwendungszweck: Waldretter/ und Ort der Aufforstung.

    „Die Ameisen holen zum Teil Insekten von den Bäumen runter, die dort Schaden anrichten, sie tragen aber auch Pflanzen-Samen weiter“, erklärt der Ameisen-Experte. Dadurch, dass die Samen im Umkreis des Nestes landen, ist um das Nest herum meistens eine große Pflanzenvielfalt zu finden. „Rehe liegen deswegen besonders gerne in solchen Bereichen, da macht ihnen auch das große Krabbeln nichts“, sagt Tysarik und lacht. Gleichermaßen dienen die Ameisen vielen anderen Tieren als willkommene Futterquelle – der klassische Kreislauf der Natur eben.

    Versetzt wurde das Nest übrigens nicht einfach so – dafür war eine Genehmigung notwendig. „Das muss alles fachmännisch und artgerecht erledigt werden“, weiß WBH-Mann Ruven Filmar. Am Forsthaus Kurk jedenfalls scheinen die Ameisen sich schnell wohlzufühlen: Kaum wieder in Freiheit, beginnen die fleißigen Arbeiterinnen bereits, die Eier in Richtung Nest und Königin zu transportieren.