Dahl. Nach der Flut-Katastrophe richtet sich der Blick in Dahl nach vorn. Gespräche auf einem Wochenmarkt über Zuversicht und Dorfzusammenhalt.

Das Wasser ist weg, die Normalität versucht, sich ihren Weg zurück in das Dorf zu bahnen. Gestern scheint die Sonne über Dahl. Kaum zu glauben, dass vor 16 Tagen die größte Naturkatastrophe der vergangenen Jahrzehnte den Ortsteil heimgesucht und an vielen Stellen zerstört hat. „Aber das hier“, sagt Ilka Flötke, guckt über den Platz und deutet auf die Menschenschlangen vor den Markt-Wagen, „ja, das hier fühlt sich nach Hoffnung an. Es geht nach vorn.“

Mauern, Planken und Asphalt weggewischt wie Kreide von der Tafel

Dichtes Gedränge vor den Wagen auf dem Dahler Wochenmarkt.
Dichtes Gedränge vor den Wagen auf dem Dahler Wochenmarkt. © Unbekannt | Michael Kleinrensing

Ilka Flötke ist ein Dahler Mädchen. Hier geboren, hier aufgewachsen, hier verwurzelt. Sie lebt, welch Ironie angesichts der Viertelbeschreibung, im Hoffnungstal. Vor 17 Tagen hatten sie und ihr Mann die Unwetterwarnung auf ihren Smartphones gelesen. Da dachten sie noch, es werde nicht so schlimm. Dann jagten 211 Liter Wasser pro Quadratmeter über Hagen vom Himmel, und die Volme in Dahl wurde von einem kniehohen Fluss zu einer Flutwelle, die Autos auf der Dahler Straße begrub und wegschwimmen ließ. Die Zerstörungen sind entlang des Ufers sichtbar. Mauern, Planken und Asphalt weggewischt wie Kreide von der Tafel.

Der Tag gestern war deshalb ein besonderer für viele, viele Dahler. Denn kurzerhand war, was es in Dahl eigentlich gar nicht gibt, ein Wochenmarkt aus dem Boden gestampft worden. Sechs Wagen. Käse, Wurst, Fleisch, Brot – das Wesentliche. Davor: meterlange Warteschlangen und Gespräche, die nur ein Thema kannten. Die Flut, immer wieder die Flut.

In der kommenden Woche wird es einen Fischwagen vor der Bürgerhalle geben

Den Edeka-Markt am Ortseingang hat es erwischt. Aktuell geschlossen. Die Grundversorgung liegt brach. „Da war unkomplizierte und schnelle Hilfe wichtig, und wir sind froh, dass die Händler so spontan mitgemacht haben“, sagt Alexander Frye, Hagens Marktmeister. Er staunte gestern über die Resonanz und kündigte für nächste Woche, wieder Donnerstag 15 bis 18 Uhr, noch einen Fischwagen an.

Gelände ist nicht städtisch: Bürgerhalle macht Markt spontan möglich

Eigentlich hat Dahl keinen Markt. Nicht vorgesehen. Wobei das komisch ist, denn der Hagener Süden, nicht mal Eilpe, hat einen Wochenmarkt. Ob in Dahl, wo auch viele Prioreier und Rummenohler hinkommen, also einer etabliert werden kann?

„Mal sehen“, sagt Alex Frye. Das Gelände vor der Bürgerhalle ist nicht städtisch. Dass hier gestern alles so unkompliziert laufen konnte, ist der Trägergemeinschaft der Bürgerhalle Dahl zu verdanken. Die hat es übrigens auch getroffen. Sie ist noch geschlossen.

Einer der meistgehörten Sätze: „Hier geht es zu wie beim Bauernmarkt“

Bäckermeister Sebastian Kamm war auch mit einem Wagen auf dem Markt vertreten.
Bäckermeister Sebastian Kamm war auch mit einem Wagen auf dem Markt vertreten. © Unbekannt | Michael Kleinrensing

Ilka Flötke, die man repräsentativ als Seismograph für die Gefühlslage der Menschen an diesem sonnigen Nachmittag heranziehen kann, sagt: „Alles birgt eine Chance. Vielleicht zeigt die Not jetzt, dass auch ein Wochenmarkt Dahl gut tun könnte.“ Die Menschen würden es mögen hier. Einer der meistgehörten Sätze gestern: „Hier geht es zu wie beim Bauernmarkt.“

Ein Dahler und eine Dahlerin nach der anderen strömen auf den Platz. Auch Claudia Leppler. „Die Dankbarkeit im Ort ist riesig“, sagt sie. Dankbarkeit darüber, das vielleicht Schlimmste überstanden zu haben. Darüber, dass nach der Flutwelle die Welle der Hilfsbereitschaft folgte. Thomas Lichtenberg, Chef des Ordnungsamtes, lebt auch hier und ist an diesem Tag auf dem Markt. Er deutet auf einen jungen Mann, dem die Volme-Flut das Haus zerstört hat. „Er ist danach jeden Tag bei anderen Betroffenen helfen gewesen“, sagt Lichtenberg. In die Dankbarkeit mischt sich der Stolz. Eben darüber wie ein gerade mal 5000 Einwohner großer Ortsteil seinem Desaster die Stirn geboten hat. Mit Spendenaktionen, Nachbarschaftshilfen, stundenlanger Maloche. Das Volmetal kannte man plötzlich in ganz Deutschland. Nicht nur als Katastrophen-Gebiet, sondern auch als Ort des Zusammenhalts.

„Das hat die Leute hier noch mal näher zusammengebracht“

Janina Funk ist 29 Jahre alt, Mutter zweier Kinder. „Das hat die Leute hier noch mal mehr zusammengebracht“, sagt sie. Ein neues Miteinander sei da. Die Flutschäden werden noch monatelang weggearbeitet werden müssen, aber die Dahler haben sich.

Im Ortskern gibt es einen Frisörladen, den es schwer getroffen hat. Über dem Schutt prangt der Ladenschriftzug: „Carpe diem“ – lebe den Tag. Das haben sie getan gestern in Dahl. Es sollen mehr Tage davon werden. Es geht langsam nach vorn.