Dahl. Viele Brauereien schütten Bier mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum einfach weg. Nicht so Privatbrauer Christian Vormann aus Hagen-Dahl.
Nein, das gute Bier vernichten will Christian Vormann nicht. Einfach in den Gully schütten und weg damit? Kommt nicht in Frage.
Der Privatbrauer aus Hagen-Dahl hat den Inhalt der wegen der Corona-Krise nicht genutzten Fässer destilliert und daraus einen Bierbrand hergestellt. Der Schnaps hat ordentlich Foffo, der Alkoholgehalt beträgt 40 Prozent. „Aber das Geschmackserlebnis ist sensationell“, schwärmt Vormann von seinem aus der Not geborenen Produkt.
Branchenweit werden derzeit aus der Gastronomie wegen des Lockdowns Fässer zurückgegeben, deren Mindesthaltbarkeitsdatum in Kürze abläuft. Die meisten Brauereien verklappen das Bier, als wäre es Schmutzwasser. „Waren im Millionenwert werden in den Gully gekippt“, erklärt dazu der Deutsche Brauer-Bund.
Ein Gemisch verschiedener Biersorten
Auch Christian Vormann beliefert Restaurants und Kneipen, die seit Wochen nicht mehr öffnen dürfen und deren Bier er nun zurückgenommen hat. Ein Gemisch verschiedener Sorten (Pils, Alt, Weizen, Urbräu) hat er in einer Brennblase so lange erhitzt, bis der Alkohol, flankiert von Begleit- und Aromastoffen, verdunstete. Das bei der Abkühlung entstehende Kondensat ist der Brand – auch Weinbrand oder Whiskey entstehen nach einem solchen Prozess. „Und Whiskey ist ja im Grunde nichts anderes als ungehopftes Bier“, sagt Vormann.
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Weich ist der Geschmack des Vormannschen Bierbrandes und enthält die Farbe des Holzes, in dem er gelagert wird. Der Brauer lässt das Destillat in Rotweinfässern reifen, der Schnaps schimmert leicht rosafarben.
Allerdings würde der Alkoholgehalt von jetzt 63 Prozent selbst dem hartgesottensten Schnapstrinker den Genuss verderben, weshalb das Gesöff durch den Zusatz von Brauwasser auf Trinkstärke rückverdünnt werden muss. Aber 40 Prozent haben es auch in sich. . .
Abgefüllt in Bierflaschen
Gut 5000 Liter Bier hat Vormann inzwischen gebrannt und daraus rund 250 Liter Destillat gewonnen – Weinliebhaber würden wegen der verschiedenen darin enthaltenen Sorten von einem Cuvée, einem Verschnitt, sprechen. Aber Vormann ist es Ernst mit dem neuesten Produkt aus seinem Hause, er will den Schnaps in 0,33-l-Bierflaschen abfüllen lassen und über die üblichen Vertriebswege vermarkten: „Auch wenn die Welt nicht auf meinen Bierbrand gewartet hat – ohne die Liebe zu meinem Handwerk würde ich das nicht machen.“
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In der Corona-Krise sei ihm erst bewusst geworden, was es bedeute, selbstständig zu sein: „Und wie schwer das ist. Meinem Betrieb geht es echt Sch. . .“ Aber die Brauerei werde die Pandemie schon überstehen so wie sie die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg überstanden habe, als der Braubetrieb auf Anordnung der Engländer zwei Jahre lang habe eingestellt werden müssen.
Eine Zeitenwende für die Gastronomie
Dennoch betrachtet Vormann den Corona-Virus als tödlich für die Gastronomie. Die Branche liege am Boden, und so mancher Betrieb werde bald nicht mehr da sein: „Viele Gastronomen haben ja auch vor der Krise kein Geld gescheffelt, die Hälfte kränkelt. Im Lockdown geht ihnen jetzt langsam das Geld aus, die Versicherungen werden fällig, die Nebenkosten. Corona wirkt wie eine Zäsur.“
Der Bierbrand
Für einen Bierbrand wird fertiges Bier destilliert und auf Trinkstärke herunter gesetzt.
Je stärker ein Bier gebraut wurde, desto höher ist die Alkoholausbeute und die Aromatik des Produktes.
Ihm täten die vielen Betriebsinhaber leid, so Vormann, die sich abgerackert hätten für ihr Geschäft und für die Kunden und die jetzt feststellen müssten, dass das alles umsonst gewesen sei, dass ihre Existenz zerstört werde: „Wie demoralisierend muss das sein.“
In der Gastronomie, da ist Vormann sicher, steht eine Zeitenwende bevor.