Hagen. Bundestagsabgeordneter René Röspel (56) geht vor Wahl in eine Kampfabstimmung gegen Timo Schisanowski. Keine Rückendeckung aus Unterbezirken.
Will die SPD den heimischen Bundestagsabgeordneten René Röspel (56) aufs Abstellgleis schieben oder bricht dieser ein Versprechen an seinen potenziellen Nachfolger Timo Schisanowski (39)? Das Epizentrum des SPD-Bebens liegt zwar in Hagen, hat aber auch direkte Auswirkungen auf den Ennepe-Ruhr-Kreis, denn Röspels Wahlkreis erstreckt sich neben Hagen auch über Gevelsberg, Ennepetal, Schwelm und Breckerfeld.
Nachdem René Röspel, der bereits seit 1998 das Direktmandat für den Bundestag durchgehend innehat, vor drei Wochen erklärt hatte, dass er bei der Wahl 2021 erneut kandidiere, hat der Unterbezirksvorstand der Hagener SPD am Montagabend parallel Parteichef Timo Schisanowski (39) mit 16:0 Stimmen aufs Schild für das Berliner Mandat gehoben und für die Wahlkreiskonferenz am 4. Dezember als Spitzenkandidaten einhellig empfohlen. Der SPD-Unterbezirk des Ennepe-Ruhr-Kreises beriet das Thema am Dienstagabend. Vorsitzender Hubertus Kramer macht deutlich: „Letztlich entscheiden die Delegierten.“ Eine seit Jahrzehnten gelebte Praxis bei den Sozialdemokraten ist aber auch, dass die Hagener den Bundestagskandidaten für den grenzübergreifenden Wahlkreis vorschlagen und der Ennepe-Ruhr-Kreis dies abnickt. Umgekehrt geschieht das beim Landtagskandidaten. „Derzeit habe ich auch keine Rückmeldung, die dies in Zweifel ziehen“, sagt Kramer im Gespräch mit dieser Zeitung. Heißt: Auch der EN-Unterbezirk wird den Delegierten empfehlen, für Timo Schisanowski zu votieren.
Angeblicher Deal vor Wahl 2017
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Damit kommt es bei der Wahlkreiskonferenz zu einer Kampfabstimmung zwischen dem Mandatsträger sowie dem Hagener Unterbezirksvorsitzenden, der zurzeit bei einer Bochumer Wohnungsgesellschaft sein Geld verdient.
Es ist eine äußerstkonfliktreiche Konstellation, die durch einen langfristigen Deal, der bereits im Februar 2016 im kleinen Kreis getroffen wurde, vermieden werden sollte. Damals – also im Vorfeld der Bundestagswahl 2017, bei der Schisanowski ebenfalls schon Ambitionen hegte – verständigten sich die beiden potenziellen Bewerber in einem Acht-Augen-Gespräch, an dem seinerzeit noch SPD-Fraktionschef Claus Rudel und der damalige Kreisgeschäftsführer Robin Baranski teilnahmen, dass Röspel 2017 noch einmal antreten soll, dann jedoch vier Jahre später Schisanowski unterstütze, wenn dieser denn von einer Parteimehrheit nominiert werde.
Röspel mit ganz anderer Erinnerung
So zumindest die Erinnerung von drei der vier Gesprächsprotagonisten. Röspel hingegen betont: „Ich habe niemals gesagt, nicht mehr antreten zu wollen.“ Das würde er auch eidesstattlich versichern. Zwar habe er nach einem leichten Schlaganfall im August 2015 über seine politische Zukunft nachgedacht, jedoch niemals seinen Verzicht erklärt: „Das wird mir jetzt aber so ausgelegt. Ich finde das abartig, dieser Politikstil ist für mich unerträglich.“ Er werde auf jeden Fall in die Kampfabstimmung gegen Schisanowski ziehen: „Ich verliere lieber mein Mandat, als Anstand und Glaubwürdigkeit.“ Gleichzeitig macht er kein Hehl daraus, dass er die Berliner Schuhe für den Hagener Parteichef für zu groß erachtet: „Mein Anspruch an die Voraussetzungen für ein Mandat sind nicht kongruent mit den Ansprüchen anderer – warten allein reicht da sicherlich nicht.“
Schisanowski versichert derweil unisono mit den übrigen Teilnehmern der 2016er-Absprache, dass Röspel seinerzeit nach dem gesundheitlichen Schuss vor den Bug versichert habe, dass es auch in Absprache mit seiner Familie seiner Lebensplanung entspreche, nach 23 Jahren auf dem Berliner Parkett für einen Generationswechsel den Weg freizumachen. Umso erstaunter war jetzt die Partei, als der Familienvater Anfang Oktober erklärte, doch wieder für eine Kandidatur für den Bundestag bereit zu stehen und erneut das Direktmandat für die SPD erobern zu wollen: „Ich fühle mich für diesen Wahlkreis verantwortlich und bin bereit, auch weiterhin Verantwortung zu übernehmen“, formulierte er offensiv. Ein Vorstoß, der prompt einen solidarischen Facebook-Post der Hagener Jusos nach sich zog: „Wir sind überzeugt, dass es keinen besseren Weg für die Partei in Hagen und Berlin gibt, als mit René ins Rennen zu ziehen“, meint der Parteinachwuchs.
Schisanowski: Generationswechsel
Schisanowski zeigt sich derweil entschlossen, den Generationswechsel jetzt einzufädeln: „Meine Nominierung als Vertreter der U40-Generation steht für den Erneuerungsprozess der gesamten SPD: weg von Hartz IV und schöngeredeten Groko-Kompromissen, für neue Köpfe und Ideen.“ Ein Generationenwechsel im Bundestagsmandat sei nach mehr als zwei Jahrzehnten eine demokratische Normalität. „Der Wechsel“, so der Spitzenmann des Unterbezirksvorstandes, „ist eine neue Chance, den Interessen unseres Wahlkreises perspektivisch wieder eine stärkere, einflussreichere Stimme in Berlin zu geben.“