Lennetal. Reika ist weltweit führend mit seinen Rohrverarbeitungssystemen. Doch Corona trifft auch dieses Unternehmen hart. Und trotzdem bleibt man mutig.

Es ist eine Besichtigung, die so viel aussagt über die Lage des Mittelstandes in diesen Tagen. Und die zeigt, wie viel unternehmerische Kraft, wie viel weltweite Innovation und Marktführerschaft im Lennetal angesiedelt sind. Die aber auch den Finger in jene Wunde legt, wo ihn auch C.D. Wälzholz-Chef Toni Junius bei der großen Wahlarena der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer und unserer Zeitung kürzlich hinlegte. Ein Blick in die Firma Reika an der Tiegelstraße.

Unternehmen 1906 gegründet und heute weltweit führend

Dienstagmorgen. Christian Lindner ist da. Bundesvorsitzender der FDP und ihr Fraktionsvorsitzender im Bundestag. Weiße Sneaker, kariertes Sakko, Jeans im Used-Look. Logisch, er wirbt für sich, seine Partei und irgendwie auch für die FDP im anstehenden Kommunalwahlkampf. Dennoch: Der bekannteste Liberale Deutschlands hört zu, nachdem er überdeutlich in kurzer Ansprache klargemacht hatte, wo für ihn das deutsche Rückgrat liegt und die vielen Steuermillionen herkommen, die Bund und Länder gerade großzügig verteilen können. Aus dem Mittelstand nämlich. Oder eben ziemlich lokal: Aus der Firma Reika, 40 Mitarbeiter, 1906 in Hagen gegründet und weltweites Zugpferd beim Bau von Werkzeugmaschinen für die Rohrweiterverarbeitung (siehe Infokasten).

FDP-Chef Christian Lindner spricht vor der Reika-Belegschaft.
FDP-Chef Christian Lindner spricht vor der Reika-Belegschaft. © Michael Kleinrensing

50 Prozent Umsatzverlust

Eben jene Firma Reika trifft es gerade rohrdick, um im Bild zu bleiben. Umsatzverlust durch die Corona-Krise: rund 50 Prozent. Von 12 bis 14 Millionen Euro Jahresumsatz werden jetzt sieben Millionen angepeilt. Die Belegschaft bis hinein in den Vertrieb ist in Kurzarbeit, einige Anlagen in der Halle an der Tiegelstraße stehen still, weil beispielsweise der US-Markt gerade nicht bedient werden kann.

Wer als Laie diese Zeilen liest, mag irgendwie eine Corona-Tristesse heraus spüren. Doch weit gefehlt. Die Belegschaft, vom Industriemechaniker bis zum Controller und zum Geschäftsführer Hans-Jörg Braun, bauen sich beim Polit-Besuch von Lindner, Bundestagsabgeordneter Katrin Helling-Plahr und Oberbürgermeister Erik O. Schulz geschlossen und als Team auf.

Reika-Chef Hans-Jörg Braun: „Sind der Mittelständler mit Know-how“

Sie arbeiten trotz und auch gegen die Krise. Sie bleiben innovativ, halten zusammen. „Wir sind der Mittelständler mit Know-how“, sagt Chef Hans-Jörg Braun. Kernkompetenzen, die bis nach Peru, Russland, Asien und Afrika gefragt sind. Wie so viele Firmen im Lennetal ein stilles Aushängeschild dieser Stadt.

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Hans-Jörg Braun beschreibt sein Unternehmen als mutig. Und selbst gibt er sich auch so. Lindner und OB Schulz dürfen sich anhören, wie sehr Unternehmen wie Reika unter der Bürokratielast von Kommune, Land und Bund ächzen. Die endlich laufende Flächenerweiterung an der Tiegelstraße (500 Quadratmeter Hallenfläche und 500 Quadratmeter Verwaltung) hat eine Bauantragsbearbeitung von allein acht Monaten gehabt. „Wir hatten verschiedene Höhen und Tiefen. Die Deutsche Bank und jetzt Corona haben uns Schwierigkeiten gemacht. Aber wenn dann sowas noch dazu kommt, ist das so ärgerlich. Wir sind doch nicht neu hier. Wir sind seit 1906 in Hagen“, sagt Braun.

