Hagen. Das Klima in der AKH-Kardiologie in Hagen ist vergiftet. Auslöser war die Besetzung einer Chefarztstelle – ein Fall für das Arbeitsgericht.

In der Kardiologie des Allgemeinen Krankenhauses (AKH) gibt es Zoff hinter der hygienisch-sauberen Kulisse. Ein Streit zwischen rivalisierenden Medizinern und ein ultimatives Schreiben aus der Ärzteschaft an die Klinikleitung sorgen für aufgeheizte Stimmung. Vorläufiger Höhepunkt ist die fristlose Entlassung des Leitenden Oberarztes, der sich jetzt vor dem Arbeitsgericht wehrt.

Als der neue Chefarzt zum 1. April seine Stelle in der Kardiologie im AKH antrat, schien er frohen Mutes. Der Mediziner, der von einer anderen Hagener Klinik herübergewechselt war, habe auch gleich „ein Team von sieben qualifizierten Ärzten ins AKH mitgebracht“, lautete die frohe Botschaft aus der Klinik. Der neu gekrönte Chef-Herzmediziner sparte auch nicht mit Vorschusslorbeeren: Hier im AKH erwarte ihn „ein hochmotiviertes Team“.

Chefarztstelle war dem Oberarzt versprochen

Nun, vier Monate später, dürfte die Freude einer kritischen Ernüchterung gewichen sein. In der alltäglichen Praxis hat es prompt Kollegen-Stress gegeben: mit dem Leitenden Oberarzt. Diesem war nämlich bereits vor Jahren von der Geschäftsleitung versprochen worden, der Chefarzt-Nachfolger Prof. Dr. Peter Weismüller zu werden, wenn dieser sich in den Ruhestand verabschiedet. Im April wäre es soweit gewesen. Dass die Beförderung dann aber doch nicht stattfand, stattdessen ein Externer als neuer Chef der Kardiologie-Abteilung installiert wurde und mit seiner neuen Ärzte-Mannschaft antreten durfte, vergiftete das Klima und führte zum offenen Konflikt unter den Herzspezialisten im AKH.

200.000 Euro Jahresgehalt

Sollte das Krankenhaus die Kündigungsschutzklage verlieren, könnte das sehr teuer werden.

Der Kläger käme zurück an seinen alten Arbeitsplatz und ihm müsste der entgangene Verdienst der letzten Monate nachgezahlt werden.

Das Jahresgehalt des leitenden Oberarztes: 200.000 Euro.

Der Oberarzt fühlt sich offensichtlich ausgebootet. Er beruft sich auf eine schriftliche Nebenabrede vom Mai 2016. Darin wird ihm zugesichert, der Chefarzt-Nachfolger zu werden. Allerdings mit der Einschränkung „bei entsprechender Eignung und Bewährung“. Gerade diese wird von Jochen Dütemeyer (Köln), dem Anwalt der gemeinnützigen evangelischen Agaplesion-AG (zu der auch das Allgemeine Krankenhaus gehört), jetzt lapidar bestritten: „Da er sich nicht bewährt hat, ist er auch nicht Chefarzt geworden.“

Vorwurf: Autorität unterwandert und Weisungen nicht befolgt

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Bereits kurz nachdem der neue Leiter der Kardiologie im April angetreten war, soll sein unterlegener Kontrahent, angeblich aus Frust, im zweiten Glied geblieben zu sein, dessen Autorität unterwandert haben. Zudem hätte der Leitende Oberarzt „die Weisungen des Chefarztes nicht beachtet und diesen sogar vor Patienten schlecht gemacht“, listet Klinik-Anwalt Dütemeyer die Vorwürfe der AKH-Klinikleitung auf: „Diese Dinge haben zu einer extrem schlechten Stimmung in der kardiologischen Abteilung geführt.“

Mitte Mai sei der Oberarzt dann für drei Wochen freigestellt worden. In dieser Zeit, so damals die Hoffnung der Geschäftsleitung, würde man eine gütliche Vereinbarung über dessen Ausscheiden treffen können. Doch am 8. Juni sei der Leitende Oberarzt ungeplant auf die Station zurückgekehrt, berichtet der Rechtsvertreter des Allgemeinen Krankenhauses. „Weitere massive Vorfälle“ hätte es dann gegeben, „und unflätige Anfeindungen“ gegenüber dem Kollegen, so dass der Chefarzt schließlich genervt erklärt habe: „Das mache ich nicht mehr weiter mit. Wenn das so weitergeht, werde ich gehen.“

Situation eskaliert im Juni

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Die Situation eskalierte: In einem Gespräch am 19. Juni habe der Chefarzt noch einmal deutlich gemacht: „Entweder der oder ich.“ Vier Tage später, am 22. Juni, hätten sechs Ärzte aus der AKH-Kardiologie (darunter auch der Chefarzt) in einem Schreiben an die Agaplesion-Geschäftsführung (liegt der Redaktion vor) angedroht: „Aufgrund der gegebenen Situation beabsichtigen wir, das Arbeitsverhältnis am AKH zu beenden, sollten wir weiterhin mit dem Mediziner zusammenarbeiten müssen.“

Daraufhin wurde am 2. Juli die außerordentliche, also fristlose, Kündigung gegen den Leitenden Oberarzt ausgesprochen. Er wurde sofort von allen Aufgaben freigestellt. Die Mitarbeitervertretung im AKH hat der Entlassung jedoch nicht zugestimmt.

Zweifel an den Unterschriften

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Zum Gütetermin im Arbeitsgericht, vor Richterin Nicole Pfeiffer, erschien der Kläger, der gegen seine Kündigung angeht, nicht. Doch sein Anwalt Dr. Wienhold Schulte (Münster) stellte klar: „Diesen Brief an die Geschäftsleitung haben die Ärzte doch womöglich nur pflichtschuldigst unterschrieben. Und diejenigen, die den Brief unterzeichnet haben, sind übrigens bis auf einen alles Ärzte, die der Chefarzt selbst mitgebracht hat.“ Und weiter: 14 Mediziner seien auf der kardiologischen Station beschäftigt. Wenn sechs unterschreiben, so sei das eine Minderheit.

„Darüber hinaus“, so Dr. Schulte weiter, „gibt es Unmut unter den Beschäftigten aus dem Umfeld darüber, dass unserem Mandanten gekündigt worden ist.“ Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe (Untergrabung der Autorität, Anfeindungen, Nichtbefolgen von Weisungen und Schlechtreden gegenüber Patienten) weise sein Mandant zurück.

Keine Abmahnung vor der Kündigung

Die Zahl 14 ist im Verfahren umstritten, denn das Krankenhaus behauptet, in der kardiologischen Klinik seien nur neun Ärzte beschäftigt. Richterin Pfeiffer hat einen Kammertermin für den 22. Dezember anberaumt. Bis dahin soll Agaplesion vortragen, warum der Kündigung keine Abmahnung vorausging.