Hagen. Mit Hightech gegen die wuchernde Natur: Der Yachtclub Harkortsee kämpft mit Präzisionstechnik gegen die Elodea-Pest im Ruhrwasser.

Noch ist sie unsichtbar, doch eben kein mystisches Phantom wie das Ungeheuer von Loch Ness, sondern reale, lästige Realität. Die Wasserpflanze Elodea lauert seit zwei Jahrzehnten am Grund der Hagener Ruhrseen. Mit jedem Sonnentag des Jahres reckt sich das als Grüne Pest vorzugsweise von Wassersportlern verfluchte Gewächs der Oberfläche entgegen, wo es sich dann weiter verzweigt und schließlich zu einem undurchdringlichen Teppich verfilzt. Ein Wachstumsfluch des klaren, sauberen Wassers, den jetzt der Yachtclub Harkortsee in enger Zusammenarbeit mit dem Ruhrverband und der Fernuniversität Hagen mit Hightech-Präzision systematisch bekämpft.

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Geistiger Vater des autonomen Assistenzsystems für das seit 2016 auf dem Harkortsee pendelnden Mähbootes ist Stephan Werbeck: „Ich bin Segler“, unterstreicht der passionierte Wassersportler und Automatisierungsingenieur seine Motivation. Gemeinsam mit Bernhard Vogeler hat er eine GPS-basierte Technologie entwickelt, mit der das vom Ruhrverband bereitgestellte Wasserfahrzeug quasi wie von Geisterhand mit zentimetergenauer Präzision vollautomatisch über die Wasseroberfläche gesteuert wird.

Mit dem Laptop in der Hand steigt Werbeck in das Boot. Die zu mähende Fläche ist bereits exakt programmiert und die Steuerung übernimmt der Fahrassistent. Was in der Landwirtschaft – beispielsweise beim Mähen von gigantischen Getreidefeldern – schon längst Standard ist, gilt bei dem Prototypen auf dem Harkortsee noch als echte Innovation. „Es ist längst nicht dasselbe, wenn ein Mähroboter auf dem Gartenrasen exakt eine Bahn neben der anderen zieht, oder ein Boot, das auch Strömungen und Winden ausgesetzt ist, auf dem Wasser bewegt wird“, macht Thomas Brinkmann, Leiter der Stauseen­gruppe Ost des Ruhrverbandes, die technische Komplexität der Aufgabe deutlich. „Das ist so, als wenn man einen Formel-1-Rennwagen auf einer Eisfläche bewegt.“

PC steuert den Ruder-Winkel

Roland Stute vom Yachtclub Harkortsee fischt die Biomasse, die sich in Bootsschrauben und Ruderanlagen verfängt, ab. 
Roland Stute vom Yachtclub Harkortsee fischt die Biomasse, die sich in Bootsschrauben und Ruderanlagen verfängt, ab.  © WP | Michael Kleinrensing

Ursprünglich waren Werbeck und Vogeler vom Yachtclub Harkortsee nur mit Hilfe eines simplen GPS-Gerätes unterwegs, was allerdings zu erheblichen Kursabweichungen führte, störanfällig war und letztlich reichlich Elodea-Restflächen hinterließ. Die von Tüftler Werbeck weiter verbesserte Ausbaustufe des Fahrassistenten nutzt für die satellitenunterstützte Positionsbestimmung nun nicht bloß zwei GPS-Geräte, sondern auch ein fest installiertes Differential-GPS an Land: „Somit lässt sich das Boot zentimetergenau positionieren. Die Technik bestimmt den exakten Ruderwinkel über den PC“, ersetzt ein in Zusammenarbeit mit Fernuni-Professor Dr. Christian Icking entwickeltes mathematisches Modell das mangelhafte Fingerspitzengefühl des Menschen am Ruder. Für Stephan Werbeck bleibt im Boot letztlich bloß noch die Aufgabe, die Technik zu überwachen sowie Kollisionen mit anderen Wasserfahrzeugen, Schwimmern, sperrigem Treibgut oder unaufmerksamen Wasservögeln zu verhindern.

Verschiedene Tests

Hat das Elodea-Grün erst einmal die Oberfläche erreicht, ist der Kampf meist auch schon verloren. Daher setzt der Ruhrverband ab Ende April/Anfang Mai Taucher ein, um das Wachstum der eingeschleppten Pflanze bereits frühzeitig zu beobachten.

Sonneneinstrahlung und Hochwasserpegel beeinflussen die Entwicklung massiv. Daher werden auf den übrigen Ruhr-Seen ebenfalls Mähboote eingesetzt.

Parallel testet der Ruhrverband seit Mai ein Hydroventuri-Boot, das per Wasserstrahl die Elodea­pflanzen an der Wurzel bekämpft. Zudem kommen Amphibienbagger mit Harke und Egge zum Einsatz. Zudem werden Armleuchteralgen als Raumkonkurrenten zu Elodea ausprobiert.

Somit gelingt es weitaus effizienter, nicht bloß den Yachthafen mit seinen Steganlagen, sondern auch die Schneisen zu den Freiwasserflächen sowie die Bereiche vor den Bootsanlegestellen elodeafrei zu halten. „Damit hat sich auch unsere Vereinsarbeit deutlich verbessert“, betont Bernhard Vogeler den konkreten Gewinn für Freizeitsegler. Auch die Ruderer und Kajak-Fahrer seien für die Innovation sehr dankbar. Alle zwei bis drei Wochen wird in diesem Sommer bis zu einer Wassertiefe von 1,80 Metern die Elodea-Pflanze bekämpft. Dabei schafft das Mähboot durchschnittlich immerhin vier Quadratmeter pro Sekunde. Ein kleiner Sieg gegen einen übermächtigen Gegner.