Reika-Chef Hans-Jörg Braun. .
Reika-Chef Hans-Jörg Braun. . © Michael Kleinrensing

Lobby-Register als Vorschlag

Deutliche Worte, die auch seine Mitarbeiter finden. Ein junger Industriemechaniker meldet sich und fordert von Christian Lindner, dass die Lobby des Mittelstandes in Deutschland viel mehr gestärkt werden müsse. „Ich gebe Ihnen Recht, wir brauchen ein Lobby-Register, damit wir überhaupt nachvollziehen können, wer den Einfluss nimmt“, sagt Lindner.

Lindner: Wertschöpfung wird vernachlässigt

Industrielle Wertschöpfung werde vernachlässigt, so Lindner. Verbrennungsmotoren beispielsweise – auch die Auto-Industrie spielt bei Reika eine wichtige Rolle – würden immer noch mehr Arbeitskräfte als E-Mobilität binden, aber weniger Wertschätzung erfahren. „Wir dürfen erst aus etwas aussteigen, wenn wir gleichwertigen Ersatz haben“, sagt Lindner und verweist auf den holprigen Atom-Ausstieg.

Wirtschaftsförderung als Chefsache

Dann spricht OB Schulz. Reika könne sich nichts mehr dafür kaufen, dass Abläufe und Personalstrukturen in der Bauverwaltung nun so verbessert wären, dass man nicht mehr acht Monate auf eine Genehmigung warten müsse. „Aber die Botschaft ist bei uns angekommen. Auch die Wirtschaftsförderung wollen wir so aufstellen, dass wir mehr in der Bestandspflege arbeiten können. Eigentlich müssen Sie sich nicht um solche Dinge wie die Baugenehmigung kümmern.“ Zur Wahrheit gehört aber auch: Schulz hatte schon bei Amtsantritt vor sechs Jahren die Wirtschaftsförderung zur Chefsache erklärt. Kritikpunkt an der Wirtschaftsförderung hatte auch Wälzholz-Chef Junius bei der Wahlarena unserer Zeitung vorgebracht.

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Christian Lindner (rechts) im Gespräch mit Mitarbeiter Olaf Plobner
Christian Lindner (rechts) im Gespräch mit Mitarbeiter Olaf Plobner © Michael Kleinrensing

Hans-Jörg Braun führt den hohen Besuch durch die Produktionshallen und in eine Video-Konferenz mit einem Werk in China, wo eine neue Reika-Maschine aufgebaut wurde. Corona hat die Kommunikationsprozesse verändert. Gewisse Standards aber bleiben. Wozu die Qualität gehört. Ein Beispiel: Eine Reika-Maschine aus dem Jahr 1957 läuft noch in Peru, von wo gerade Ersatzteile angefordert wurden.

Zwei Aufträge trotz Corona

1906 wurde Reika als „Maschinenfabrik Reinery“ gegründet. Von Beginn an wurden Maschinen für die Rohrverarbeitung entwickelt. Heute gehört Reika weltweit zu den führenden Herstellern von schlüsselfertigen Rohrbearbeitungsanlagen.

Manche Maschinen sind seit mehr als 40 Jahren erfolgreich in der Produktion eingesetzt. Zu den Referenzen des Unternehmens gehören Mercedes, VW, Lada, Geberit, Magnet Marelli oder Thyssen. Das Unternehmen bedient weltweit Kunden.

Zuletzt war es Reika trotz Corona-Krise gelungen zwei Großaufträge von Stammkunden national wie international hereinzuholen.

Stahlrohrhersteller Mannesmann Line Pipe rüstet mit einer neuen Reika-Anlage sein Werk in Hamm auf. Und das Unternehmen OMK Vyska aus Russland setzt eine Reika-Maschine zur Produktion von Rohrmuffen ein.

Die Firma Reika im Lennetal baut Maschinen für die Rohrweiterverarbeitung.
Die Firma Reika im Lennetal baut Maschinen für die Rohrweiterverarbeitung. © WP | Michael Kleinrensing