Boelerheide. Eine Realschule in Hagen begreift die Corona-Krise als Chance: Sie will einen Wechsel aus Präsenz- und Distanzunterricht beibehalten.

Wo Schatten ist, da ist auch Licht. Die Corona-Krise hat an der Heinrich-Heine-Realschule in Boelerheide für einen Digitalisierungsschub gesorgt. Jetzt will die Lehranstalt eine Vorreiterfunktion in Nordrhein-Westfalen übernehmen.

Die Schulleitung hat bei der Landesregierung in Düsseldorf ein Schulentwicklungsvorhaben eingereicht mit dem Ziel, auch nach der Krise Präsenz- und Fernunterricht im Wechsel erteilen zu dürfen. „Der herkömmliche Unterricht ist nicht mehr zeitgemäß“, sagt Stefan Bornemann, stellvertretender Schulleiter: „In unserer Gesellschaft hat sich eine Kultur der Digitalität etabliert, da können wir nicht mehr unterrichten wie vor 30 Jahren.“

Schule war zwei Wochen lang geschlossen

Weil sich die Infektionsfälle häuften – 21 waren es innerhalb von vier Wochen im November – musste die Realschule für 14 Tage komplett geschlossen werden. Danach gab es zwei Wochen lang einen Wechsel von Präsenz- und Distanzunterricht. Das heißt, ein Teil der Schüler blieb zuhause und arbeitete dort Arbeitsblätter oder Aufgaben selbstständig durch. Der andere Teil der Klasse wurde in der Schule unterrichtet.

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Dieses Modell bringt es mit sich, dass weniger Schüler im Klassenraum zusammentreffen und das Infektionsrisiko gesenkt wird – das ist in Zeiten von Corona oberstes Gebot. Zugleich berge der Hybridunterricht aber erhebliche pädagogische Vorteile, berichtet Schulleiterin Corinna Osman: „Mit den kleinen Lerngruppen kommen wir im Stoff deutlich schneller voran, und wir können viel intensiver auf die individuellen Bedürfnisse einzelner Schüler eingehen.“

Die Schule profitierte bereits im ersten Lockdown davon, dass sie den Weg zur Digitalisierung schon in der Vor-Corona-Ära eingeschlagen hatte. Bereits im Januar waren alle Schüler und Lehrer auf der Plattform Nextcloud registriert, auf die sie von zu Hause aus Zugriff haben und über die der gesamte Fernunterricht läuft. „Diese Software hat uns im Frühjahr, als die Schulen geschlossen wurden, gerettet“, blickt Bornemann zurück.

Viele Schüler profitieren vom Distanzunterricht

Zu ihrem nicht geringen Erstaunen stellten die Pädagogen fest, dass viele Schüler, die vorher im Unterricht kaum aufgefallen waren und allenfalls durchschnittliche Leistungen erbracht hatten, vor dem Computer regelrecht aufblühten und bessere Noten erzielten. Aus dieser Erfahrung entwickelte sich eine Vision: die durch die Pandemie beschleunigte Digitalisierung als Chance zu begreifen und auszubauen, statt wieder in den alten Rhythmus zurückzufallen.

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Das Kollegium signalisierte auf einer Konferenz seine Zustimmung und legte zugleich fest, dass jede Klasse ab maximal drei Tagen aus der Distanz bzw. an mindestens zwei Tagen in der Schule unterrichtet werden sollte. „Die Schüler sollen sich ja auch weiterhin untereinander sehen, die Klassenverbände erhalten bleiben“, so Schulleiterin Osman.

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Schüler, deren Leistungen im Distanzunterricht nachließen, sollten verstärkt in der Schule unterrichtet werden: „Das Hybridmodell mit geteilten Klasen ermöglicht ja solche individuellen Lösungen. Und Digitalisierung heißt ja nicht, dass wir die Schüler loswerden wollen, sondern für jeden von ihnen die bestmögliche Förderung zu gewährleisten.“

Absprache mit Schülern und Eltern

Auch Kinder, deren Eltern nicht wollen, dass sie zu Hause bleiben, erhalten den Unterricht ausschließlich in der Schule. Was für welchen Schüler am besten ist, sollen die Klassenlehrer in Absprache mit Schülern und Eltern entscheiden.

Weniger Infektionen in Jahrgängen 7 und 10

Präsenzunterricht ist das, was in normalen Zeiten gilt. Hier sind alle Schüler anwesend in den Klassenzimmern und werden von Lehrern unterrichtet.

Beim Hybrid- oder Wechselunterricht ist eine Hälfte der Klasse anwesend in der Schule, die andere lernt zu Hause mit Aufgabenblättern oder Videos. In seltenen Fällen wird ein Livestream an den Schulen angeboten, so dass die Kinder zu Hause den Unterricht mitverfolgen können.

An der Realschule Boelerheide befinden sich die Klassen 5, 6, 8 und 9 im Hybridunterricht, die Jahrgänge 7 und 10 werden wegen niedriger Infektionszahlen komplett im Schulgebäude unterrichtet.

Die in den zwei Wochen mit dem Hybridmodell gemachten Erfahrungen seien durchweg positiv, so Bornemann. Es schlage sich in positiven Leistungen nieder, wenn jedes Kind seinem individuellen Biorhythmus entsprechend daheim arbeiten dürfe. Andererseits könne man umgehend reagieren, wenn ein Lehrer feststelle, dass ein Schüler den Fernunterricht nutze um abzutauchen.

Auch der ganz alltägliche Schulwahnsinn habe in der Hybridzeit nachgelassen: keine verstopften Toiletten, keine abgerissenen Lichtschalter, kein Mobbing, keine Prügeleien. „Es ist ein sehr entspanntes Arbeiten“, berichtet Biologie- und Sonderpädagogik-Lehrerin Anne Juretzka.

Wenn das Schulministerium dem Schulentwicklungsvorhaben zustimmt, soll Wechselunterricht bereits im zweiten Halbjahr die Regel werden an der Realschule in Boelerheide.