Hagen. Lionel Messi ist ein einsamer Punkt in den Diagrammen von David Kliment. Der Student aus Hagen hat ein System zur Spielerbewertung entwickelt.
Im Leben von David Kliment (25) dreht sich alles um Fußball. Er geht gern ins Stadion von seinem Lieblingsverein, dem Bundesligisten Borussia Dortmund und ab und an auch mal in seiner Heimatstadt zu Bayer Leverkusen. Er schaut gern Spiele im Fernsehen. Wenn er sich unterhält, dann am liebsten über Fußball.
Zum Ausgleich studiert er Wirtschaftsinformatik. Doch auch in sein Studium an der Fachhochschule Südwestfalen in Hagen hat sich der Fußball eingenistet. Für seine Bachelor-Arbeit hat Kliment abertausende von Spiel- und Spielerdaten ausgewertet und eine Methode entwickelt, mit der sich im Sinne einer Scouting-Analyse belegen lässt, welche Spieler ein vergleichbares Spielverhalten aufweisen. Sein Professor Christian Leubner benotete die wissenschaftliche Analyse mit der Note 1,0.
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Die Erfassung von Spieldaten mit Hilfe künstlicher Intelligenz („soccer analytics“) gehört im Profifußball längst zum Alltag. Viele Klubs beschäftigen Analysten, die die Laufwege, die Passgenauigkeit, die Kopfballstärke und zahlreiche weitere Eigenschaften der Spieler auswerten. David Kliment hat in seiner Bachelorarbeit 326 Spiele des spanischen Topvereins FC Barcelona aus den vergangenen zehn Jahren daraufhin untersucht, aus welcher Schussposition ein Treffer am wahrscheinlichsten ist und wo der Vorlagengeber des Torschützen stand. Dabei kam zunächst eine allzu lapidare Weisheit heraus: „Je näher der Ball beim Schuss dem Tor ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er reingeht“, sagt Kliment.
Mehrwert für die Trainer
Gekoppelt mit den Positionsdaten des Spielers, der die Vorlage gab, können sich aus den Ergebnissen von Kliment jedoch Spielzüge und Passkombinationen entwickeln und trainieren lassen, die die Aussicht, ein Tor zu erzielen, erhöhen. Trainer können entsprechende Passkombinationen in die täglichen Übungseinheiten einfließen lassen.
Ein Fußballspiel ist an sich schwer vorhersagbar und von vielen Zufällen bestimmt. Doch wenn die auf einer Datenanalyse beruhenden Erkenntnisse nur zu einem geringen Vorteil führen, kann das im Profisport und über eine gesamte Saison hinweg über Erfolg und Misserfolg entscheiden. „Datenanalysen sind Entscheidungshilfen, würde ich mal sagen“, so Kliment.
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Der zweite Teil seiner Arbeit beschäftigt sich mit der Spielweise von mehreren Akteuren des FC Barcelona, in dessen berühmtem Stadion Nou Camp Kliment häufig zu Gast war, weil sein bester Freund in der katalanischen Metropole wohnt. Anhand von 78 Komponenten (z.B. Pässe pro Spiel, Passrichtung, Flanken, Kopfbälle) hat er die Spieler unter die Lupe genommen und die Ergebnisse in Diagrammen zusammengefasst. Etwas abseits jenes mehr oder weniger eng umfassten Bereichs, in dem sich wie eine Traube die meisten Spieler anordnen, befindet sich ein einsamer Punkt im Skalensystem. Lionel Messi. „Vor allem seine vielen erfolgreichen Dribblings im gegnerischen Strafraum heben ihn von den anderen Spielern ab“, berichtet Kliment.
Hakimi als Alves-Ersatz?
Aber auch den ehemaligen Rechtsverteidiger des FC Barcelona, Dani Alves, mit über 40 gewonnenen Titeln der erfolgreichste Fußballer der Geschichte, weist der Graph als einzigartigen Kicker aus. Wie findet man gleichwertigen Ersatz, wenn ein solcher Spieler den Verein verlässt? Kliment hat dazu Datensätze von anderen bekannten Rechtsverteidigern in Europa ausgewertet und ist zu dem Schluss gekommen, dass der Ex-Dortmunder Hakimi der Spielweise von Alves am nächsten kommt. Derartige Berechnungen können Trainern und Sportdirektoren bei der Spielersuche wertvolle Hinweise geben.
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Für den FC Barcelona kommt die Analyse von Kliment, sollten die Vereinsverantwortlichen sie denn je zu Gesicht bekommen, zu spät. Hakimi spielt mittlerweile für Inter Mailand und steht dort bis 2025 unter Vertrag. Auch David Kliment träumt davon, einmal bei einem berühmten europäischen Fußballclub unterzukommen: nicht als Spieler, sondern als Datenanalyst.