Hagen. Wie Einzelhändler versuchen, sich mit „Hagen liefert“ gegen die Corona-Krise zu wehren und warum eine Shopping-Tour zum Erlebnis werden muss.

Die Hagener Einzelhändler stehen verständlicherweise in den Startlöchern und hoffen, dass bald endlich wieder Leben in ihre Geschäfte einkehren wird und sie wieder Umsatz generieren können. Gleichzeitig befürchten einige aber auch eine Verödung der Innenstadt, wenn die Bereiche Handel, Gastronomie und Dienstleistung nicht an einem Strang ziehen, um die Attraktivität der Hagener City zu steigern.

Gleiche Befürchtung spiegelt auch unser Corona-Check wider. Auf die Frage, „Wie groß ist Ihre Sorge bezogen auf eine Verödung der Innenstadt?“ haben die Teilnehmer die Note 3,73 – bezogen auf eine Skala von 1 bis 5 – vergeben.

„Ein Stadtbummel muss sich für die Menschen lohnen; eine Shopping-Tour muss ein Erlebnis sein“, sagt denn auch Wladimir Tisch. Der City-Manager sieht gerade im Erlebnis-Charakter die Chance, eine Verödung der Innenstadt zu verhindern und für den stationären Handel die Chance, gegen den boomenden Onlinehandel zu bestehen. Ein Onlinekauf ist schließlich anonym, und es fehlt die Inspiration“, ergänzt Wladimir Tisch.

Auf die Corona-Check-Frage „Was vermissen Sie besonders?“ haben übrigens nur 17,7 Prozent der Hagener, die sich beteiligt haben, den Punkt „Shopping-Touren“ genannt. Im Vergleich: Treffen mit Familien und Freunden fehlen 83,2 Prozent der Befragten.

Es scheint vielen Leuten also nicht nur um den reinen Einkauf zu gehen. „Das Gesamtkonstrukt muss stimmen“, konkretisiert Tisch und spielt damit auf eine beliebte Mischung aus einkaufen, bummeln, im Freien verweilen und Einkehr in ein Restaurant oder Café an.

Brillen Bahn

Im boomenden Onlinehandel sieht Jutta Brune-Janitzki (Brillen Bahn) durchaus eine Gefahr für den stationären Einzelhandel, „vor allem, da auch jene, die vorher nichts im Netz bestellt haben, es in der Coronazeit gelernt haben, online zu kaufen.“ Allerdings seien sie als Optiker noch in einer halbwegs glücklichen Lage, ergänzt Geschäftsführer Dominik Bahn, „Brillen kann man kaum nach einem Foto online kaufen.“ Augenoptiker sind vom Schließungszwang aufgrund der Pandemie ausgeschlossen, müssen sich jedoch an Abstandsregeln und begrenzte Kundenzahl im Laden halten. „Wir haben für drei Mitarbeiter Kurzarbeit angemeldet. Aufgrund der Unsicherheiten rund um Urlaubsreisen ist das Geschäft mit Sonnenbrillen ins Wasser gefallen. Und Laufkundschaft bleibt ebenfalls aus. Was sollen die Leute denn auch in einer City mit geschlossenen Läden?“, fragt Jutta Brune-Janitzki.

Einen Lieferservice hat Brillen Bahn nicht, „das bietet sich für uns nicht an, unsere Kunden probieren die Brillen bei uns im Laden in Ruhe an. Und wir benötigen häufig beim Anpassen noch Spezialwerkzeug“, so Dominik Bahn.

Hagen liefert

Apropos Lieferservice: Um in der Coronazeit trotz geschlossener Läden und Gastrobetriebe Umsätze zu machen und um im Gedächtnis der Leute zu bleiben, bieten etliche Einzelhändler und Gastronomen einen Lieferdienst an. Die Hagener Citygemeinschaft und die Wirtschaftsförderung Hagen Business haben mit Hilfe einer Agentur im Internet die Seite „Hagen liefert“ erstellen lassen, auf der sich jene Betriebe, die einen Lieferservice anbieten, kostenlos anmelden können.

