Hagen. In Hagen ist eine Niederlassungssperre für Ärzte verhängt. „An der Lenne“ bewerten Bürger die Versorgung am schlechtesten. Die Hintergründe.

Mit der Note 2,85 bewerten die Hagener die medizinische Versorgung im Stadtgebiet so gut wie fast keinen anderen der 14 abgefragten Bereiche im Heimatcheck. Besser schneidet lediglich der Öffentliche Personennahverkehr (2,69) ab. Am besten schneidet in der Bewertung Boele-Kabel ab, Ausreißer hingegen ist der Bereich „An der Lenne“, der die Ortsteile Halden, Bathey, Hengstey, Garenfeld, Berchum, Fley umfasst. Mit der Note 4,25 bewerten die Bürger das Angebot hier sogar noch schlechter als die Menschen im ländlicherem Breckerfeld (3,34).

Dabei ist laut der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe das Stadtgebiet in fast allen Bereichen überversorgt – und deswegen sogar eine Niederlassungssperre für weitere Ärzte verhängt, die es nach Hagen ziehen würde.

Versorgungsgrad bei 117,4 Prozent

Wie viele Ärzte und Psychotherapeuten für eine Stadt benötigt werden, wird generell durch die Bedarfsplanung vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) festgelegt. „Für jedes Fachgebiet gibt es Verhältniszahlen – eine Relation von Einwohnern je Arzt bzw. Psychotherapeut. Stimmt die Relation überein, so beträgt der Versorgungsgrad genau 100 Prozent. Ab einem Versorgungsgrad von 75 Prozent (Hausärzte) bzw. 50 Prozent (Fachärzte und Psychotherapeuten) gilt eine Region als unterversorgt. Eine Überversorgung wird ab 110 Prozent ausgewiesen“, so KVWL-Sprecherin Jana Elbert.

In Hagen betrage der Versorgungsgrad im Moment 117,4 Prozent im Bereich der hausärztlichen Versorgung. Auch ein Blick auf die einzelnen Fachbereiche zeigt, dass fast alle Bereiche überversorgt sind.

Besonders stark betroffen ist der Hautarzt-Bereich mit 166,9 Prozent, gefolgt von Chirurgen und Orthopäden (142,4), Frauenärzten (130,4) und Augenärzten (119,1). Auch HNO-Ärzte kommen mit 118,1 Prozent auf eine Überversorgung, Kinderärzte mit 109,5 Prozent nur noch knapp. Am schlechtesten schneiden Nervenärzte (101) und Psychotherapeuten (101,5) ab.

Keine Zahlen für einzelne Stadtteile

Warum die Bewertung im Lennetal so schlecht ausfällt, kann die Kassenärztliche Vereinigung nicht sagen. Auch ein Blick auf die Zahlen spiegelt dieses Empfinden nicht wieder. „Diese Frage lässt sich aber objektiv nicht beantworten“, so Elbert.

Denn zu einzelnen Stadtteilen könne man keine spezifische Aussage treffen, weil die Zahlen nicht auf Ortsteile runtergebrochen werden, sondern stadtübergreifend gelten. „Eventuell beeinflussen auch noch weitere Faktoren die Beurteilung der Bürger über die medizinische Versorgungslage – z. B. Zugang zur stationären Versorgung oder Zugang zu Apotheken“, so Elbert weiter. Auch, ob die teils schlechtere Bewertungen an langen Wartezeiten liegt, könne man nicht sagen.

„Wie schnell ein Patient einen Arzttermin erhält, ist unter anderem von der Auslastung der Praxis, der Art der Beschwerden und vom Anlass des Termins abhängig“, erklärt Jana Elbert in einem Schreiben. „Patienten, die einen dringenden Termin, z. B. bei einem Facharzt, benötigen, können sich auch an die Terminservicestelle der KVWL wenden. Hierzu benötigen sie eine Überweisung mit einem Dringlichkeitscode (außer bei Augenärzten und Frauenärzten).“

Dem Patienten werde dann innerhalb einer Woche einen Behandlungstermin bei einem Facharzt angeboten. „Die maximale Wartezeit zwischen Anruf und Termin beträgt vier Wochen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass es sich bei dem vermittelten Termin nicht um einen Wunschtermin bei einem Wunscharzt handelt.“

„Dünne Versorgung im Lennetal“

Der Hagener Arzt Dr. med. Rolf Max Kinzius, der auch Vorsitzender des Hausärztevereins ist, schätzt die medizinische Versorgung in Hagen in vielen Bereichen als sehr gut ein: „Wir haben viele Ärzte hier, die Zahlen sind gut. Hagen ist gut aufgestellt. Gerade die Coronazeit hat das auch noch einmal gezeigt“, betonen er und seine Frau Dr. Michaela Kinzius. Dass es ausreichend Ärzte in Hagen gibt, zeigt sich auch in den Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung für den Versorgungsgrad im Stadtgebiet (siehe Text oben). Dennoch gebe es in einigen Bereichen Probleme.

Terminversorgung bei Fachärzten

Dr. med. Rolf Max Kinzius
Dr. med. Rolf Max Kinzius © Privat

Mit Blick auf die Coronapandemie will Dr. Michaela Kinzius noch einmal betonen: „Auch die Altenheime im Stadtgebiet haben jetzt während der Coronazeit – und natürlich darüber hinaus – eine super Arbeit gemacht.“

Unabhängig von Corona seien die Hagener mit akuten Symptomen auf jeden Fall gut versorgt. „Aber das ist ein komplexes Thema“, sagt ihr Mann. Es komme auf viele Aspekte an.

Beispielsweise käme es im Bereich der ambulanten Neurologie oder Psychologie zu langen Wartezeiten für Patienten, „ein Problem ist dort die Terminversorgung“, erklärt Rolf Max Kinzius.

Gerade bei Fachärzten könne es länger dauern, bis die Bürger einen Termin in den Praxen bekommen.

Bewertung im Lennetal verständlich

Einen Grund für die schlechte Bewertung in den einzelnen Stadtteilen im Lennetal sieht der Vorsitzende des Hausärztevereins vor allem in der „dünnen Versorgungslage“ vor Ort. „Die Hausarztversorgung im Lennetal ist wirklich relativ schlecht“, betont auch Dr. Michaela Kinzius. „Gerade für ältere Menschen, die nicht mehr mobil sind und kein Auto haben, bedeutet das längere Wege. Da kann man verstehen, dass einige Bürger die Situation nicht als gut bewerten.“