Hagen. Nach der Trennung folgt der Streit - der Fall von einem Hagener (39) geht vor Gericht. Es geht um das Umgangsrecht. Seine Geschichte
Nach sechs Jahren Ehe ist die Luft raus, der Hagener (39) ist unglücklich, erkennt sich selbst nicht mehr wieder. Es gibt Streit, seine Frau hat Affären. Mitte 2017 trennt sich der 39-Jährige. Dann folgt der schwerste Gang in seinem Leben: „Ich musste meinem vierjährigen Sohn erklären, das Papa auszieht. Sein Gesicht dabei kann ich nicht vergessen, er dachte, ich würde ganz verschwinden“, sagt der Hagener. Die Erinnerungen überkommen ihn, seine Stimme ist brüchig, er muss die Tränen unterdrücken.
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Es folgen zwei Jahre voll Streit und Diskussionen um das Umgangsrecht, verbale und körperliche Auseinandersetzungen und eine Verhandlung vor dem Familiengericht. „Die Zeit hat mich fast fertig gemacht. Aber das war es alles wert. Ich bin froh, dass ich meinen Sohn jetzt regelmäßig und ohne Probleme sehen kann.“
Neue Beziehung verändert alles
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Zunächst läuft die Trennung von seiner Frau einvernehmlich und ohne Probleme. Tobias zieht aus, das Verhältnis zur Mutter bleibt gut. Bis zum Moment, als der Hagener anderthalb Jahre später eine neue Partnerin findet. „Sie war aus unserem gemeinsamen Freundeskreis.“ Es gibt erste Probleme – und wieder Streit. „Irgendwann hat meine Ex uns dann an der Wohnung meiner neuen Freundin aufgelauert. Ich war draußen und wollte sie noch aufhalten, aber sie stürmte an mir vorbei die Treppe hoch und schlug und trat auf meine Freundin ein.“ Der 39-Jährige geht dazwischen, bekommt selbst zwei Schläge ins Gesicht.
Er verständigt die Polizei, auch Nachbarn bekommen den Streit mit. „Die Beamten haben dann einen Platzverweis ausgesprochen und eine Anzeige wegen Körperverletzung aufgenommen. Meine Freundin hatte Blutergüsse, Kratzer und eine zerrissene Jacke. Mehr ist zum Glück nicht passiert.“ Die Miene von dem Hagener verdüstert sich, wenn er über diesen Tag spricht.
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Ein Tag, der alles änderte. Die sowieso schon angespannte Situation zur Mutter seines Sohnes verschlimmert sich. Seine Ex-Frau rief ihm im Gehen noch zu: „Ab jetzt wird alles anders.“ Und das wird es. Sie schreibt Hassnachrichten und Beleidigungen auf Facebook, provoziert. Ohne Erfolg. „Ich habe nur alles dokumentiert“, sagt der 39-Jährige. Er hat die Ordner mit Screenshots und Ausdrucken bis heute. Das Paar musste wegen des eskalierten Streits auch zum Jugendamt. „Dass es soweit einmal kommt, das hätte ich nie geglaubt.“
Anwältin eingeschaltet
„Umgangsrecht ist ein Recht des Kindes“
Anna Maria Göbel ist Fachanwältin für Familienrecht in Hagen. Der Streit in Familien um das Umgangsrecht nach einer Trennung gehört bei ihr zum Alltag. „Das Umgangsrecht regelt, wie oft Eltern, die getrennt leben, ihr Kind sehen können“, sagt sie im Gespräch. Dabei sei das Umgangsrecht eine Pflicht, „dass diese Regelung freiwillig ist, ist ein Irrglaube“, betont sie.
