Hagen. Integrationsfachkräfte kümmern sich an Schulen in Hagen intensiv um Kinder mit Förderbedarf. Sie fühlen sich in der Corona-Krise allein gelassen.

Vielleicht ist sie auch eine Heldin in dieser Krise. Eine Heldin aber, über die noch niemand gesprochen hat, der noch niemand öffentlich Applaus gespendet hat. Im Gegenteil: „Manchmal fühle ich mich im Moment wie Kanonenfutter “, sagt Jennifer de Wall. Sie ist Integrationsfachkraft. Eine, die wie fast alle ihrer Kolleginnen diesen Beruf aus Leidenschaft ausübt.

Diesen Beruf, der eigentlich gar kein „richtiger“ Beruf ist. Weil diejenigen, die ihn ausüben und die zu so wichtigen Stützen im Schulalltag geworden sind, lediglich eine Fort- aber keine Ausbildung durchlaufen. So wie Jennifer de Wall, gelernte Tierarzthelferin, die als Integrationsfachkraft arbeitet, weil diese Form der Unterstützung ihrem eigenen Sohn (er leidet an Dyskalkulie und Legasthenie) so viel gebracht hat. In der Corona-Krise aber fühlen sich Jennifer de Wall und viele Kolleginnen allein gelassen.

Auch in der Corona-Krise nah bei den Kindern

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Jennifer de Wall, 34 Jahre alt, seit einem Jahr beschäftigt bei einem Träger, der sie wiederum an eine Hagener Grundschule geschickt hat. Sie betreut einen Neunjährigen. 11 Euro netto bekommt sie dafür, dass sie einem Kind mit Förderbedarf hilft, in einer ganz normalen Schule zurechtzukommen. Die Mutter liebt ihren Beruf.

Dann aber kommt Corona. Es geht um Distanzunterricht, es geht um Maskenpflicht , es geht um Abstände – auch an Grundschulen. Schüler und Lehrer sollen möglichst geschützt werden. „Aber über uns spricht keiner“, sagt Jennifer de Wall, „wir können oft gar keinen Abstand halten. Insbesondere bei Kindern, die körperlich eingeschränkt sind, ist das gar nicht möglich. Wir sitzen direkt neben dem Kind, um das wir uns kümmern, begleiten es durch den Schulalltag.“

Einsatz in verschiedenen Klassen

Enge Begleiter von Kindern und Jugendlichen

Integrationsfachkräfte begleitet Kinder und Jugendliche mit psychischen Störungen oder geistigen oder körperlichen Behinderungen.

Sie unterstützen sie individuell auf dem Weg zum Schulabschluss.

Eine bestimmte Ausbildung als Integrationshelfer gibt es nicht. Bildungszentren oder Vereine bieten Umschulungen und Fortbildungen an. Eine Erzieherausbildung ist von Vorteil.

Hinzu kommt: Während es darum geht, Kontakte möglichst zu reduzieren, werden Integrationskräfte innerhalb einer Woche nicht selten in mehreren Klassen eingesetzt . „Das passiert immer dann, wenn das Kind, um das wir uns schwerpunktmäßig kümmern, in Quarantäne muss oder krank ist“, sagt Jennifer de Wall. „Das hat schon dazu geführt, dass ich in einer Woche in drei unterschiedlichen Klassen gearbeitet habe. Bei Kolleginnen waren es zum Teil noch mehr. So kann man schnell auf 150 Kontakte in kurzer Zeit kommen.“

So gut es geht versucht Jennifer de Wall sich und die Schüler zu schützen. Sie trägt eine FFP2-Maske , eine Maske, die einen hohen Schutz bietet. „Das Kind, das ich derzeit betreue, zählt zur Risikogruppe. Eine Infektion wäre da eine große Gefahr“, sagt Jennifer de Wall, die auf 640 Euro netto pro Monat kommt. „Kaufen muss ich die Masken von meinem eigenen Geld. Das ist für mich kaum zu finanzieren.“

Integrationsfachkräfte ohne eigene Lobby

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Was die 34-Jährige so sehr ärgert: „Wir haben überhaupt keine Lobby. Es gibt keinen Berufsverband, keine Gewerkschaft “, sagt Jennifer de Wall, „wir sind nicht organisiert. Die Stadt ist ebenso wenig zuständig wie das Land. Unter den Trägern, bei denen wir beschäftigt sind, gibt es schwarze Schafe.“ Ihrer, deren Namen sie nicht nennen mag, gehöre nicht dazu. Und trotzdem fühlt sich Jennifer de Wall in der Corona-Krise allein gelassen.

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Auch an die Stadt hat sich Jennifer de Wall in ihrer Verzweiflung gewandt. Dort prüft man nun zunächst den Sachverhalt und guckt, ob die Integrationsfachkräfte tatsächlich in unterschiedlichen Klassen eingesetzt werden. „Wir sind dabei, uns ein Bild zu machen“, so Stadtsprecherin Clara Treude.