Breckerfeld. Im Breckerfeld Rat ist sie als junge Frau nicht bloß aufgrund ihrer Größe eine Erscheinung. Kirsten Roß engagiert sich für SPD, TuS und Gençay.

Sie wirkt bescheiden, aber weiß durchaus, was sie will. Ihr Herz schlägt für Frankreich und Kroatien, seit 16 Jahren für ein und denselben Mann sowie die deutsche Sozialdemokratie. Gestatten: Kirsten­ Mareen Roß, 32 Jahre alt, Klassenlehrerin des künftigen Achterjahrgangs an der Sekundarschule Breckerfeld, TuS-Aktivistin und für die SPD Mitglied des Breckerfelder Rates – Frau, jung und somit eine Exotin in der vorzugsweise von älteren Herren dominierten Politikerriege der Stadtvertretung.

„Mein Papa in Frankreich“

Seit einem Vierteljahrhundert lebt Kirsten Roß ihre Leidenschaft zu Frankreich, auch wenn sie sich in ihrem Studium letztlich auf die englische Sprache fokussiert hat: „Seit 1994 fahre ich regelmäßig zu einer befreundeten Familie in unserer Partnerstadt Gençay, dort lebt ,mein Papa in Frankreich’“, engagiert sich die Pädagogin auch im Vorstand des Städtepartnerschaftsvereins Breckerfeld-Gençay.

Allerdings bedauert sie, dass der seit über vier Jahrzehnten bestehenden Gruppe der Nachwuchs fehle: „Gerade in diesen Zeiten ist es doch so wichtig, den europäischen Geist zu leben.“ Doch selbst an ihrer Schule sei es schwierig, genügend Kollegen zu finden, die dem Projekt neue Vitalität verleihen und einen kontinuierlichen Schüleraustausch etablieren.

Dennoch hat Kirsten Roß den Anspruch, zur nächsten Fahrt in den fernen Westen Frankreichs (Poitou-Region) gezielt Jugendliche mitzunehmen, um die völkerverbindende Idee wiederzubeleben.

Eine Rolle, in die sie nach dem Tod von Peter Breer nachgerückt ist und in der sie zunehmend Tritt fasst: „Ich fühle mich dort keineswegs als das Küken, das man nicht ernst nimmt.“ Wie denn auch bei einer imposanten Größe von 1,95 Metern. Die Pädagogin ist durchaus eine Erscheinung, die mit ihrer Körpersprache nicht bloß die ihr anvertrauten Schüler zu beeindrucken vermag. Dabei räumt sie ein, dass sie als Teenie unter ihrem rasanten Wachstum emotional gelitten habe. Mobbing und Isolation waren ihr keineswegs fremd: „Heute ist das kein Problem mehr“, gibt sie sich längst selbstbewusst. Wenn sie sich mal lässig durchstreckt, weiß ihre Klasse prompt, dass jetzt Schluss ist mit lustig.

Studium führt nach Oxford

Englisch und Geschichte sind die Fächer der eingefleischten Breckerfelderin, die sie den Mädchen und Jungen der Konfessionsschule heute vermittelt. Dabei kann sie damit prahlen, neben der Ruhr-Uni Bochum einst auch in Oxford studiert zu haben – zumindest mal für sechs Wochen. „Das war richtig cool“, erinnert sie sich vorzugsweise an die tolle Atmosphäre der Stadt, die Aura der renommierten Hochschule, die viele Harry-Potter-Assoziationen hervorrief und zahlreiche Freundschaften zu asiatischen Mitstudenten gedeihen ließ, gerne zurück.

Ihren Urlaub verbringt Kirsten Roß dennoch vorzugsweise in Kroatien: „Das ist ein bisschen wie nach Hause kommen“, hat sie in diesem Sommer den dritten Hochzeitstag an ihrem Sehnsuchts- und Wohlfühlort in Punat auf der Insel Krk verbracht. Dort hat sie auch vor drei Jahren ihrem Mann ganz romantisch unter einem Feigenbaum das Jawort gegeben. Keineswegs spontan, sondern erst nach 13 Jahren Beziehung. Kennengelernt hatte sie ihren Partner bereits als 16-Jährige im Internet auf der Ennepetaler Plattform „Wolke 10“. „Hoffentlich hat er nicht bei der Größe gelogen“, bibberte sie damals vor der ersten persönlichen Begegnung mit dem 1,93 Meter großen Remscheider. „Das war für mich ganz wichtig - ich könnte mir nicht vorstellen, mit einem viel kleineren Mann durchs Leben zu gehen“, war sie damals letztlich erleichtert, dass neben der Physiognomie auch die inneren Werte ihres heutigen Ehemannes stimmten.

Familiäre Prägung führt zu SPD

Seinerzeit fand Kirsten Roß, die im Neubaugebiet am Hansering groß wurde und dort im Wahlbezirk 9 auch für den nächsten Breckerfelder Rat kandidiert, bereits zur SPD. „Ich setze mich schon immer gerne für Leute ein, die nicht immer so gepudert wurden“, führte sie ihre familiäre Prägung über die Jusos und das Studentenparlament in die Breckerfelder SPD. Dabei ärgert sie, dass viele gute Inhalte ihrer Partei immer wieder durch Machtkämpfe an der Spitze torpediert werden. Zum Beispiel die Entmachtung von Parteichefin Andrea Nahles: „Es hat mich schon schockiert, wie mit ihrer Person umgegangen wurde – Politik muss kantige Typen auch zulassen können“, macht die 32-Jährige beim Spaziergang über ihre Lieblingshöhenroute in Richtung Schlagbaum deutlich, dass stromlinienförmige Abnicker kaum ihr Ding sind.

Nicht zuletzt durch den Sport hat sie immer wieder den Weg zurück nach Breckerfeld gefunden. Seit 25 Jahren im Badminton aktiv, leitet sie inzwischen die Abteilung und würde künftig gerne auch Verantwortung im Vorstand übernehmen. „Ich möchte mich für Menschen einsetzen – in der Politik ebenso wie im Sport“, hat sie zuletzt vor allem die integrierende Kraft des Vereinslebens in der Flüchtlingsarbeit erlebt. „Bildungspolitik und sozialpolitische Themen wie Teilhabe, Rentner, Barrierefreiheit und Familien sind meine Schwerpunkte“, will sie nicht zuletzt aufgrund der Corona-Erfahrungen vor allem die Digitalisierung in den Schulen politisch vorantreiben und sich für gleichberechtigte Rahmenbedingungen in den Familien engagieren.

Politik als steter Veränderungsprozess

Das alles ist das Ergebnis eines permanenten Reife- und Lernprozesses – im Job, im Sport und in der Politik: „Man muss sich immer wieder hinterfragen, sich eine Meinung bilden, Dinge einordnen und sich neu orientieren“, freut sich die SPD-Frau schon auf den intensiveren Austausch mit den Bürgern während des bevorstehenden Wahlkampfes. „Sicherlich wird in diesem Jahr viel im Netz auf Online-Plattformen stattfinden, weil klassische Infostände mit dem roten SPD-Schirm in diesen Zeiten weniger angesagt sind.“ Aber Kirsten Roß möchte mit den Menschen auch an den Haustüren ins Gespräch kommen: „Ich suche diese Anregungen, weil das letztlich die Politik ausmacht: Es macht für mich keinen Sinn, immer bloß starrsinnig in eine Richtung zu blicken.“