Hohenlimburg. Die digitalen Medien verändern die Arbeitswelt von Seelsorgern in Hagen. Warum sie technisch aufrüsten aber direkte Gespräch weiter vorziehen
Vor der Corona-Pandemie waren Video-Konferenzen für Jörg Chilla fast exotisch – doch das hat sich geändert. „Heute gehört eine Zoom-Konferenz zum wöchentlichen Alltag“, sagt Chilla, der als Jugendreferent in der evangelisch-lutherischen Gemeinde Elsey arbeitet. Wie in vielen Berufsgruppen zwangen sich auch für die Mitarbeiter der Kirchen plötzlich digitale Medien auf, um mit den Gemeinden in Kontakt zu bleiben. Aber kann Kirche über den Bildschirm funktionieren?
Roboter verteilt den Segen
Nicht erst durch Corona hat sich Jörg Chilla mit dieser Frage beschäftigt. Eher spielerisch setzte er vor einigen Jahren den Segens-Roboter „Bless-U2“ ein. Der Roboter wurde 2017 von der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) erschaffen und gilt als weltweit erster „Segensautomat“. Auf Wunsch konnte ein Segen ausgesprochen und auch ausgedruckt werden. „Je älter die Leute waren, desto skeptischer und befremdlicher fanden sie es“, fasst Chilla die Reaktionen zusammen, die der Roboter innerhalb seiner Gemeinde ausgelöst hat. „Es gab auch Gemeindemitglieder, die das einfach nur lustig fanden. Jedenfalls hat der Roboter zu Diskussionen angeregt, denn es ist genau das, womit wir uns beschäftigen müssen.“ Denn die Distanz zu digitalen Medien und dem Austausch über Bildschirm sei da, weil der Großteil der Menschen bisher noch nicht so geübt im Umgang ist. „Ich glaube, wir werden durch die ganzen Zoom-Konferenzen immer mehr vertraut damit. Vielleicht sagen wir in zehn Jahren, das ist ein selbstverständlicher Teil unserer Arbeit.“
So euphorisch diese Worte klingen, so sehr zeige die Erfahrung der vergangenen Corona-Monate aber auch, dass die digitalen Medien ihre Schwächen haben – gerade, wenn es um Seelsorge geht. „Diese neuen Medien sind klasse, um zu sagen ,Wir sind da und halten Kontakt zu euch’. Aber ein intensives Gespräch entwickelt sich in der Regel eher am Telefon.“ Für ihn bleibe das persönliche Gespräch weiter das Höchste. „Auch weil wir Menschen nicht nur audiovisuelle Wesen sind. Bei Seelsorge geht es viel um Emotionen und nicht um Informationen.“ Zwar könne man Emotionen auch über den Bildschirm transportieren, „aber durch Nähe und direktes Ansehen geht eine ganze Menge mehr.“ Davon ab gebe es berechtigte Fragen etwa zum Datenschutz und der Sicherheit von Messenger-Apps und sozialen Netzwerken. „Wir sollten nie sagen, wir machen nur Seelsorge in den neuen Medien. Digitale Kommunikation ist wichtig und wird es bleiben, aber nur als Ergänzung.“
Auch interessant
Digitale Kommunikation als Ergänzung
Ähnlich sieht das auch Pfarrerin Tabea Esch. Sie hofft, dass die Corona-Zeit einen Schub auslöst, um die Kirche digitaler zu machen, hat aber auch die Grenzen kennengelernt: Denn den direkten Kontakt könnten die neuen Medien nicht ersetzen: „Allein bei Trauerfällen. Das war eine riesige Herausforderung sowohl für die Trauernden als auch für uns Seelsorger. Da merkt man, was fehlt.“ Mehrere Trauergespräche hat Esch über die Videoplattform „Zoom“ gemacht, teils mehr als eine Stunde lang. Ihr Eindruck: „Es hat ein bisschen gebraucht, aber dann hat der Bildschirm fast keine Rolle mehr gespielt.“ Andererseits sei die digitale Art des Gesprächs enorm anstrengend. Denn über einen zweidimensionalen Bildschirm nehme man die Person gegenüber anders wahr. „Es kann sein, dass räumliche Nähe freier macht. Es kann aber auch sein, dass es irritiert und die Menschen eher zurückhaltender macht. Das würde ich nie pauschal sagen.“
In den Zeiten des ersten Corona-Stillstands im Frühjahr, als Gottesdienste in den Kirchen nicht möglich waren, habe ihre Gemeinde aus der Not eine Tugend gemacht – und in Ton- und Kameratechnik investiert. Am Ostersonntag dann wurde der erste Gottesdienst aus der Kirche live im Internet übertragen. „Das war erstmal ein Versuch und neu für uns.“
Inzwischen gab es mehrere Live-Streams von Gottesdiensten und auch Konzerte, die aus der Kirche ins Netz übertragen wurden. Zuletzt lud die Gemeinde am „Tag des offenen Denkmals“ zu einer digitalen Kirchenführung auf der Gemeinde-Homepage. Gemeinsam haben zudem alle Kirchengemeinden aus Hohenlimburg einen digitalen Osterweg mit Videoclips realisiert. „Viele Kolleginnen und Kollegen sind aktiv geworden, da ist unheimlich viel passiert.“ Sie begrüße diese Entwicklung ausdrücklich und wolle nicht mehr zurück zu der Zeit, als ihre Gemeinde keine Aufnahmetechnik für Gottesdienste hatte. Es schade der Kirche nicht, sich digitale Formate anzugucken und anzueignen. „Ich finde, wenn man diese Formate als Ergänzung und Bereicherung sieht, ist das super.“
Nur: Kommt der Segen Gottes auch über den Bildschirm? „Es steht viel darüber in der Bibel, dass wir uns manchmal überraschen lassen können, wie der Geist Gottes wirkt“, lässt Pfarrerin Esch diese Frage offen. Persönlich finde sie den direkten Kontakt zu den Menschen im Gottesdienst schöner. „Aber ich würde mir nicht anmaßen, Gott abzusprechen, dass er die Menschen auch über den Bildschirm segnen kann.“
Wie die Seelsorger ihre Smartphones privat nutzen
Jörg Chilla arbeitet seit 2016 als Jugendreferent mit halber Stelle in der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Elsey. Soziale Netzwerke und Messenger wie Facebook und Whatsapp nutzt Chilla dienstlich, aber nicht privat. Daheim gehe sein Interesse bei Apps eher zu digitalen Brettspielen wie „Siedler von Cartan“. „Oder Apps zur Fotobearbeitung, weil ich gerne fotografiere.“
Auch die Videoplattform Youtube habe er schon genutzt – mit seinem Sohn. „Wir haben Lego-Filmchen gemacht und dort präsentiert.“
Dr. Tabea Esch leitet seit 2014 die reformierte Kirchengemeinde Hohenlimburg. Die promovierte Theologin nutzt Facebook auch privat. „Ich finde es super, sich zu vernetzten“, sagt sie. Anders als ihr Sohn gehe das Interesse aber nicht darüber hinaus. Experimente auf Plattformen wie „Instagram“ und „Tiktok“ macht sie nicht. „Ich bleibe bei dem, was meiner Generation entspricht“, sagt die 42-Jährige.