Hagen. 49 Stiche – das konnte eine 38-Jährige aus Hagen nicht überleben. Ein 24-Jähriger, der in Serbien im Gefängnis sitzen sollte, ist jetzt angeklagt.
Es ist eine Geschichte, die fassungslos macht: Als der Angeklagte (24) am 10. Juni mit mehreren Messern über seine Ehefrau herfiel und 49-mal zustach, hätte er eigentlich in Serbien hinter Gittern sitzen sollen.
Violetta war eine freundliche, fröhliche und bildhübsche Frau. Doch sie wurde nur 38 Jahre alt. Am 15. Juni entdeckten die Ermittler in einem Mehrfamilienhaus an der Hördenstraße in Haspe die verweste Leiche direkt neben dem Schlafsofa unter einer Decke. Seit gestern verhandelt das Schwurgericht den Fall.
Auch eine Anklage wegen Mordes kommt noch in Frage
Dokumente für Abschiebung zu spät eingetroffen
Der Angeklagte war bereits am 24. April festgenommen worden. Interpol Serbien hatte ein Auslieferungsersuchen gestellt, weil er in seinem Heimatland wegen Frauenhandels zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt worden war.
Da Auslieferungshaft aber höchsten 40 Tage dauern darf und die schriftlichen Dokumente einen Tag zu spät eintrafen, musste er am 2. Juni entlassen werden. Das wurde seiner Ehefrau zum Verhängnis.
Angeklagt ist Totschlag, doch die Kammer hatte bereits vorab den rechtlichen Hinweis erteilt, dass unter Umständen auch eine Verurteilung wegen Mordes in Frage kommen könnte: Denn aus einem Chatverlauf, so die Vorsitzende Richterin Heike Hartmann-Garschagen, ergäben sich Anhaltspunkte, dass er auch aus Eifersucht, also niederen Beweggründen, getötet haben könnte.
Als der Angeklagte, ein kleiner, schlanker Mann mit einem Bart, der bis in Brusthöhe reicht, in Handschellen in den Saal geführt wird und seine Personalien angeben soll, muckt er gleich aggressiv auf: Die Frage der Richterin nach seinem Namen, beantwortet er trotzig mit: „Den kennen Sie doch!“ Andere erfragte Angaben zu seinen Personalien wehrt er mit einem frechen „ich weiß nicht!“ ab.
Frau wollte den mutmaßlichen Täter wohl verlassen
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In der Anklageschrift, die Oberstaatsanwalt Bernd Haldorn verliest, wird die Frau, „die in Tötungsabsicht erstochen wurde, weil sie ihn verlassen wollte und noch am Tatort verblutete“, als Lebensgefährtin bezeichnet. „Sie war meine Ehefrau“, korrigiert der Angeklagte, weil es ihm wichtig ist, mit ihr verheiratet gewesen zu sein. Sein Verteidiger Philippos Botsaris hatte gerade die Erklärung abgegeben, dass sein Mandant sich nicht zu den Vorwürfen äußern wolle, da grätschte ihm der widerspenstige Mandant sofort dazwischen: „Ich möchte aber darüber sprechen. Es geht um mein Leben.“
Auch eine kurze Unterbrechung, vom Verteidiger beantragt, konnte ihn nicht umstimmen. Der Angeklagte hatte Gesprächsbedarf. Das Schwurgericht durfte sich dann mehr dreieinhalb Stunden alles aus seinem unglücklichen Leben anhören, auf die eigentliche Tat wollte er nicht zu sprechen kommen. Konflikte hätten sich der Ehe bereits aus religiösen Gründen gegeben: Er, ein orthodoxer Christ aus Serbien, sie eine muslimische Albanerin und im Hintergrund ein großfamiliäres Umfeld, das mit der Beziehung absolut nicht einverstanden war.
Zweite Tochter stirbt noch im Mutterleib
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Besonders emotional aufgepeitscht dann die Situation, als die zweite Tochter, im neunten Schwangerschaftsmonat im Mutterleib verstarb. Der Angeklagte schildert minutenlang und mit tränenerstickter Stimme, wie er Totgeburt in seinen Armen hielt: „Ich zitterte am ganzen Körper. Es kam mir so vor, dass meine Welt zerstört ist. Ich hatte mich so gefreut auf das Kind.“
Und als ihm wenige Tage nach der Beerdigung der Duldungsstatus in der Bundesrepublik entzogen worden sei, ihm die Abschiebung nach Serbien angekündigt wurde und ihm seine Ehefrau nahezu zeitgleich offenbarte, dass es inzwischen einen anderen Mann in ihrem Leben gäbe, eskalierte die Situation. „Sie hat mich angeschaut und mir gesagt: Ich liebe dich nicht mehr. Du bist aus meinem Herzen raus, und diesen Platz in meinem Herzen hat jetzt ein anderer.“ Dann hätte sie gesagt: „Ich kann nicht mehr“ und ihm das Messer selbst zugereicht: „Wenn du willst, kannst du mich jetzt töten.“
„Ich habe weiter auf sie eingestochen“
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Als um die Einzelheiten der Tat geht, wird der Angeklagte auffällig einsilbig. „Ich habe dann das Messer genommen, das war alles. In diesem Moment habe ich die Kontrolle über mich verloren. Sie ist hingestürzt, und ich habe immer weiter auf sie eingestochen.“
Das Obduktionsergebnis kommt auf insgesamt 49 Stiche, davon 15 in den Gesichts- und Halsbereich. Beide Schlagadern wurden durchtrennt.
Im Nebenraum, dem Schlafzimmer, befand sich zur Tatzeit die dreijährige Tochter, die das Geschehen wohl mit ansehen musste.