Hagen. . Martin Bender ist ein stiller Typ, der gern beobachtet, wie seine Bilder von der Welt verschwinden. Der 30-Jährige erstellt Wandporträts.

  • Street-Art-Künstler Martin Bender
  • Wandporträts in Berlin, Köln und Hagen
  • Stiller Typ lässt seine Werke sprechen

Die Wand ist sein Endprodukt. Skizzen, die auf Papier oder Leinwand entstehen, sind nur Vorarbeit. Dennoch akzeptiert er nicht nur, dass sein Endprodukt temporär ist, sondern besteht förmlich darauf. Martin Bender ist Street-Art-Künstler und gestaltet Fassaden, die Wind und Wetter ausgesetzt sind. „Ich beobachte gern, wie die Bilder ganz langsam verwittern und von der Welt verschwinden“, sagt Bender. Und ergänzt: „Nichts ist für die Ewigkeit geschaffen. Alles wird irgendwann zerstört oder abgerissen. Das gehört zum Leben dazu.“

Geheimnisvolle Porträts

Martin Bender, diesen Namen hört man in jüngster Zeit immer häufiger. Obwohl der 30-Jährige für seine Arbeit keine Werbetrommel rührt, als Künstler nicht auf allen Hochzeiten tanzt und sich erst Recht nicht als wichtiges Mitglied der Szene sieht. Martin Bender ist leise, introvertiert, spricht wenig. Doch der stille Typ taut auf, wenn man ihm Zeit lässt.

Nicht der Street-Art-Künstler selbst, der seit einem Jahr in Hagen lebt, macht seit einiger Zeit von sich reden, sondern seine Arbeiten, seine geheimnisvollen Porträts. Auf diese stößt man in Berlin, Leipzig, Halle, Köln – und mehr und mehr in Hagen.

Derzeit ist der Einzelgänger – so beschreibt er sich selbst – in Hagen an zwei Wänden aktiv. Auf einem Garagenhof in der Moltkestraße 21 in Wehringhausen und an der Fassade in der Karlstraße 26 in Haspe. In der Karlstraße ist die Künstlergruppe „Kooperative K“ mit ihrer Produktionswerkstatt beheimatet; dort ist Bender schon mal als Gastkünstler anzutreffen.

Ein Sommer in Berlin

Seine Biografie liest sich spannend: Geboren wurde Martin Bender in Kasachstan, als Elfjähriger kam er mit seien Eltern nach Deutschland – nach Gevelsberg. Er besuchte die Gestaltungsschule für Farbtechnik und Raumgestaltung in Wuppertal, begann anschließend ein Studium für Malerei und Grafik in Bochum, „doch nach einem Semester hab’ ich geschmissen, es war mir zu verschult, ich bin lieber Praktiker und als Autodidakt unterwegs“.

Bender verbrachte einen Sommer in Berlin, „ich wollte meinen Wohnsitz dorthin verlegen, aber das Leben dort war mir zu schnell und zu hektisch“. Er besuchte Leipzig – und verliebte sich sofort in die größte Stadt Sachsens.

„Ich war von der Architektur total begeistert. Und von diesen breiten Straßen, von denen aus man immer in den Himmel blicken kann. Das hat mich an meine Heimat erinnert.“ Kasachstan sei geprägt durch Weite – und manchmal durch Steppe und Nichts. Außerdem habe ihn die große alternative Szene in Leipzig angesprochen.

Vier Jahre – von 2011 bis 2015 – lebte Bender in Leipzig. Ein halbes Jahr arbeitete er dort als Plakatierer, doch Wandgestaltungs-Aufträge bekam er hauptsächlich nur in den neuen Bundesländern. Aus privaten Gründen kehrte er im letzten Jahr Leipzig den Rücken, zog zurück nach NRW – nach Hagen.

In Haspe angekommen

In Haspe (In der Hülsche, also hoch über den Dächern der Stadt) sei er „angekommen“, „nach Leipzig, wo ich mitten in der City wohnte, weiß ich, dass ich es ruhig mag“.

Für Aufträge reist er durch die ganze Republik, wie nach Köln, wo er ein riesiges Wandbild mitten in der Innenstadt gestaltet hat. Das sich über vier Stockwerke erstreckende Porträt des kanadischen Musikers Chilly Gonzales ziert die Fassade eines Hostels – und ist Benders Lieblingsarbeit. Wie der 30-Jährige an Aufträge kommt? „Durch Mundpropaganda. Und man sieht meine Arbeiten ja auch im Stadtbild und muss kein Museum aufsuchen. Ich werd’ meist übers Internet angefragt.“

Bender orientiert sich gern an einem roten Faden. Der Titel seiner 2016er-Serie lautet „Litsa“, „das ist russisch und bedeutet Gesichter“. Die Porträts, die im Rahmen dieser Serie entstanden sind und in den kommenden Wochen entstehen, sind durch eine Art Clownsmaske gekennzeichnet. Die Maske, die das Gesicht leicht verfremdet, benutzt Bender als Synonym für eine Fassade, hinter der sich Menschen verstecken.

Auf jedem Porträt – wenn auch versteckt – zu entdecken: eine Fliege, eine Totenfliege, „sie steht für Vergänglichkeit und dafür, dass die menschliche Fassade ebenso leicht bröckeln kann wie eine gemauerte Wand.“

Martin Bender blickt skeptisch auf seine in der Street-Art-Szene hochgelobten Werke: „Ich bin ­immer unzufrieden mit meiner Arbeit. Aber vielleicht muss das auch so sein. Dann bleibe ich aktiv, werde niemals satt.“