Breckerfeld. Das Verbot, Küken nach dem Schlüpfen zu töten, wirkt bis Breckerfeld. Bei Landwirt Baumeister leben jetzt Hühner, deren Brüder aufgezogen wurden.

Es mag sie geben, diese romantischen Vorstellungen von glücklichen Hühnern, die freudig gackernd über einen Bauernhof spazieren und sich um einen prächtigen Hahn tummeln, der an jedem Morgen seinen Besitzer mit einem kräftigen Schrei aus dem Schlafe weckt. Es mag sie geben – all jenen aber, die sich in Supermärkten mit Eiern versorgen, sei gesagt: Mit der Realität hat diese Vorstellung wenig zu tun.

Breckerfeld, Brenscheid: Landwirt Udo Baumeister ist einer der Profis in der Eier-Branche. Ein durchaus innovativer Geist, der mit Projekten und Ideen in den letzten Jahren immer wieder den Umweltschutz vorangetrieben hat und dem das Wohl seiner gefiederten Mitarbeiterinnen am Herzen liegt. Baumeister hält sich strikt an Regeln, die der Tierschutz vorgibt. Und weil er sie sogar gut findet, zählt er zu den ersten Großbetrieben, die ein neues Gesetz umsetzen.

12.000 neue Freilandhühner ziehen in Brenscheid ein

Sorge um Brütereien

Derzeit gibt es nach Angaben von Udo Baumeister in Deutschland zwölf große Brütereien.Weil diese allerdings wegen der Zusatzkosten ihre Hühner nicht mehr im Ausland vermarkten können, sieht der Breckerfelder Landwirt deren Existenz in Gefahr. „Ich bin gespannt, wer da am Ende noch übrig bleibt“, so Baumeister.Während Masthähnchen in der Regel nach sieben Wochen geschlachtet werden und drei Kilo Fleisch bringen, sieht es bei den Brüder-Hähnen anders aus. Nach 15 Wochen liefern sie die Hälfte des Fleisches.Auch die Qualität des Fleisches unterscheide sich. Es sei jedoch kein Billigfleisch und durchaus zu verarbeiten, so Baumeister. Er selbst plant, künftig entsprechende Produkte in seinem Hofladen anzubieten.

So kommt es, dass dieser Tage die ersten 12.000 Hühner bei ihm eingezogen sind, deren Brüder nicht bereits im Ei oder gleich nach dem Schlüpfen getötet wurden. Denn das ist in Deutschland ab Ende 2021 gesetzlich verboten.

12.000 Hühner also, die rund eineinhalb Jahre auf dem Hof im beschaulichen Brenscheid leben (und arbeiten) dürfen, die sich noch im Stall befinden, aber schon bald ein 48.000 Quadratmeter großes Areal (vier Quadratmeter pro Huhn) bevölkern dürfen. Zumindest in der Theorie, denn die Tiere, die sich frei bewegen könnten, tummeln sich bei ihren Ausflügen in aller Regel in der Nähe des Stalls.

Gesetz kann umgegangen werden

Theoretisch bleibt aber auch bei der neuen Regelung, die das Küken-Töten untersagt, so vieles. Findet zumindest der Breckerfelder Landwirt. „Mit meinem Gesetz sorge ich dafür, dass in Deutschland nur noch Eier ohne Kükentöten produziert werden“, hatte Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) im Januar erklärt. Allerdings, so erwidert Baumeister, gäbe es durchaus Wege, das Verbot zu umgehen.

„Der Import von Küken aus anderen Ländern ist ja nach wie vor erlaubt“, sagt er. In Summe könne man bei 12.000 Tieren von einer Ersparnis von 50.000 Euro ausgehen. Und so sei es durchaus attraktiv, günstiger Tiere in den Niederlanden zu kaufen, deren männliche Geschwister eben nicht aufgezogen würden.

Aufzucht dauert 15 Wochen

Auch interessant

Zumindest für die 12.000 neuen Bewohnerinnen seines Hofs, die einer Brüterei in Senden entstammen, gilt das aber nicht. Wenngleich den Brüdern kein langes Leben bestimmt ist. Denn wenn ihre Geschwister nach einer Eingewöhnungszeit ab Lebenswoche 21 zum ersten Mal den Stall verlassen dürfen, sind sie längst tot. „Sie werden 15 Wochen lang aufgezogen und dann geschlachtet“, sagt Baumeister. Diese 15 Wochen sind zumindest im Vergleich zu herkömmlichen Brathähnchen wiederum ein hohes Lebensalter.

Daneben sieht der Breckerfelder Hühnerbauer ein erhebliches Kapazitätsproblem. „Wenn man mal davon ausgeht, dass in Deutschland pro Jahr 30 Millionen Hühner schlüpfen, dann kommen demnächst 30 Millionen Hähne hinzu. Wo sollen die denn alle unterkommen?“

Probleme bei Geschlechtsbestimmung

Auch interessant

Auch die Alternative, das Geschlecht bereits im Ei zu bestimmen, hält Baumeister im Gegensatz zu den Verlautbarungen aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium noch nicht für ausgereift.

„Momentan ist das zwischen dem achten und zehnten Tag möglich“, so Baumeister, „weil man aber davon ausgeht, dass die Küken im Ei zu dieser Zeit bereits Nerven ausgebildet haben und Schmerzen empfinden, soll diese Geschlechtsbestimmung ab dem 1. Januar 2025 nur noch bis zum sechsten Tag erlaubt sein. Schon jetzt liegt die Fehlerquote bei fünf Prozent. Ich kenne kein zuverlässiges Verfahren, das in einem früheren Stadium verlässliche Ergebnisse liefert.“

Geschwister von Freiland- und Bio-Hühnern werden aufgezogen

Geschwister von Freiland- und Biohühnern würden in jedem Fall aufgezogen. Und weil das wiederum wirtschaftlich ein Zuschussgeschäft sei (im Gegensatz zu Masthähnchen lange Aufzuchtzeit, wenig Fleisch), geht Baumeister fest davon aus, dass die Preise für Eier steigen werden.

„Die Mehrkosten muss am Ende der Verbraucher übernehmen“, sagt Udo Baumeister, „anders kann das gar nicht funktionieren. Ich denke, dass das am Ende pro Ei bei Eiern aus Freilandhaltung drei Cent ausmachen wird. Bei reinen Bio-Eiern wird der Aufpreis noch höher liegen. Wer Tierwohl möchte, muss auch bereit sein, das mitzutragen.“ Immerhin: Die vier großen Lebensmittelketten hätten sich bereit erklärt, weiter deutsche Eier abzunehmen und auf einen Import günstigerer ausländischer Eier zu verzichten.