Hagen. Eltern in Hagen zahlen die höchsten Kindergartenbeiträge in Deutschland. Betreut werden die Kinder trotzdem nicht. Erst Corona, jetzt Streik.
Den Eltern reicht es. Erst Corona und der Lockdown, jetzt die Streiks – die Kindergärten in Hagen sind in diesem Jahr öfter geschlossen als geöffnet gewesen. Vielleicht nicht rechnerisch, aber gefühlsmäßig. Der Warnstreik am Dienstag hat das Fass zum Überlaufen gebracht. „Die Auseinandersetzung wird auf den Schultern von uns Eltern und unseren Kindern ausgetragen“, sagt Karolina Nowak, selbstständige Kosmetikerin und Mutter einer Tochter, welche den Kindergarten in der Poststraße in Kabel besucht: „Um mein Kind zu betreuen, musste ich alle Termine absagen. So verliere ich Kunden. Das gefährdet meinen Betrieb.“
Viele Väter und Mütter in Hagen sind ebenso erbost wie Karolina Nowak. Sie können nicht verstehen, dass die Gewerkschaft Verdi die durch Corona ohnehin angespannte Situation eskalieren lässt. Dass sie die Leidtragenden des Ausstandes sind. Dass womöglich ein wochenlanger Streik bevorsteht. Dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht über einen neuen Tarifvertrag einig werden. „Wir stehen hinter unseren Erzieherinnen und möchten, dass sie gut bezahlt werden“, betont Tobias Engelbert: „Aber dieser Streik kommt zur Unzeit. Die Gewerkschaft lässt jegliches Fingerspitzengefühl vermissen.“
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Seine jüngere Tochter (4) besucht den Kindergarten im Eschenweg in Helfe, ebenfalls eine städtische Einrichtung. Dort fand am Dienstag immerhin eine Notbetreuung statt, 20 Kinder wurden eingelassen, wobei nach Angaben der Stadt der Betreuungsbedarf entscheidend war. Berufstätige Alleinerziehenden sowie Familien, in denen beide Elternteile einer Arbeit nachgehen, wurden zuerst berücksichtigt.
Frauen besonders benachteiligt
„Ich bin Gärtnermeister und kann nicht von einem Tag auf den anderen erklären, dass ich nicht zur Arbeit komme“, schildert Engelbert, dessen Frau ebenfalls berufstätig ist, das Dilemma: „Bei spontanen Streiks wissen wir nicht, wo wir die Kinder unterbringen sollen.“
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Corona hat ja nicht nur für den Lockdown im Frühjahr gesorgt. Sobald ein Kind das geringste Erkältungssymptom zeigt, muss es zu Hause bleiben. Viele Eltern haben die ihnen in solchen Fällen zustehenden Betreuungstage längst aufgebraucht. Und zu Oma und Opa, die häufig zur Risikogruppe zählen, wollen sie ihr erkältetes Kind auch nicht bringen. Bianca Friedrichs, Mutter eines Sohnes (4) im Kindergarten Eschenstraße, sieht vor allem Frauen benachteiligt: „Welcher Arbeitgeber stellt denn jemanden ein, der wegen eines Kindes so oft zu Hause bleiben muss?“
Die Forderungen von Verdi im aktuellen Tarifstreit
Die Gewerkschaft Verdi fordert für die rund 2,3 Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes von Bund und Kommunen in Deutschland unter anderem eine Anhebung der Einkommen um 4,8 Prozent bzw. einen Mindestbetrag von 150 Euro bei einer Laufzeit von zwölf Monaten.
Die Ausbildungsvergütungen und Praktikantenentgelte sollen um 100 Euro monatlich angehoben werden.
Gefordert wird auch die Senkung der Arbeitszeit im Osten um eine Stunde auf 39 Stunden wie im Westen. Für das Gesundheitswesen und die Pflege sollen besondere Verbesserungen erreicht werden.
Den Streik der Erzieherinnen empfinden zahlreiche Eltern daher als unangemessen. Und Bettina Schwerdt, stellvertretende Bezirksgeschäftsführerin von Verdi in Hagen, zeigt auch Verständnis: „Ich weiß, welche Belastung die Streiks für viele Familien in diesem Jahr bedeuten.“ Man habe die Arbeitgeber wegen der Corona-Situation daher gebeten, die Tarifverhandlungen ins Frühjahr 2021 zu verschieben: „Das wurde abgelehnt. Nun sind wir gezwungen Druck aufzubauen, um unseren Forderungen Nachdruck zu verleihen.“
Städtische Kitas betroffen
Der Streik richtet sich gegen die kommunalen Arbeitgeber, somit waren auch am Dienstag die 25 städtischen Kindergärten betroffen. Kirchliche Einrichtungen übernehmen in der Regel die Abschlüsse, da sie sich am Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst orientieren. Die Arbeiterwohlfahrt hat einen eigenen Haustarifvertrag und ist in der Vergangenheit auch bestreikt worden. Dieser wird aktuell jedoch nicht verhandelt.
Auch der größte Kindergarten in Nordrhein-Westfalen, die Kita Gabriel in der Yorckstraße, die nach zwischenzeitlicher Corona-Schließung wieder öffnen darf, wird privatwirtschaftlich geführt und ist nicht betroffen.