Hagen. Ein Blick auf den Wohnungsmarkt: In Hagen fehlt es an barrierefreiem Wohnraum und Sozialwohnungen. Das könnte in Zukunft zum Problem werden.

Hohe Leerstandsquoten, ein veralteter Wohnungsbestand, geringe Baufertigstellungsraten, vor allem aber ein drastisches Versorgungsdefizit mit Blick auf Seniorenwohnungen und Sozialwohnungen – mit Blick auf das Thema Wohnen weist Hagen eine vielfältige Problemlage auf. Das Handlungskonzept Wohnen der Stadt macht klar: Zwar können die Grundstücksbedarfe in den kommenden Jahren durch die ausgewiesenen Neubaugebiete größtenteils gedeckt werden, aber gerade die Themen seniorengerechtes Wohnen und Sozialwohnungsbau bereiten Sorgen.

5680 Wohnungen fehlen

Auf diese Probleme hatte zuletzt auch das Pestel-Institut (Hannover) hingewiesen. Bei den Seniorenwohnungen treffe ein geringes Angebot auf einen hohen Bedarf: „Aktuell ist für Hagen von rund 6500 Haushalten auszugehen, in denen Senioren leben, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. Ältere Menschen also, für die eine mindestens barrierearme Wohnung die Voraussetzung für ein möglichst langes eigenständiges Wohnen ist. Aktuell fehlen in Hagen mehr als 5000 Seniorenwohnungen“, rechnet Leiter Matthias Günther vor.

Auch die Zahlen der Stadt zeigen, dass Handlungsbedarf besteht: 2018 gab es in Hagen 1670 umfassend barrierearme Wohnungen. Das sind nur 1,6 Prozent des Wohnungsbestandes. In Hagen gibt es somit ein Versorgungsdefizit von mindestens 5680 Wohnungen. Aus den Ergebnissen der Mietspiegelerhebung (Erhebung des Gutachterausschusses) geht zudem hervor, dass sich ein Großteil (81 Prozent) in Gebäuden mit vier bis zwölf Wohnungen befindet. Davon verfügen nur etwa 6 Prozent über einen Aufzug – und sind barrierearm erreichbar.

Die Versorgungslücke wird vor allem mit Blick auf die Bevölkerungsprognose ein Problem: Für Hagen wird ein Bevölkerungsrückgang von 2 bis 4 Prozent bis 2040 prognostiziert (IT.NRW). Während in den jüngeren Gruppen (unter 18 -3,7 %; 18 bis 25 - 0,7 %; 26 bis 44 - 8,7 % sowie 45 bis 64 -19,1 %) ein Rückgang zu erwarten ist, zeichnet sich mit Blick auf die älteren Gruppen eine andere Entwicklung ab: Die Gruppe 60- bis 80-Jährigen wird voraussichtlich um 17,9 Prozent zunehmen. Eine starke Zunahme wird auch für die Altersgruppe der Ü-80-Jährigen prognostiziert (+16,2 Prozent).

Mieter-Gütesiegel gefordert

Matthias Günther spricht von einem „Doppelschock für Mieter“, die älter werden: „Genug Geld fürs Wohnen und eine altersgerechte Wohnung – das sind die Punkte, an die jeder Mieter frühzeitig denken sollte“, so Günther. Der Leiter des Pestel-Instituts macht sich für die Schaffung des ersten Mieter-Gütesiegels stark: „Mein Fair-Mieter“ ist ein Label, das nur Vermieter bekommen, die strikte Kriterien einhalten. Allen voran eine bezahlbare Miete (Nettokaltmiete 7 Euro pro Quadratmeter). Ein weiterer Aspekt sei die Zahl der Wohnungen, die keine/möglichst wenige Barrieren haben.

Auch die Sozialdemokraten fordern aktuell eine Offensive für starken und bezahlbaren Wohnungsbau, um mehr mietpreisgebundenen Wohnraum zu schaffen. „In NRW schrumpft der Wohnraum, den Normalverdienende bezahlen können“, sagt der Landtagsabgeordnete Wolfgang Jörg. Das führe zu einer finanziellen Überlastung von Haushalten mit geringem Einkommen. Als überlastet gilt dabei, wer mehr als 30 Prozent seines verfügbaren Haushaltseinkommens für die Miete aufwenden muss.

In Hagen treffe das einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung zufolge auf 43,09 Prozent der Miethaushalte zu. Und selbst wenn alle Miethaushalte auf Wohnungen mit angemessener Größe und Preis verteilt werden würden, würden immer noch zu viele Wohnungen fehlen: In Hagen 10.719. Jörg beschreibt die Situation in seiner Stadt: „Wir haben viele Schrottimobilien. Da sind die Mieten im Keller. Bei uns mangelt es an gutem, barrierefreien und gut bezahlbarem Wohnraum.“