Selbecke. Die wunderschöne Linde auf dem Grundstück von Friedrich Menze ist dem Tode geweiht. Jemand hat den Baum angebohrt und mit Glyphosat vergiftet.
Erschüttert steht Friedrich Menze vor dem großen Lindenbaum in der Toreinfahrt. 80 Jahre lang hat der Riese dort gestanden und das schmucke Haus samt Grundstück bewacht, aber jetzt ist er seinem Ende nahe. Ein unbekannter Frevler hat fünf tiefe Löcher in den Stamm gebohrt und dann mit Glyphosat gefüllt. Seit sechs Monaten ringt der Baum vergeblich um sein Leben. „Das ist ein Verbrechen“, sagt Menze: „Da steckt eine unheimliche kriminelle Energie hinter.“
Gegen das Gift, ein Totalherbizid, das alle grünen Pflanzen killt, hat der Baum keine Chance. Friedrich Menze sagt, wenn die Linde sterbe, sei das so, als würde ihm ein Arm abfallen. Seitdem er das Haus an der Selbecker Straße, die ehemalige Villa der Drahtzieherei Rafflenbeul, vor 30 Jahren erworben hat, fühlt er sich dem Baum, dem das gesamte Grundstück viel von seiner verträumten, malerischen Atmosphäre zu verdanken hat, verbunden. Im Sommer summte und brummte es stets vor lauter Insekten, die herrliche Krone bot Schatten und Schutz. „Man sieht ja, wie der Baum mit dem Haus harmoniert“, sagt Menze.
Symbol des Friedens
Doch es muss jemanden geben, dem die Idylle des Anwesens ein Dorn im Auge ist. Dem ein alter Lindenbaum, seit jeher ein Symbol des Friedens und der Liebe, nicht mehr bedeutet als ein Unkraut im Rosenbeet.
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Unten im Stamm klaffen, 18 Zentimeter tief und mit einem Durchmesser von zwei Zentimetern, fünf Löcher. Es ist nicht schwer zu erkennen, dass diese offenen, sauber abgegrenzten Stellen dem Baum mit einem Bohrer zugefügt worden sein müssen. „Das ist kein Kinderstreich“, sagt Menze: „Das macht kein Zwölfjähriger.“
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Menze hat einen Verdacht, doch den darf er nicht äußern. Auf Empfehlung des städtischen Umweltamtes hat er Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt, nun ermittelt die Polizei. Auch Pascal Przybyla, der städtische Baumexperte, war vor Ort in der Selbecke und hat sich den Schaden angesehen. Er riet Friedrich Menze auch dazu, einen Sachverständigen zu engagieren, der dann tatsächlich die Vergiftung der Linde mittels Glyphosat festgestellt hat.
Zuverlässiger Killer
Die Substanz ist im Handel unter dem Namen „Roundup“ bekannt und gilt als zuverlässiger Unkrautkiller. Ihre tödliche Wirkung entfaltet sie, indem sie ein Enyzm hemmt, das beim Wachstum von Pflanzen eine entscheidende Rolle spielt. Lange galt die Chemikalie als unbedenklich für Mensch und Tier, doch inzwischen mehren sich die Zweifel an der Ungefährlichkeit und es wird darüber diskutiert, ob Glyphosat Krebs erzeugen kann.
Gefahr für den Verkehr
Mittlerweile hat auch der Landesbetrieb Straßen NRW von der todkranken Linde erfahren und seine Baumkontrolleure in die Hagener Selbecke geschickt. Die stellten fest, dass der Baum trocken und bruchgefährdet ist.
Staatsanwaltschaft prüft den Fall
Die Polizei in Hagen bestätigte, dass Friedrich Menze Anzeige wegen der Vergiftung seiner Linde gestellt hat.
Es handele sich mindestens um Sachbeschädigung, teilte eine Polizeisprecherin mit. Doch sei auch die Hagener Staatsanwaltschaft mit der Angelegenheit befasst und prüfe, ob ein Verstoß gegen das Forstgesetz vorliege.
Da er unmittelbar an einer Landstraße steht und im Falle eines Umsturzes eine Gefahr für den Verkehr darstellt, müsse er entfernt werden, fordert die Behörde und warnt Menze, dass er für die Verkehrssicherungspflicht verantwortlich ist: „Bei einem möglichen Schaden haften Sie.“
25 Meter hoch ist die Linde, ihr Stammumfang beträgt 2,80 Meter. Sie hatte noch viele Jahrhunderte vor sich, Linden können uralt werden. Doch jetzt ist ihre Lebenserwartung auf wenige Tage geschrumpft.