Hagen/Ennepetal/Gevelsberg. René Röspel oder Timo Schisanowski – wer soll für die SPD Hagen in den Bundestag einziehen? So könnte die Entscheidung ausgehen.

Es wird keine gewöhnliche Parteiversammlung am 4. Dezember, im Haus Ennepetal in Ennepetal. Denn an diesem Freitagabend wird es in einer Kampfkandidatur darum gehen, wer für die Sozialdemokraten im Wahlkreis 138 antreten darf. Zwei Schwergewichte stehen sich gegenüber: René Röspel, Bundestagsabgeordneter, und Timo Schisanowski, Vorsitzender der SPD Hagen. Den dritten Bewerber, den arbeitslosen Edmond Gashi (32) aus Altenhagen, hat niemand ernsthaft auf der Liste.

Ein Machtkampf ist hinter den Kulissen in Hagen und im südlichen Ennepe-Ruhr-Kreis längst entbrannt. Den in Selbstzerfleischungs-Prozessen durchaus erfahrenen Sozialdemokraten droht bereits zehn Monate vor der Wahl die Spaltung.

SPD-Ortsvereine bringen sich in Position

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Auf der einen Seite positionieren sich jene Ortsvereine, die Röspels Arbeit schätzen und die dem Vorsitzenden der Arbeiterwohlfahrt Ennepe-Ruhr, der bereits seit 1998 im Bundestag sitzt, zutrauen, den Wahlkreis auch in den kommenden Jahren in der Hauptstadt zu vertreten.

Auf der anderen Seite jene, die die Zeit für einen Generationenwechsel spätestens jetzt für gekommen halten und sich für den langjährigen Jura-Studenten und Bachelor-Wirtschaftsjuristen, der als Geschäftsstellenleiter der Stiftung einer öffentlichen Wohnungsgesellschaft in Bochum arbeitet und sich gern im Stile eines Christian Lindners auf Instagram präsentiert, aussprechen.

Öffentlichkeit und Schweigen

So entscheiden die Ortsvereine.
So entscheiden die Ortsvereine. © WP Hagen | Manuela Nossutta / Funkegrafik NRW

Während die Unterstützer des Ersteren in regelmäßigen Mitteilungen sich öffentlichkeitswirksam hinter ihrem Kandidaten positionieren, hüllen sich die Letzteren nach außen hin in Schweigen und öffnen Raum für Spekulationen, für wen ihre Delegierten, die rein formal natürlich völlig frei in ihrer Stimmabgabe sind, denn votieren sollen. Jörg Meier, SPD-Urgestein, Architekt im Beruf, der nach der Kommunalwahl gerne Bezirksbürgermeister Hagen-Mitte geworden wäre, ist einer derjenigen, die sagen, dass sie nichts sagen. Außer so viel: „Ich habe lange mit beiden Kandidaten gesprochen. Im Ortsverein haben wir diskutiert und Delegierte bestimmt. Aber wenn jetzt alle hergehen und die Ergebnisse öffentlich machen, verliert am Ende nur die SPD.“

Ganz anders sieht das Horst Wisotzki, Vorsitzender der SPD Westerbauer und seit neuestem Bezirksbürgermeister in Haspe, dem Schisanowski noch unlängst symbolträchtig mit Coronaabstand vor dem Kirmesbauerdenkmal an der Bezirksverwaltungsstelle in Haspe gratulierte: „Wenn wir den Wahlkreis gewinnen wollen, dann geht das nur mit René Röspel“, rammt der einstige Chef der Hagener Feuerwehr feste Pflöcke in den Boden.

Guter Start für Herausforderer Timo Schisanowski

Zu den Personen

René Röspel wurde am 9. Juni 1967 in Hagen geboren. Der Familienvater ist verheiratet und hat vier Kinder. Nach der Realschule hat er am Gymnasium Hohenlimburg Abitur gemacht. Er ist studierter Ökologe und 1993 in die Partei eingetreten.

Timo Schisanowski ist Jahrgang 1981. Er wurde in Hagen geboren. Er ist ledig, arbeitet als Geschäftsstellenleiter der VBW Stiftung. Er hat Jura in Bochum und an der Fernuni studiert und mit einem Bachelor sein Studium abgeschlossen.

Dabei ließ es sich so gut an – für den Herausforderer. Denn nachdem Amtsinhaber Röspel (56) öffentlich im Alleingang erklärt hatte, dass er vorhabe, wieder für die SPD in den Deutschen Bundestag einzuziehen, holte sich der aufstrebende Genosse Schisanowski (39), der jetzt erstmals im Hagener Stadtrat sitzt, im Hagener Parteivorstand ein einstimmiges Votum ab. Es entbrannte parallel eine Diskussion um eine Absprache vor der letzten Bundestagswahl. Da soll Röspel erklärt haben, 2021 das Feld zugunsten eines Nachfolgers räumen zu wollen. Erinnern kann der Bundestagsabgeordnete sich an eine solche Zusage allerdings nicht.

