Hagen. In Hagen will SL Naturenergie mehrere fast 200 Meter hohe Windräder bauen. Bürger protestieren. So denken die Grünen über die Projekte.

Das Thema nimmt Fahrt auf. Auf Bundesebene, wo jetzt ein Kohleausstieg bis 2030 diskutiert wird. Aber auch in Hagen, wo es – wie in so vielen Kommunen – darum geht, wie die Energiewende vor Ort umgesetzt wird. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe von Donnerstag, das festlegt, dass im Klimaschutzgesetz keine ausreichenden Vorgaben für die Minderung des CO2-Ausstoßes hinterlegt sind, nehmen auch die Hagener Grünen zum Anlass, um in der Diskussion um Windenergieanlagen ihre Position zu untermauern. Über die Projekte sprachen wir mit dem Umweltausschuss-Vorsitzenden Rüdiger Ludwig und seinem Vorgänger Hans-Georg Panzer.

In Hagen wehren sich Anwohner gegen Windenergieanlagen. Die Grünen machen nicht den Eindruck, als stünden sie an deren Seite...

Hans-Georg Panzer: Wir verstehen, dass Menschen solche Vorhaben kritisch sehen. Im Kern geht es aber um eine größere Abwägung. Die Richter in Karlsruhe haben durch ihr Urteil die Bedeutung der Energiewende unterstrichen. Das aber tritt bei den Diskussionen in Hagen völlig in den Hintergrund. Die Bedeutung, die die Anlagen für die Energiewende haben, wird nicht ansatzweise in Rechnung gestellt. Erst die Energiewende wird die Energie-Erzeugung nachhaltig und zukunftsfähig machen. Hier stehen wir alle bei künftigen Generationen im Wort.


Aber dafür ignorieren Sie Bedenken der Anwohner, oder?

Panzer: Noch einmal ganz deutlich: Wir brauchen Wind- und Sonnenenergie als Brückentechnologien der Energiewende. Daran führt kein Weg vorbei. Und das können wir auch in Hagen nicht wegdiskutieren. Da hilft es auch wenig, wenn ich mich als Politiker hinstelle und möglicherweise Betroffenen nach dem Mund rede. In Veserde bekämpft die Stadt sogar Windräder auf auf dem Gebiet einer Nachbargemeinde. Dieses Vorhaben steht auf tönernen Füßen.

Rüdiger Ludwig: Wir haben nur die Alternativen Wind und Sonne. Wer da das Thema Windenergie kategorisch ausschließt, denkt zu kurz.

Panzer: Die Politik muss dieses Thema endlich rational sehen. Wir reden hier in Summe über 15 bis 20 Anlagen, rund 0,5 Prozent des Stadtgebietes. Da kann mir niemand etwas von einer Verspargelung der Landschaft erzählen. Und trotzdem werden immer wieder dieselben Säue durchs Dorf getrieben.


Aber die Grünen sind doch die Partei, die sich immer wieder für Bürgerbeteiligung stark macht...

Panzer: Bürgerbeteiligung in Hagen muss klar besser werden. Beim Thema Höchstspannungsleitung sieht man, dass ein runder Tisch Sinn machen kann. Beim Thema Windenergie muss die Politik aber sowohl die Bürger beteiligen, als auch dafür sorgen, dass der Windenergie der gebührende substanzielle Raum gegeben wird.

Ludwig: Dazu muss man auch sagen, dass die Windenergieanlagen in Hagen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz genehmigt werden. Formal ist da gar keine Beteiligung vorgesehen. Das wollen wir Grüne im Bund ändern. Was den Rafflenbeuler Kopf betrifft, so wird schon lange über den Neubau von Windrädern diskutiert. Und trotzdem scheint das nicht angekommen zu sein.

Panzer: Letztlich werden Argumente nicht besser, wenn man sie nur immer wieder gebetsmühlenartig wiederholt. Mit Schlagschatten beispielsweise kann es gar keine Probleme geben. Das ist gesetzlich genau geregelt, Schattenwurf auf einzelne Gebäude findet bei modernen Anlagen real nicht statt. Viele Studien belegen auch, dass das Problem Infraschall, das ja immer wieder bemüht wird, im Prinzip nicht besteht.


Enervie beteiligt sich an Windrädern. Davon profitiert über die Ausschüttung als größter Teilhaber wiederum die Stadt. Da kann es kaum wundern, dass das den Argwohn von Anwohnern weckt...

Panzer: Das ist genau der richtige Weg. Da wird auch nichts in Hinterzimmern entschieden, sondern das wird transparent kommuniziert. Enervie muss mit der Zeit gehen, sich zukunftssicher aufstellen. Jedes andere Unternehmen würde kritisiert, wenn es sich nicht zukunftsfähig machen würde.

Ludwig: Wenn wir dieses Geschäftsfeld dem Versorger nicht zubilligen würden, würde er irgendwann abgewickelt. Das kann niemand wollen.


Aber 200 Meter hohe Anlagen sind doch ein erheblicher Eingriff in die Natur und eine Belastung für Menschen, oder etwa nicht?

Ludwig: In Teilen mag das sein. Aber eine Windenergieanlage ist kein herkömmliches Kraftwerk. Für Kohlekraftwerke beispielsweise sind aber auch nur 700 Meter Abstand zur Wohnbebauung festgeschrieben. Oder fragen Sie mal Menschen, die in Hagen in der Nähe eines Steinbruchs wohnen. Da gelten nur 300 Meter. Bei der Windenergie ist auf Landesebene für noch nicht genehmigte Anlagen nun von 1000 Metern die Rede. Wenn das so kommt, können wir in Hagen gar nicht genug Flächen ausweisen und Investoren würden klagen. Vor diesem Hintergrund ist das laufende FNP-Änderungsverfahren eigentlich zum Scheitern verurteilt.


Grüne und Umweltverbände stehen sich nahe. Bei der Windkraft gehen vor Ort die Meinungen aber auseinander...

Panzer: Nun ja – die Naturschutzverbände vertreten hier unterschiedliche Positionen. Natürlich ist die Umwelt ein wichtiges Gut, das es zu schützen gilt. Aber aus unserer Sicht ist das kein Grund, die Windenergie einzudämmen. Diese nahezu emissionsfreie Technologie ist in allen Belangen der konventionellen Energieerzeugung, die ja maßgeblich zum Klimawandel beiträgt, vorzuziehen.

Ludwig:Bei der Planung der Anlagen wird ja auf Flora und Fauna Rücksicht genommen. Horste und Flugbewegungen fließen in Gutachten ein. Da gibt es klare gesetzliche Regelungen. Auch werden technische Vorrichtungen immer weiter entwickelt, so dass sich beispielsweise Anlagen bei von der Sensorik erfassten Vogelschwärmen abschalten. Wobei ein 100-prozentiger Schutz jedes einzelnen Vogels nicht erreicht werden wird. Prozentual betrachtet sind solche Fälle aber verschwindend gering, auch im Vergleich mit den zahllosen von Autos getöteten Vögeln.