Hagen. Der Mauersegler ist oft ein Verlierer der energetischen Sanierung von Immobilien. Die Biologische Station Hagen hat ein Schutzprogramm aufgelegt.

Der Mauersegler ist ein Wunder der Natur. Er fliegt immerzu. Schläft im Fliegen, frisst im Fliegen, paart sich im Fliegen. Fliegt und fliegt. „Im Grunde fliegt er sein ganzes Leben lang“, sagt Franco Cassese von der Biologischen Station Hagen: „Seine Evolution ist ausgereizt. Ein faszinierender Vogel.“

Doch ausgerechnet der Mauersegler hat seine Existenz auf Gedeih und Verderb dem Menschen ausgeliefert. Ursprünglich ein Felsbrüter, benötigt er für die Aufzucht seiner Jungen – die letzte Tätigkeit, die er noch nicht in die Luft verlegt hat – Hohlräume, Ritzen und Nischen in Hausfassaden. „Denn zumindest in Nordrhein-Westfalen findet der Vogel keine natürlichen Brutplätze mehr“, sagt Cassese.

Die Sorgen der Hausbesitzer

Der Hausbesitzer von heute aber hat ganz andere Sorgen. Energetische Sanierung heißt das Zauberwortpaar, das die Herzen von Klimaschützern höher schlagen lässt. Gedämmte Hausfassade senken den Energieverbrauch, lohnen sich sowohl für die Haushaltskasse als auch für die Umwelt.

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Doch hat dieses Klimaschutzprogramm auch Verlierer, und die sind ausgerechnet ein Teil der Natur, die man doch bewahren will: Fledermäuse, Mauersegler und andere Singvögel, die an den erneuerten Außenseiten der Gebäude keinen Unterschlupf und somit keinen Brutplatz mehr finden. „Das bedeutet eine massive Gefahr für diese Arten“, berichtet Cassese.

Landesregierung unterstützt Hagener Engagement

Die Naturschützer aus Haus Busch an der Feldmühlenstraße haben deshalb das Programm „Ein Platz für Spatz & Co.“ ins Leben gerufen, um bei Bau- und Sanierungsarbeiten den Bedürfnissen der Tiere Rechnung zu tragen. Vor elf Jahren wurden an einem Haus in der Freiligrathstraße die ersten Nistkästen für Mauersegler angebracht, seitdem kann man die pfeilschnellen Flieger dort während der Sommermonate bei ihrem halsbrecherischen An- und Abflug beobachten.

Doch das kleine Hagener Projekt hat sich im Laufe der Zeit zu einer landesweiten Erfolgsgeschichte ausgewachsen. Mit finanzieller Unterstützung der Landesregierung ist Cassese Jahr für Jahr in ganz Nordrhein-Westfalen unterwegs, um sanierungswillige Immobilienbesitzer zu beraten, die bereit sind, Brutplätze zu erhalten bzw. neu zu schaffen. 5000 Nisthilfen wurden mit Unterstützung aus Hagen schon installiert, davon 3820 für den Mauersegler.

Auch Privatleute werden unentgeltlich beraten

In Hagen arbeitet die Biologische Station eng mit den Wohnungsgenossenschaften zusammen, da sie auf diese Weise bei Sanierungen und Neubauten oft ganze Straßenzüge oder Siedlungen mit den Vogelwohnungen ausstatten kann. „Aber auch Privatleute beraten wir gern und unentgeltlich“, so Cassese.

Die Anbringung der Nisthilfen ist in der Regel ein freiwilliges Entgegenkommen des Immobilienbesitzers und muss von diesem auch bezahlt werden. Ein Einzelkasten kostet 60 Euro – Folgekosten entstehen nicht.

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Aufgrund der großen Nachfrage hat die Biologische Station inzwischen eigene Modelle entwickelt. Die Nisthilfen würden dazu beitragen, dass die Vögel eine Zukunft im urban geprägten Raum haben, findet Cassese: „Insofern bietet die energetische Sanierung die einmalige Chance, unsere Gebäudebrüter durch die Anbringung von Nisthilfen einen dauerhaften Platz an unserer Seite zu bieten.“

Spatz bald auf der Roten Liste

Dass das Programm nach dem Spatz benannt ist, hat seinen Grund. Der vermeintliche Allerweltsvogel findet infolge der geänderten Bauweise im Wohnungsneubau und der fugenlosen Wärmedämmung von Altbeständen kaum noch Nistmöglichkeiten.

Die Bestände sind dermaßen eingebrochen, dass der Vogel mittlerweile auf der Vorwarnliste der Roten Liste für vom Aussterben bedrohte Arten gerutscht ist. Unbemerkt ist der Haussperling vielerorts verschwunden. Das Projekt aus Hagen kann dazu beitragen, neben dem Mauersegler auch diesem kleinen Vogel Lebensraum in Dörfern und Städten zurückgeben.