16:0 Stimmen also im Hagener SPD-Vorstand für Timo Schisanowski. Und weil es eine liebe Tradition ist, dass die SPD im südlichen Ennepe-Ruhr-Kreis (Schwelm, Ennepetal, Gevelsberg, Breckerfeld) jeweils den Hagener Bundestagskandidaten mitträgt, weil ja die Genossen im Hagener Westen bei der Landtagswahl (Abgeordneter ist der Gevelsberger Hubertus Kramer) umgekehrt ebenso verfahren, schien Schisanowski aus seiner Sicht auf gutem Wege.

Widerstand bei den Hagener Jungsozialisten

Anfrage in allen SPD-Ortsvereinen

Zuletzt haben die Stadtredaktion immer wieder offizielle Pressemitteilungen einzelner Ortsvereine erreicht, die mitgeteilt haben, dass sie sich auf Versammlungen für René Röspel ausgesprochen haben.

Um aber ein vollständiges Bild zu erhalten, haben Redakteure aus Hagen und dem EN-Südkreis sämtliche Ortsvereine kontaktiert. In Hagen gibt es noch 13, fünf sind es in Gevelsberg und je einer in Schwelm, Ennepetal und Breckerfeld.

Nicht alle Ortsvereine haben mitgeteilt, für welchen Kandidaten sie sich entscheiden. Bei einigen – zum Beispiel dem Ortsverein Haspe, dem Timo Schisanowski angehört – liegt jedoch nahe, wie sich entscheiden werden.

Entsprechen ihrer Mitgliederzahl – je ein Delegierter pro angefangene 50 Mitglieder – haben die Ortsvereine bei der Abstimmung Gewicht.

Die meisten Ortsvereine geben ihren Delegierten ein Votum mit. Ob diese sich dann aber in geheimer Abstimmung bei der Kandidatenwahl am 4. Dezember auch daran gebunden fühlen, kann man nicht mit Sicherheit sagen.

Bei der Wahl benötigt der Sieger mehr als 50 Prozent der Stimmen. Sollte dies nach einem ersten Wahlgang nicht der Fall sein, reicht im zweiten Wahlgang die einfache Mehrheit.

Dann aber regte sich Widerstand. Einige Hagener Jungsozialisten ( die Organisation scheint ebenfalls gespalten ) wagten sich aus der Deckung. Die Ortsvereine Eilpe/Dahl und Mittelstadt-Oberhagen signalisierten, dass sie René Röspel unterstützen werden.

Und weil auch aus anderen Ortsvereinen durchsickert, dass sie keinesfalls dem Parteivorsitzenden ihre Stimmen geben wollen, tut sich bereits im Vorfeld der Versammlung eine Diskrepanz auf, die zumindest die Frage aufwirft, ob denn die Besetzung des Vorstands die Vielfältigkeit der Mitglieder und Unterorganisationen spiegelt oder eben nicht.

Häufige Besuche des SPD-Vorsitzenden in Gevelsberg

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Zündstoff bietet das Thema auch in Gevelsberg. Dort hat die SPD die mit Abstand meisten Mitglieder im südlichen Ennepe-Ruhr-Kreis, steht seit Jahren eng hinter Röspel , der gerngesehener Gast auf ihren Veranstaltungen ist. Vor der Pandemie war hier allerdings immer öfter Timo Schisanowski zu sehen. Hinter vorgehaltener Hand sprechen die Genossen von einem Kuhhandel, der neben Schisanowskis Bundestagswahl-Kandidatur auch einem Gevelsberger die Kandidatur für den Landtag sichern soll. Die nächste Wahl für das Düsseldorfer Parlament findet im Jahr 2022 statt.

Sollte Hubertus Kramer mit dann 63 Jahren nicht erneut antreten, soll sich bereits seit geraumer Zeit der Gevelsberger Stadtverbandsvorsitzende Helge Mannott in Position für Kramers Nachfolge bringen. Mannotts große Angst – so heißt es aus Kreisen der Genossen: Helfen die Gevelsberger mit, Schisanowskis berufliche Lebensplanung zu beschädigen, gibt es bei der Kandidatenaufstellung für den Landtag die Retourkutsche aus Hagen und Mannott, der bereits als Gevelsberger Stadtverbandsvorsitzender auf Hubertus Kramer folgte, kann seine berufliche Zukunft ebenfalls ohne Mandat planen.

Telefonische Absicherung durch Schisanowski

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So soll Schisanowski nach dem Zerwürfnis mit Röspel über dessen vermeintliche Zusage insbesondere in Gevelsberg telefonisch sehr nervös abgefragt haben, wer ihn denn weiterhin unterstützt. Von einigen Delegierten war diese Rückendeckung für den 39-Jährigen bereits vor ihrer Kandidatur als Delegierte zugesagt. Insbesondere im größten Gevelsberger Stadtverband Mitte – dem Mannott angehört – , ist so gesichert worden, dass die Delegierten am 4. Dezember für den Hagener Unterbezirksvorsitzenden Timo Schisanowski votieren werden.

Dennoch: Das Rennen um das Konterfei auf den SPD-Wahlplakaten für die Bundestagswahl 2021 bleibt spannend. Dessen Ausgang wird möglicherweise entscheidend die künftige Ausrichtung der heimischen SPD und deren Wahrnehmung bei den Menschen prägen.