Hagen. Volle Auftragsbücher, kaum Nachwuchskräfte: Den Baufirmen in Hagen gehen die Lehrlinge aus. Es gibt 2020/21 gerade mal einen Maurer.

Bauboom trifft auf Nachwuchs-Mangel: Obwohl die Auftragsbücher voll sind und die Branche floriert, gehen den Baufirmen in Hagen die Lehrlinge aus. Im neuen Ausbildungsjahr verzeichnen die heimischen Unternehmen gerade mal einen Maurer-Azubi. Auch an den anderen Berufen des Baugewerbes haben junge Menschen heutzutage offenbar kaum Interesse, 47 Prozent aller Ausbildungsstellen auf dem Bau blieben in diesem Sommer unbesetzt.

„Wenn es den Firmen nicht gelingt, Schulabgänger für die dringend gebrauchte Arbeit als Maurer, Straßenbauer oder Baugeräteführer zu finden, dann gerät das Fundament der ganzen Branche ins Wanken“, warnt Friedhelm Kreft von der Industriegewerkschaft Bau.

Mangel an Nachwuchs gefährdet eine ganze Branche

Marcel Martinez (18) darf man daher als Ausnahmeerscheinung bezeichnen. Nach dem Besuch der Realschule Haspe begann er eine Ausbildung zum Maurer bei der Firma Meisterbau und befindet sich im zweiten Lehrjahr: „Ich bin eher zufällig in dieses Handwerk reingerutscht, aber ich möchte nichts anderes mehr machen.“ Der Job sei vielseitig, die Kollegen top. Sein Meister Mike Brese (52) prophezeit ihm eine vielversprechende Zukunft: „Aus dem wird was.“

Immer weniger junge Menschen wollen ein Handwerk erlernen. Das stellt Baubetrieb vor Probleme.
Immer weniger junge Menschen wollen ein Handwerk erlernen. Das stellt Baubetrieb vor Probleme. © WP | Michael Kleinrensing

Zugleich weist auch Brese darauf hin, dass der Mangel an Nachwuchskräften mittelfristig die gesamte Branche gefährde. Beim Maurerhandwerk gehe es nicht bloß darum, Steine aufeinander zu stapeln, auf dem Bau würden gut ausgebildete Fachkräfte mehr denn je gebraucht: „Die Ausbildung ist viel umfassender als früher.“ Nur so könnten Qualität, Sorgfalt und Sicherheit gewährleistet werden. Wenn eine junge Familie ein Haus baue und sich auf 30 Jahre und länger verschulde, dann verlange sie eine entsprechende Gegenleistung, die von schlecht ausgebildeten Handwerkern oder Schwarzarbeitern nicht erbracht werden könne.

Fatale Entwicklung: Schüler wollen keine Handwerker werden

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Dass junge Menschen nach der Schule kaum mehr ins Handwerk drängen, hält Brese für eine fatale Entwicklung: „Wir brauchen auch Leute, die anpacken und die Universitäten bauen, in denen studiert wird.“ Derzeit sehe es leider so aus, als seien Azubis auf dem Bau bald so gefragt wie eine Flasche Wasser in der Wüste: „Es ist schon ein Highlight, jemanden zu finden, der pünktlich ist, handwerklich talentiert und einen Führerschein hat.“

Hinzu kommt, dass mit dem Berufsbild des Maurers offenbar immer noch die Vorstellung von schwerer körperlicher Arbeit bei Wind und Wetter, wenig Freizeit und schlechter Bezahlung verbunden sei, konstatiert Frederik Linke, Lehrlingswart der Baugewerks-Innung in Hagen: „Dieses Klischee haftet uns nach wie vor an.“ Junge Leute ließen sich auch dann oft nicht vom Gegenteil überzeugen, wenn sie erführen, dass sich als Azubi auf dem Bau viel mehr Geld verdienen lasse als in anderen Ausbildungsberufen.

Handwerk kann mit Gehältern der Industrie nicht mithalten

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Trotzdem: Mit den Stellenangeboten in der Industrie und den damit verbundenen Gehältern, Zuschlägen und fest begrenzten Arbeitszeiten kann das Handwerk oft nicht mithalten. Daran könnte die Pandemie, die die Industrie schwer getroffen, das Handwerk aber kaum beeinträchtigt hat, möglicherweise etwas ändern, mutmaßt Linke: „Eigentlich muss es irgendwann in den Köpfen ankommen, dass wir gute, sichere und attraktive Arbeitsplätze bieten.“

Marcel Martinez hat seine Entscheidung jedenfalls schon getroffen, er will nach der Gesellenprüfung den Meister und sich selbstständig machen. Als Maurer.