Halden. Nach den jüngsten Drohungen der CDU-Ratsfraktion gegenüber den juristisch streitenden Haldenern, gibt es jetzt eine gepfefferte Bürger-Antwort.
Mit deutlichen Worten setzen sich die Bürger in Halden, die gegen den Bau eines Feuerwehrgerätehauses an der Einmündung Sauerland-/Industriestraße den Rechtsweg beschreiten, gegen die jüngsten Attacken der CDU-Ratsfraktion zur Wehr. „Mit populistischer Polemik und Falschinformationen wird versucht, einzelne Personen öffentlich und sozial zu diskreditieren und bloßzustellen und sie mittels eines ,Shitstorms’ zu einem gewissen Verhalten zu zwingen, hier konkret wohl von ihren ergriffenen Rechtsmitteln abzulassen“, formuliert der Bürgeranwalt Hendrik Kaldewei auf den Punkt.
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Die größte Ratsfraktion hatte den Anwohnern zuletzt in einer schriftlichen Erklärung unterstellt, mit „juristischen Winkelzügen“ das Vorhaben verzögern und den Neubau einer Wache mit einer „Verschleppungsstrategie“ torpedieren zu wollen. Dies sei „unsolidarisch“ und „rücksichtslos“, forderte CDU-Fraktionschef Jörg Klepper die Feuerwehr sowie die übrigen Bürger zu einem öffentlichen Aufschrei auf. Und sein Haldener Fraktionskollege Detlef Reinke brachte zudem die Drohung ins Spiel, renitenten Bürgern, die angeblich ihre Gärten widerrechtlich auf städtischen Grund ausgeweitet hätten, diese Flächen einzuziehen. Zu diesem von der CDU angekündigten „Rache-Antrag“ kam es freilich in der jüngsten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses nicht.
Verrohter Umgang
„Diese Äußerungen belegen in erschreckender Weise eine Verrohung des gesellschaftlichen Umgangs mit unterschiedlichen Auffassungen und Interessenlagen und lassen jeglichen Respekt gegenüber den grundlegenden Prinzipien unseres Rechtsstaates vermissen“, geht Anwalt Kaldewei mit dem Gebaren der CDU scharf ins Gericht. „Die Ankündigung, die Anwohner für die Geltendmachung ihrer grundgesetzlich garantierten Rechte zur Anrufung der Gerichte auch noch durch Initiativen zur Einziehung der Gartengrundstücke bestrafen zu wollen, setzt dem Ganzen die Krone auf.“ Dieses Verhalten, so der Jurist weiter, stelle eine Abkehr vom Rechtsstaatsprinzip hin zu einer sozialen Zensur und Bevormundung dar. „Ein freiheitlicher Rechtsstaat lebt aber von der ungehinderten freien Meinungsäußerung, einer wirksamen Gewaltenteilung und dem ungehinderten Zugang zu den Gerichten zur Sicherstellung eines effektiven Rechtsschutzes. Wenn die Anrufung staatlicher Gerichte als ,unsolidarisch‘ gegeißelt werden kann und ,ein Aufschrei‘ wegen dieses Umstandes vermisst wird, sind wir vom chinesischen sozialen Belohnungssystem nicht mehr weit entfernt“, bilanziert Kaldewei.
Chronologie einer unendlichen Geschichte
Die Errichtung eines neuen Feuerwehrgerätehauses in Halden, das das bestehende, völlig aus der Zeit gefallene Spritzenhaus ersetzen soll, steht bislang unter keinem guten Stern.
Am Tag der Grundsteinlegung im November 2018 stellte sich heraus, als die geladenen Gäste sich bereits versammelten, dass weder ein Bauantrag gestellt noch eine entsprechende Genehmigung erteilt worden waren.
Aus Sorge vor juristischen Konsequenzen wurde der Termin kurzerhand abgeblasen. In einem von den Anwohnern angestrengten Normenkontrollverfahren stellte sich letztlich heraus, dass der mit heißer Nadel gestrickte Bebauungsplan vom Gericht als unwirksam betrachtet wird.
Im Rahmen eines sogenannten Heilungsverfahrens versuchte die Stadt zuletzt, vor allem die mangelhaften Lärmschutzmaßnahmen zu verbessern. Dazu zählt, dass der 8,50 Meter Bau zusätzlich noch durch eine drei bis vier Meter hohe und 69 Meter lange Lärmschutzwand abgeschirmt wird. Zudem sind – von Einsätzen mal abgesehen – keine Nachtausfahrten gestattet.
Grundsätzlich fußt der Bau des neuen Feuerwehrgerätehauses auf dem Brandschutzbedarfsplan aus dem Jahr 2011. Dieser ist inzwischen durch eine Entscheidung des Rates jedoch überholt und durch eine Neuauflage abgelöst worden, so dass die protestierenden Anwohner davon ausgehen, dass die tatsächliche Notwendigkeit der ungeliebten Wache noch einmal grundsätzlich geprüft werden muss.
Gleichzeitig erinnert er daran, dass die ursprüngliche Klage der Bürger ja gezeigt habe, dass der Lärmschutz rund um das Gerätehaus tatsächlich völlig unzureichend und daher erhebliche Korrekturen erforderlich gewesen seien. Diese seien inzwischen ja auch erfolgt, so dass die Stadt es letztlich riskieren könne, mit dem Bau zu beginnen, wenn sie die erneuten Klagen tatsächlich bloß für substanzlose Winkelzüge halte. Allerdings hätten sich in der Zwischenzeit „gewichtige Änderungen der Sachlage ergeben“, argumentiert Kaldewei mit Blick auf den jüngst neu beschlossenen Brandschutzbedarfsplan, dessen Herzstück ein völlig neues Wachenkonzept bildet. Darin seien nicht bloß die Rolle der Freiwilligen Feuerwehren – in Halden sollen die Einheiten Fley, Halden und Herbeck gebündelt werden – neu definiert, sondern auch die einzuhaltenden Hilfsfristen.
Brandschutzbedarfsplan ändert Lage
Damit sei die Notwendigkeit des Feuerwehrgerätehauses in Halden grundsätzlich in Frage gestellt. Somit sei eine Verschlechterung der Wohnsituation der Anwohner kaum zu rechtfertigen, fordert Bürgeranwalt Kaldewei die CDU auf, ihre Vorwürfe umgehend zurückzunehmen: „Es ist unentschuldbar, die Öffentlichkeit allein wegen des Umstandes der Ergreifung von Rechtsmitteln gegen Einzelpersonen aufzubringen oder wegen dieses Umstandes negative Konsequenzen in Aussicht zu stellen. Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Freiheitlichkeit sind nicht verhandelbar und dürfen unter keinen Umständen relativiert werden. Ansonsten erodieren unser demokratischer Rechtsstaat und unsere freiheitliche Gesellschaftsordnung.“