Komme es zu einer Einigung zwischen den Eltern, sei das Thema relativ unproblematisch. In vielen Fällen müssten die Zeiten allerdings festgelegt werden. „Bei einem Streit gibt es gerichtliche Vorgaben: Jedes zweite Wochenende mindestens von Samstag 10 Uhr bis Sonntag 18 Uhr, jeweils die Hälfte der Ferien und einen der hohen kirchlichen Feiertage wie Weihnachten. Das wird dann alles genau festgelegt.“
Zwangsgeld bei Verstößen
Verstoße man gegen die Vereinbarung, müsse man mit einem Zwangsgeld rechnen. „Da geht es um Beträge ab 100 Euro. Die Höhe des Zwangsgelds ist nach oben offen und orientiert sich am Einkommen des Elternteils“, erklärt die Fachanwältin. Auch in Hagen gebe es viele Fälle bezüglich des Umgangsrechts. „Örtlich ist das Gericht hier zuständig bis Hohenlimburg. Bei mindestens 50 Prozent der Trennungen kommt das Thema auf und muss anwaltlich begleitet werden.“
In drei von vier Fällen komme es auch zu Gerichtsverfahren. Anna Maria Göbel ist auch wichtig in dem Zusammenhang zu betonen, „dass das Kind ein Recht darauf hat, den Vater oder die Mutter zu sehen – unabhängig davon wie die Eltern sich nach der Trennung gegenseitig finden .“
Eltern über neue Wege aufklären
Ein Kontaktverbot setze voraus, dass zuvor etwas Schlimmes passiert sei. „Ein Streit unter den Eltern, selbst Gewalt unter den Elternteilen, reicht dafür nicht aus. Das Umgangsrecht ist ein Recht des Kindes.“
Die Hagener Rechtsanwältin will Eltern auch über „neue Wege“ in den sozialen Medien aufklären und Hemmschwellen abbauen. Unter anderem hat sie einen eigenen Blog und veröffentlich regelmäßig etwas zum Bereich Familienrecht und „Überleben im Scheidungsdschungel“ auf ihrem Instagram-Kanal „fraurechtsanwalt“.
Seine neue Freundin hat eine Tochter, die sich gut mit seinem Sohn versteht. „Sie spielen immer zusammen oder wir unternehmen Ausflüge. Das war meiner Ex immer ein Dorn im Auge.“ Sie sagt ihm für vereinbarte Treffen mit dem Sohn ab, Geburtstagspartys oder andere Pläne kommen dazwischen, sie versucht den Sohn von ihm zu entfremden.
„Es waren immer kleine Schikanen im Spiel. Ich hatte Angst, dass sie mir unseren Sohn wegnehmen will. Aber ich wusste ja auch: Vor meinem Sohn kann ich nicht sagen, dass Mami doof ist. Er liebt sie. Für ihn war die Zeit auch schwierig. Das ständige Hin und Her. Deswegen habe ich dann eine Anwältin eingeschaltet.“ Sie soll das Umgangsrecht fixieren. Es werden feste Zeiten vereinbart, akribisch und auf die Minute genau. Zu welchen Zeiten darf er seinen Sohn sehen und an welchen Tagen, wann ist Urlaub möglich, wie ist es mit den Feiertagen.
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„Aber es hatte alles null Nährwert. Man musste sich nicht daran halten. Deswegen ging der Fall dann vor Gericht. Unter anderem, weil sie immer weiter gedroht hat, ich könnte meinen Sohn weniger sehen.“ Im September 2018 findet die Verhandlung statt. Der Umgang wird fixiert, sie müssen zur Familienberatung. Es hilft nicht. 2019 folgt die Scheidung.
Jede Abweichung könnte Ärger geben
„Spontanität ist jetzt schwer“, sagt der Vater. Er hält sich an die Vereinbarung. Jede Abweichung könnte Probleme bedeuten. „Ich bin immer pünktlich. Auch wenn es anstrengend ist. Ich will nichts riskieren.“ Auch ein Wechselmodell war im Gespräch, „also dass mein Sohn eine Woche bei mir ist und eine Woche bei seiner Mutter.“ Sie stimmte nicht zu, es gab Streit um einen Urlaub, weil ihre Unterschrift fehlte. „Das war alles total hart.“ Der Vater nimmt die Situation hin: „Die Hauptsache ist: Ich kann meinen Sohn sehen und ihm geht es gut.“
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Der 39-Jährige ist wieder glücklich. Nicht nur darüber, dass er seinen Sohn regelmäßig sieht, sondern auch über die neue Partnerin an seiner Seite. „Sie hat den ganzen Stress ja mitbekommen. Es ist nicht selbstverständlich, dass man so etwas mitmacht.“ Auch die Situation mit seiner Ex-Frau hat sich mittlerweile beruhigt, sie hat einen neuen Partner. „Wir müssen uns ja irgendwie arrangieren und uns abstimmen.“ Leicht ist es nicht, „aber es wird leichter“, sagt der Hagener. Wenn er so darüber nachdenkt, hat er die Geschichte „noch nie jemandem so am Stück erzählt. Verrückt, was alles passiert ist. Ich könnte noch viel mehr erzählen. Aber darüber zu sprechen tut auch irgendwie gut.“