„Wir wollen mit dieser Plattform den lokalen Handel stärken“, erläutert Wladimir Tisch. Etwa 400 Betriebe machen bei „Hagen liefert“ mit. Die Initiatoren pflegen die Seite, und wenn sich in einem Geschäft oder Restaurant etwas ändert, muss der Betreiber seine Änderungswünsche mitteilen. Die Teilnehmer, so Tischs Eindruck, seien mit der Plattform, die viele Informationen und Kontakte bündele, zufrieden, „wenn es von den Mitmachenden gewünscht ist, wird die Seite auch nach Corona weiterbestehen.“

Wollstudio Rosemann

Auch das Wollstudio Rosemann ist bei „Hagen liefert“ gelistet, „ich verschicke bestellte Ware per Post, allerdings holt ein Großteil meiner Kunden die Ware bei mir an der Ladentür ab“, sagt Inhaberin Monika Rosemann. Von 11 bis 15 Uhr steht sie in der Mittelstraße 15a für „Click & Collect“-Kunden bereit. Auch Monika Rosemann spürt einen deutlichen Umsatzrückgang, „allerdings habe ich den Vorteil, dass ich auch Produkte für die Ausübung von Hobbys verkaufe. Da die Leute derzeit nicht ins Kino oder Theater gehen können, machen sie Strickabende auf der Couch.“ Der Großteil ihrer Kunden kaufe Wolle und Garn nicht im Internet, wo man das Material nicht anfassen kann, sondern bleibe ihr treu, ist sich Rosemann sicher.

Unsere Corona-Check-Frage „Unterstützen Sie die stationären Händler und Gastronomen bewusst?“ zielte in die gleiche Richtung. Und über 80 Prozent der Teilnehmer haben die Frage mit „ja“ beantwortet.

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Schaukelpferdchen

Bianka und Eckhard Schulz vom „Schaukelpferdchen“ in der Kampstraße 15 ist in der letzten Woche ein Stein vom Herzen gefallen, „da haben wir erfahren, dass wir als Versorger für Baby- und Kleinkindbedarf unseren Laden öffnen dürfen.“ Allerdings, schränkt Bianka Schulz ein, müssten sie ihre Flächen, auf denen sie zum Beispiel Spielwaren für ältere Kinder anbieten, absperren­. Daher rennen sich die Schaukelpferdchen-Eigentümer derzeit noch immer die Hacken ab. „Wir laufen durch den Laden, machen­ Fotos von bestimmtem Spielzeug oder bestimmter Kindergarderobe für ältere Kinder und senden­ die Bilder dann per E-Mail oder Whatsapp an den Kunden“, sagt Bianka Schulz.

SIHK hat „Aktionsplan Innenstadt“ aufgestellt

Die Südwestfälische Industrie- und Handelskammer (SIHK) sieht einen dringenden Handlungsbedarf, um gegen eine drohende Verödung der Innenstadt anzugehen und die Fußgängerzone mit mehr Leben zu füllen.

Im Rahmen des „SIHK-Aktionsplan Innenstadt“ werden Aktionen wie Late-Night-Shopping und Sonntagsöffnungen empfohlen. Auch die Außengastronomie soll, so ein Vorschlag, gestärkt werden, unter anderem sollen sich Außenflächen ausweiten können.

Die Regeln für die Nutzung der Einkaufsmeile (zum Beispiel für Promotion-Aktionen) sollen von der Verwaltung großzügiger ausgelegt werden.

Die Betreiber des Fachgeschäftes in der City profitieren­ ­übrigens von der NRW-Förderung für Digitales und planen, in Kürze mit einem Online-Shop an den Start zu gehen.

Was bei den Kunden, die Ware zumindest an der Ladentür abholen können, momentan besonders hoch im Kurs steht? „Spielzeug für draußen wie z. B. Drachen oder Helikopter. Und Puzzle. Wen wundert’s – in der Coronazeit“, sagt Bianka Schulz.