Hagen. Hagen ist es 2020 erstmals gelungen, die Stickstoffdioxid-Grenzwerte einzuhalten. Doch das bleibt für die Zukunft kein Selbstläufer.

Es darf gefeiert werden: Erstmals seit Beginn der Immissionsmessungen in Hagen und der damit einher gehenden Aufstellung eines Luftreinhalteplanes im Jahr 2004 ist es in vergangenen Jahr im Schnitt gelungen, die EU-Grenzwerte für das krankmachende Stickstoffdioxid (NO2) an allen Messpunkten einzuhalten. Einerseits sicherlich ein Erfolg der zahlreichen Verkehrsmaßnahmen, die für Entlastung an den Hotspots gesorgt haben. Andererseits erstickt das Triumphgeheul auch schnell wieder im Halse, da sich bereits erahnen lässt, dass ohne die Corona-Lockdown-Monate dieses Ergebnis kaum erreicht worden wäre.

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WP-Redakteur Martin Weiske
Von     Martin Weiske zu

Tatsache bleibt: Der geforderte Jahresmittelwert von 40 µg/m³ Luft wurde 2020 überall unterschritten. Allerdings nur im Schnitt: In der Finanzamtsschlucht (Jahresschnitt: 37 µg/m³) wurde die Marke im April, Mai, Juni, August und September sowie am Graf-von-Galen-Ring (Jahresschnitt 39 µg/m³) im Januar, August, September und November gerissen. Die von der Deutschen Umwelthilfe initiierten Zusatzmesspunkte am Bergischen Ring (zwischen Hoch- und Bergstraße) sowie an der Eckeseyer Straße unter der Hochbrücke, die seit September in Betrieb sind, schlugen lediglich im November in Altenhagen Alarm.

Viele Maßnahmen umgesetzt

Neben den Messpunkten in der Finanzamtsschlucht und am Graf-von-Galen-Ring gibt es inzwischen weitere am Bergischen Ring und an der Eckeseyer Straße (Foto). Auch hier wurde der Grenzwert im November bereits überschritten.
Neben den Messpunkten in der Finanzamtsschlucht und am Graf-von-Galen-Ring gibt es inzwischen weitere am Bergischen Ring und an der Eckeseyer Straße (Foto). Auch hier wurde der Grenzwert im November bereits überschritten. © WP | Michael Kleinrensing

Die Stadt hat im vergangenen Jahr nicht zuletzt aufgrund des juristischen Drucks durch die Deutsche Umwelthilfe klare Verkehrsmaßnahmen umgesetzt: Die Öffnung der Bahnhofshinterfahrung, die Sperrung der Arbeitsamtsrampe, Busspuren auf der Körnerstraße sowie die Reduzierung der Linksabbieger-Ströme von der Heinitzstraße in die Finanzamtsschlucht haben die Verkehrsbelastung an den Hotspots durchaus gedrosselt. Allerdings hat die Sperrung der Marktbrücke wiederum dafür gesorgt, dass am Bahnhof noch deutlich mehr Autos unterwegs waren als erhofft. Dennoch ist hier vor allem coronabedingt das Verkehrsaufkommen um etwa 20 Prozent zurückgegangen. Was wiederum deutlich macht: Ohne die Pandemie wären die Stickstoffdioxid-Grenzwerte in Hagen kaum zu erreichen gewesen.

Weitere Auffälligkeit: Vorzugsweise in den Sommermonaten liegen die Werte höher. „Das lässt sich bloß klimatisch begründen“, hält Stadtbaurat Henning Keune meteorologische Einflüsse wie Wind, Feuchtigkeit und Inversionswetterlagen durchaus für maßgeblich. Dennoch müsse über das Jahr der NO2-Grenzwert von 40 µg/m³ gehalten werden. „Das Thema wird uns noch lange begleiten“, weiß Keune. „Wir werden ständig nachjustieren müssen – dazu sind wird rechtlich verpflichtet“, blickt er zunächst auf die bereits angekündigten Einschränkungen beim Durchqueren der City über die Badstraße. Diese Schleichverkehre werden sich ohnehin bald erledigt haben, wenn die Badstraßenbrücke im Anschluss an die Marktbrücken-Erneuerung in den Jahren 2022/23 durch einen Neubau ersetzt wird.

Limit: 31.000 Fahrzeuge am Tag

Im Sommer dieses Jahres werden die Stickstoffdioxidwerte sowie die Wirkung der verkehrslenkenden Maßnahmen in Abstimmung mit der Kommunalaufsicht im Rahmen einer Zwischenbetrachtung erneut auf den Prüfstand gestellt. „Um die Grenzwerteinhaltung auch künftig sicherzustellen, wird es – neben Tempo-30-Regelung und Lkw-Durchfahrtsverbot – entscheidend darauf ankommen, die durchschnittliche Verkehrsmenge am Märkischen Ring weiterhin unter dem vereinbarten Wert von 31.000 Fahrzeugen am Tag zu halten“, schwört Keune die Bürger darauf ein, auf ein Nachlassen der Daumenschrauben gar nicht erst zu hoffen. „Zumal das Jahr 2020 aus lufthygienischer Sicht sowie unter meteorologischen und unter Covid-19-Aspekten sehr günstig war.“

Vergleich gibt den Maßnahmen-Rhythmus vor

Um die Mobilität zukünftig nachhaltiger und emissionsärmer zu gestalten, arbeitet die Stadt Hagen mit vielen Akteuren sowie den Bürgern zusammen. Dazu wurde der Masterplan „Nachhaltige Mobilität“, einschließlich eines Elektromobilitätskonzeptes, entwickelt sowie ein Radverkehrskonzept aufgestellt. Zahlreiche Maßnahmen werden bereits umgesetzt.

In diesen Tagen muss die Stadt bei der Bezirksregierung in Arnsberg einen Fortschrittsbericht vorlegen, um anhand der Maßnahmen abschätzen zu können, ob die Eckwerte des im vergangenen Jahr vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster mit der Deutschen Umwelthilfe vereinbarten Vergleichs auch gehalten werden können.

Ziel bleibt es, dass sich die Luftqualität vorzugsweise in der Hagener Innenstadt in den nächsten Jahren – nicht zuletzt auch durch den zunehmenden Anteil von Fahrzeugen mit verbesserter Abgastechnik und die deutliche Zunahme von E-Fahrzeugen – weiter verbessert.

Letztlich droht weiterhin das Szenario, auf dem Märkischen Ring eine von zwei Fahrspuren in Richtung Emilienplatz zu sperren. Immerhin hatten Gutachten zuletzt belegt, dass ein Wegrücken des Verkehrs von den Hauswänden allein um drei Meter zu erheblichen Luftverbesserungen führe. Was dies wiederum rückstautechnisch in Richtung Stadthalle bedeutet, spielte in der Untersuchung keine Rolle. Zudem droht weiterhin die Option, auch am Bahnhof den Ring von vier auf zwei Spuren zu reduzieren.

Einen Hoffnungsschimmer liefert wiederum die Idee, den Innenstadtring auf eine Einbahnstraßenregelung umzustellen. Hier liegt der Stadt die Prognose vor, dass diese Maßnahme am Graf-von-Galen-Ring eine Stickstoffdioxid-Reduktion von 13 bzw. am Märkischen Ring von 12 µg/m³ bringen könnte. Ob dieser Schritt überhaupt machbar wäre, lässt die Stadt zurzeit durch Gutachter untersuchen.