Hagen. Die Impfquote in den Hagener Altenheimen ist nicht hoch. Zwei Altenpflegerinnen geben Auskunft, warum sie sich nicht gegen Corona impfen lassen.
Sarah Rathmann (28) ist keine Corona-Leugnerin. Sie ist auch kein Impfgegnerin. Und doch hat sich die junge Frau, obwohl sie die Gelegenheit dazu hatte, nicht gegen Corona impfen lassen. Sarah Rathmann ist Altenpflegerin und arbeitet im Alten- und Pflegeheim des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) an der Feithstraße. „Es ist die Angst“, sagt sie: „Die Angst vor möglichen Langzeitfolgen. Man weiß einfach noch zu wenig über den Impfstoff.“
Auch interessant
Zahlreichen Mitarbeitern der Altenpflege in Hagen geht es so wie Sarah Rathmann. Aus Furcht vor möglichen Nebenwirkungen der Medikamente lassen sie sich nicht impfen. Im DRK-Heim an der Feithstraße liegt die Impfquote gerade mal bei 55 Prozent. „Ich habe mal aufgeschnappt, dass der Impfstoff unfruchtbar machen könnte“, gibt Sarah Rathmann einer ihrer Ängste Ausdruck: „Ich möchte aber gerne einmal eine Familie gründen.“
Mögliche Langzeitfolgen nicht erforscht
Tatsächlich sind mögliche Langzeitfolgen der zurzeit verfügbaren Corona-Impfstoffe noch nicht erforscht. Das können sie auch gar nicht sein, denn sie wurden erst 2020 entwickelt. Normalerweise dauert die Entwicklung eines Impfstoffs mehrere Jahre. Im Kampf gegen die Corona-Pandemie sollte alles viel schneller gehen, einige Impfstoffe wurden deshalb schon im Dezember bzw. Januar zugelassen.
Auch interessant
Edyta Aouad (47), eine Kollegin von Sarah Rathmann, hat sich deshalb ebenfalls nicht impfen lassen, obwohl auch sie als Altenpflegerin zur Gruppe mit der höchsten Priorität gehört. „Ich habe mich mit mehreren Ärzten unterhalten, die einen sagen so, die anderen so“, berichtet sie. Sie sei einfach nicht hundertprozentig davon überzeugt, dass die Impfung keinerlei Nebenwirkungen zeige. Erst wenn die Wissenschaft das ausschließen könne, werde sie sich impfen lassen: „So wie ich ja auch schon an der Grippeimpfung teilgenommen habe.“
Keine Nachteile zu befürchten
Berufliche oder sonstige Nachteile haben die beiden Altenpflegerinnen nicht zu befürchten. Schließlich lebten wir in einem Rechtsstaat, in dem die Entscheidung, ob man sich impfen lässt, zur Selbstbestimmung des Einzelnen gehöre, betont Vanessa Pudlo, Sprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL): „Das ist eine Entscheidung, die wir nicht zu be- oder verurteilen haben.“ Die KVWL führe daher auch keine Impflisten über das Personal von Altenheimen oder anderen Pflegeeinrichtungen.
Auch interessant
Sarah Rathmann und Edyta Aouad dürfen also auch ungeimpft ihrer Arbeit im Dienste alter Menschen nachgehen. Täglich vor Schichtbeginn werden sie auf Erkältungssymptome untersucht, mehrmals pro Woche auf Corona gecheckt. Dass sich in ihrem Hause fast jeder zweite Mitarbeiter nicht impfen lassen wolle, überrascht DRK-Pflegedienstleiterin Ulrike Flügge nicht: „Anfangs war ich selbst skeptisch und wollte abwarten.“ Aber dann habe sie sich daran erinnert, dass sie ihre drei Kinder stets gegen alle möglichen Krankheiten habe impfen lassen, ohne dass jemals zu hinterfragen: „Als mir das einfiel, habe ich mich sofort gegen Corona impfen lassen. Und es auch nie bereut.“
Diese Erfahrung gebe sie auch an ihre Kollegen weiter – in der Hoffnung, dass es sich einige anders überlegen und doch zur Impfung gehen. Sarah Rathmann schließt das nicht aus: „Ich warte lieber noch ein, zwei Jahre. Ich möchte auf Nummer sicher gehen.“
Die Bundesregierung hat einen Impfplan festgelegt
Bewohner und Mitarbeiter von Pflegeeinrichtungen und Altenheimen sowie alle Menschen über 80 gehören zur Gruppe 1 mit höchster Priorität. So hat es die Bundesregierung festgelegt.
In den Hagener Seniorenzentren gibt es eine durchaus beträchtliche Zahl von Mitarbeitern, die sich bisher nicht haben impfen lassen. So liegt die Impfquote bei den Beschäftigten im Karl-Jellinghaus-Zentrum des DRK an der Feithstraße bei 55,81 Prozent. „Viele Betroffene argumentieren, sie wüssten nicht genug über die Langzeitwirkung der Impfstoffe“, so Hagens DRK-Chef Udo Stroh.
Im von der Arbeiterwohlfahrt betriebenen Helmut-Turck-Zentrum liege die Impfquote bei knapp 70 Prozent, erläutert Einrichtungsleiter Ulrich Goldmann: „In der letzten Zeit gibt es eine zunehmende Bewusstseinsveränderung, mehrere Mitarbeiter haben sich nachimpfen lassen.“
Im Haus Bettina der Caritas sind lediglich fünf Mitarbeiter geimpft
Im Haus Bettina der Caritas sind lediglich fünf Mitarbeiter nicht geimpft. „Sie trauen sich nicht so recht“, sagt Hausleiterin Elisabeth Weiß: „Daran sind auch die Medien Schuld, die einfach zu negativ berichten.“
Das Pflegeheim Wohlbehagen im Lukaspark in Eckesey kommt bei den Mitarbeitern auf eine Impfquote von 72 Prozent. „Es braucht, glaube ich, eine offene Gesprächskultur und ganz einfach Zeit, um noch mehr Mitarbeiter vom Impfen überzeugen zu können“, so Einrichtungsleiterin Dominika Schmitt, die manche Argumente der Impfverweigerer für durchaus nachvollziehbar hält.
Die Seniorenresidenz Curanum auf Emst erhielt am 29. Dezember die Erstimpfung. Da zu diesem Zeitpunkt einige Bewohner und Mitarbeiter mit dem Virus infiziert waren, konnten nicht alle geimpft werden. „Manche unserer Mitarbeiter waren auch zurückhaltender und wollten noch abwarten“, so Tanja Kurz von der Unternehmenskommunikation.
Bislang seien 40 Prozent der Mitarbeiter geimpft worden: „Wir stellen jedoch erfreut fest, dass sich Pflegekräfte, die sich zum Impftermin Bedenkzeit erbeten hatten, bei nächster Gelegenheit nachimpfen lassen wollen.“ Seit Mitte Januar sei das Haus coronafrei.