Hagen. Museen in Hagen sind in der Corona-Zeit geschlossen. Kunst kann man aber anders erleben. Zum Beispiel bei einem Rundgang durch Wehringhausen.

Vielleicht ist das hier sogar ein bisschen kitschig. Also bitte: Wer hat sich das ausgedacht? Eine steife Brise weht an diesem Tag durch die Augustastraße. Augen zu und träumen: das Schreien der Möwen, der salzige Geschmack auf den Lippen, Sand zwischen den Füßen. Augen auf – und der Blick fällt auf dieses Bild: Strand, Meer, Weite. Zwei Kinder von hinten, weiße Wölkchen, die einen blauen Himmel auflockern. Schaumkronen tanzen auf den Wellen.

Umrahmt wird dieses Fenster in eine andere Welt von einer grauen Mauer. Von einem typischen Hof in Hagen, der sich dahinter befindet. Von hohen Häusern, die allesamt um die Jahrhundertwende gebaut worden sind. Einige fein rausgeputzt. Andere – der Euphemismus sei in der Welt der Kunst gestattet – haben sich ihren ursprünglichen Charme vollends bewahrt. Seit Jahren hat kein Pinsel mehr die Fassade gestreichelt.

Ein Meer in der Häuserschlucht

Andrea Zappe hat hier gewirkt. Hat gepinselt. Hat diesen Strand, dieses Meer geschaffen, unter dem ein Kunstbanause und Umweltferkel achtlos eine Milchtüte weggeworfen hat. Sie hat es geschaffen mitten in dieser für den Stadtteil so typischen Häuserschlucht, in der zu oft graue Tristesse dominiert.

Weil Wehringhausen auch ein kreatives, ein junges, ein lebendiges Stück Hagen ist, gibt es hier Raum für Kunst. Für Streetart – für Straßenkunst. Was vielleicht ein bisschen abwertend klingen mag, was aber doch eine ganz neue Bedeutung gewinnt in einer Zeit, in der Galerien und Museen, in denen Werke fein gerahmt an den Wänden hängen, geschlossen sind.

Corona kann die Galerie nicht stoppen

Diese Galerie kann Corona nicht stoppen. Sie befindet sich unter jenem freien Himmel, der auch einen Platz im Kunstwerk von Andrea Zappe an der Augustastraße gefunden hat. Und so könnte es wohl kaum einen besseren Zeitpunkt geben, um den Stadtteil Wehringhausen auch formal zu einem Kunst-Museum zu erklären. Zu einem Open-Air-Kunst-Museum.

Ein Frauenporträt von Martin Bender ziert die Fassade eines Hauses in der Humboldstraße 10,
Ein Frauenporträt von Martin Bender ziert die Fassade eines Hauses in der Humboldstraße 10, © Michael Kleinrensing

„Hello, my Name is Wehringhausen – Straßenkunst und Wandbilder im Quartier“ – so ist ein pinkfarbener Flyer überschrieben, der dieses Museum quasi erschafft, der durch dieses Museum führt und der in Wehringhauser Geschäften – so sie denn geöffnet haben – ausliegen. Den Flyer erschaffen hat die Gruppierung „Liebenswertes Wehringhausen“. Ein Zusammenschluss aus Menschen, die zu diesem besonderen Stadtteil stehen, die mehr aus ihm machen wollen. Wie zum Beispiel Anne Schmunz und Ingemar Dombrowski.

Kunst macht Stadtteil noch attraktiver

„Am Anfang meines Engagements hier im Stadtteil ging es vor allem um das Thema Müll“, so Ingemar Dombrowski, „daraus hat sich dann mehr entwickelt. Ich lebe hier gern – seit 25 Jahren. Die Kunst ist es, die diesen Stadtteil so interessant, schön und noch attraktiver macht.“

So habe es die erste Auflage dieser „Kunst-Karte“ bereits vor vier Jahren gegeben. Seither aber sind immer mehr Werke an Fassaden, an denen zum Teil auch die Wehringhauser selbst mitgewirkt haben, hinzugekommen. „Wir haben mit Klaus Klinger eine Wand gegenüber dem Haus bemalt, in dem Emil Schumacher gelebt und auch gewirkt hat“, sagt Ingemar Dombrowski mit Blick auf den berühmten Künstler, dem die Stadt ein eigenes (derzeit geschlossenes) Museum gewidmet hat. „Jeder, der wollte, konnte mitmachen. Die Menschen sind rausgekommen und haben uns mit Kaffee und Kuchen versorgt. Das hat sich zu einer richtigen Feier entwickelt.“

Das Projekt hat noch viel Potenzial

Die erste Auflage ist vier Jahre alt – höchste Zeit also für Teil zwei. Auch, weil das Wehringhauser Open-Air-Museum seither immer weiter gewachsen ist. Flankiert wird diese Karte mit 29 Stationen durch Führungen, durch Streetart-Rundgänge, die – sobald es die Coronalage wieder erlaubt – wieder aufleben sollen.

Diese Streetart letztlich ist es, die Wehringhausen besonders macht. „In dieser geballten Form gibt es das wohl in keinem anderen Hagener Stadtteil“, sagt Anne Schmunz. „Vieles geht zurück auf das Projekt Urban Heroes. Aber letztlich hat das auch immer wieder Privatleute inspiriert, Künstler mit der Gestaltung von Wänden zu beauftragen. Immer wieder treten auch Menschen an uns heran, die Wände zur Verfügung stellen. Dieses Projekt hat richtig Potenzial. Wir haben noch einiges im Kopf.“