Hagen. 150 Jahre ist der Deutsch-französische Krieg von 1870/71 jetzt her. Monumente jener Zeit sind in Hagen auch heute noch zu finden.

Es gab eine Zeit, da schossen in Hagen die Denkmale wie Pilze aus dem Boden. In den Jahren nach der Reichsgründung von 1871 war das, doch feierten die Monumente nicht den Staatsakt im Versailler Spiegelsaal.

Vielmehr wurden sie in Erinnerung an den vorausgegangenen Deutsch-französischen Krieg aufgestellt, in dem auch so mancher Hagener sein Leben gelassen hatte. „Die Namen der Gefallenen wurden in die Denkmale eingraviert“, berichtet Andreas Korthals, Mitarbeiter im Hagener Stadtarchiv. So sollten die Männer posthum geehrt werden.

Das Boeler Kriegerdenkmal befindet sich in der Denkmalstraße, die übrigens nach diesem Monument benannt wurde.
Das Boeler Kriegerdenkmal befindet sich in der Denkmalstraße, die übrigens nach diesem Monument benannt wurde. © WP | Michael Kleinrensing

Insgesamt neun solcher Denkmale wurden nach diesem Krieg, der vor 150 Jahren sein Ende fand, in Hagen errichtet. Dafür verantwortlich waren sogenannte Kriegervereine, in denen sich Veteranen der „Einigungskriege“ von 1864 gegen Dänemark, 1866 gegen Österreich und eben 1870/71 gegen Frankreich zusammenfanden und die der sozialen Militarisierung breiter Bevölkerungsschichten Ausdruck gaben. „In der Kaiserzeit blühte in Hagen, Haspe und Hohenlimburg das Vereinsleben auf“, so Dr. Ralf Blank, Fachdienstleiter Wissenschaft, Museen und Archive der Stadt Hagen.

Der erste Kriegerverein war in Hagen bereits 1824 von Teilnehmern der Befreiungskriege gegen Napoleon gegründet worden, es war, wie sich später herausstellte, der älteste Kriegerverein im gesamten Kaiserreich. „Die Kriegervereine pflegten zum Teil einen extremen Nationalismus, überzogenen Patriotismus und Militarismus“, so Blank.

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Doch anders als die Jahre des Ersten und Zweiten Weltkriegs, die in Hagen gut erforscht sind, weiß man über den deutsch-französischen Krieg und seine Auswirkungen auf die Stadt wenig. Hagen sei damals die größte und wirtschaftlich bedeutendste Stadt im Umkreis gewesen, so Blank, deren Erscheinungsbild von rauchenden Schornsteinen, Schmutz und Lärm geprägt war.

Die Stadt boomte, die Industrie blühte auf, die Bevölkerung nahm sprunghaft zu, während die sogenannten Unterschichten in teilweise menschenunwürdigen Verhältnissen lebten. Im September 1871 fand denn auch die erste Großveranstaltung der SPD in Hagen statt.

Am siegreichen Krieg gegen Frankreich begeisterten sich dagegen alle Schichten gleichermaßen. Die Hagener Zeitung zitiert nach der Schlacht von Sedan, in der die Franzosen am 1. und 2. September 1870 vorentscheidend geschlagen wurden, aus einem Telegramm des preußischen Königs und späteren Kaisers Wilhelm I. an seine Frau in Berlin: „Der Kaiser der Franzosen hat sich selbst mir ergeben, seinen Aufenthalt werde ich bestimmen, nachdem ich ihn gesprochen habe in einem Rendezvous, das sofort stattfindet.“

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Doch der Krieg ging weiter, die Franzosen riefen die Republik aus und kapitulierten erst nach monatelanger Belagerung von Paris Ende Januar 1871. Im Mai wurde der Friedensvertrag unterschrieben. 40.000 deutsche Soldaten waren tot, darunter rund 100 Männer aus Hagen, ihre Anzahl ist nicht exakt zu beziffern. Der bekannteste unter ihnen war der 24-jährige Johann Caspar Harkort VII., der im März 1871 in einem Lazarett in Dieppe/Normandie seinen Kriegswunden erlag und mit dem die Hauptlinie der berühmten Unternehmerfamilie ausstarb.

Der Hasper Löwe auf dem Kirchplatz der evangelischen Kirche in Haspe an der Frankstraße wurde zur Erinnerung an die Gefallenen der Einigungskriege errichtet.
Der Hasper Löwe auf dem Kirchplatz der evangelischen Kirche in Haspe an der Frankstraße wurde zur Erinnerung an die Gefallenen der Einigungskriege errichtet. © WP | Michael Kleinrensing

Fünf der neun Denkmale, die später für die Gefallenen gebaut wurden, sind nach wie vor in Hagen präsent, auch wenn ihnen kaum jemand Beachtung schenkt. Das einstmals zentralste und größte dieser Ehrenmale existiert allerdings nicht mehr. 1875 wurde auf dem Neumarkt, initiiert von einem Denkmalkomitee mit Kommerzienrat Carl Elbers (Tuchfabrik Elbers), eine Germania aufgestellt. Diese zum Krieg gerüstete Frauenfigur diente seinerzeit als populäre Nationalallegorie: „Das Denkmal symbolisierte das siegreiche Deutsche Reich, wobei das Eichenlaub und die Krone für die Einheit und Macht des Vaterlandes stehen“, sagt Andreas Korthals.

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Zwischen den vier Frauengestalten zu Füßen der Germania waren Tafeln mit den Namen von 29 gefallenen Hagenern angebracht, auf der Frontseite befand sich die Inschrift: „Ihren tapferen Söhnen/die Stadt Hagen“, an den anderen Seiten hieß es: „Den Gefallenen zum Gedächtnis/Den Lebenden zur Anerkennung/Den künftigen Geschlechtern zur Nacheiferung.“

Stichworte zu den Ereignissen vor 150 Jahren

Auslöser für den Deutsch-Französischen Krieg war die Emser Depesche, eine von Bismarck bewusst schroff formulierte diplomatische Note, mit der er den französischen Kaiser Napoleon III. brüskierte. Dieser erklärte Preußen daraufhin den Krieg.

Dem Deutsch-französischen Krieg 1870/71 gingen der Deutsch-Dänische Krieg (1864) und der Krieg zwischen Preußen und Österreich (1866) voraus. Sie werden von Historikern auch die Deutschen Einigungskriege genannt.

Am Ende dieser Entwicklung stand die Gründung des Deutschen Kaiserreichs, ausgerufen am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal von Versailles. Der preußische König Wilhelm wurde zum Deutschen Kaiser proklamiert.

Jahrzehntelang wurde in Deutschland der Sedantag in Erinnerung an die Schlacht nahe der französischen Stadt Sedan gefeiert, in der die Franzosen am 2. September 1870 entscheidend geschlagen worden waren. Der Sedantag als nationaler Feiertag wurde 1919 abgeschafft.

Weil eine öffentliche Sammlung zur Finanzierung des Denkmals nicht genügend Geld eingebracht hatte, wurde die Germania letztlich auf Kosten der Kommunalkasse realisiert – ein zarter Hinweis darauf, dass es mit der nationalen Begeisterung in Hagen vielleicht doch nicht so weit her war. . .

In Zweiten Weltkrieg wurde das Denkmal so stark beschädigt, dass es Ende der 50er Jahre abgerissen werden musste. Reste der Tafeln wurden im Stadtgarten angebracht, wo sie sich heute aber nicht mehr befinden. Der Verbleib ist ungeklärt.